Fernwärme: Zwei Grundsatzurteile stehen ins Haus

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Müssen sich Fernwärmelieferanten auf ähnliche Streitereien um ihre Preisanpassungsklauseln einstellen wie die Gasversorger? Dies steht in zwei Revisionsverfahren auf dem Spiel, über die in den letzten Tagen vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mündlich verhandelt wurde. Am 6.4.2011 will der BGH beide Entscheidungen verkünden – die, so viel kann man jetzt schon sagen, für den Wärmemarkt von grundsätzlicher Bedeutung sein werden.

Erst zahlen, dann klagen?

In der Verhandlung am 19.1.2011 ging es um ein Urteil des Landgerichts (LG) Lübeck vom 22.1.2009 (Az. 14 S 283/06). Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der (von BBH vertretene) Fernwärmeversorger von seinem Kunden Zahlung verlangen kann, auch wenn dieser die Preisklausel für unzulässig hält.

Nach § 30 AVBFernwärmeV ist im Fernwärmebereich die Möglichkeit des Kunden, die Rechnung anzuzweifeln und deshalb die Zahlung zu verweigern, deutlich eingeschränkt: Das geht nur, wenn die Rechnung offensichtlich fehlerhaft ist (also z.B. der Zählerstand falsch abgelesen wurde oder dergleichen). Ansonsten muss der Kunde zunächst zahlen und sein Geld gegebenenfalls im Nachhinein gerichtlich zurückfordern.

Was passiert, wenn der angebliche Fehler in der Grundlage der Rechnung liegt, also in der Preisklausel im Vertrag? Selbst wenn man dies gelten ließe – ein offensichtlicher Fehler kann das jedenfalls nicht sein, so jedenfalls die Meinung des LG Lübeck: Denn darüber werde schließlich gestritten. Und worüber man streite, das könne nicht offensichtlich sein.

In der Verhandlung signalisierte der BGH anfänglich Skepsis, ob er sich dieser Sicht der Dinge anschließt, zeigte sich im weiteren Verlauf aber offen.

AGB-Kontrolle

Wenige Tage zuvor, am 12.1.2011, verhandelte der BGH über die Revision gegen ein Urteil des Oberlandesgericht (OLG) Naumburg vom 17.9.2009 (Az. 1 U 23/09), das sich um die Frage drehte, ob die Kunden Preisanpassungsklauseln in Fernwärmeverträgen als AGBs genauso gerichtlich überprüfen lassen können wie bei Gasverträgen.

Es gibt dabei nämlich einen Unterschied: Anders als bei Gasverträgen gibt es für Fernwärmeverträge eine spezielle Vorschrift, die den Inhalt von Preisanpassungsklauseln regelt, nämlich § 24 IV AVBFernwärmeV. Der verlangt, dass die Klausel die Kostenentwicklung beim Erzeuger und die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigt.

Das OLG Naumburg hatte ohne nähere Begründung angenommen, dass diese Spezialnorm einer allgemeinen Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht im Wege steht. Ob das Bestand hat, wird sich erst am 6.4.2011 zeigen, wenn der BGH sein Urteil dazu verkündet.

Ölpreisbindung

Eine weitere spannende Frage in diesem Revisionsverfahren ist die, ob man den Preis für Fernwärme an den Index für leichtes Heizöl binden kann. Beim Gas hatte der BGH dies im letzten Jahr in einer aufsehenerregenden Entscheidung untersagt.

Das OLG Naumburg hat den gleichen Schluss auch für den Wärmepreis gezogen: Die Kopplung an den Ölpreis sei völlig ungeeignet, da der Ölpreis mit den Kosten der Wärmeproduzenten überhaupt nichts zu tun habe.

Auch hier könnte eine zentrale Rolle spielen, dass anders als beim Gas bei der Wärme mit § 24 IV AVBFernwärmeV eine spezielle Vorschrift dazu existiert – und die sieht für die Preisbildung neben einer Kosten- auch eine Marktorientierung ausdrücklich vor. Daher könnte hier die Kopplung mit dem Preis für leichtes Heizöl als führendem Wärmeträger am Ende doch Bestand haben.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger

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