100 Jahre gleiche und freie Wahlen

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Als regelmäßige Leser*in unseres Blogs fragen Sie sich jetzt vielleicht, weshalb wir heute zu einem Thema schreiben, das augenscheinlich so gar nichts mit Energie zu tun hat: nämlich das Frauenwahlrecht. Stimmt, über Energie bloggen wir sehr häufig; allerdings ist unsere Themenbandbreite mittlerweile deutlich vielfältiger geworden. Mehr als der Inhalt eint unsere Beiträge daher die Perspektive. Die ist oftmals steuerlich, gerne auch betriebswirtschaftlich und in den überwiegenden Fällen: rechtlich.

Dass morgen vor 100 Jahren Frauen zum ersten Mal in Deutschland an der Wahl zur Nationalversammlung teilnehmen durften und damit von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, das sie sich erst kurz vorher, am 12.11.1918, erkämpft hatten – das geht natürlich weit über die rechtliche Dimension hinaus. Der 19.1.1919 ist der Grundpfeiler für eine demokratische und gleichberechtigte Gesellschaft, ein historisches Ereignis, dessen Wirkungskraft man kaum genug betonen kann.

Aber ist es nicht gleichzeitig befremdlich, dass es erst 100 Jahre her ist, dass Frauen wählen dürfen? Dabei gehört Deutschland damit sogar noch zu den Voreitern in Europa – die Schweiz zog erst 1971 nach, nur Liechtenstein brauchte noch länger, bis sage und schreibe 1984.

So wichtig die Einführung des Frauenwahlrechts ist, sie war nur der Anfang. Gleichberechtigung nach dem Gesetz bedeutet nicht automatisch, dass Frauen in Wirtschaft, Politik, Sprache und Gesellschaft auch gleich behandelt werden. In vielen Bereichen sind Frauen noch immer stark unterrepräsentiert.

Im Bundestag liegt der Frauenanteil aktuell bei 31 Prozent. Als Horst Seehofer im März 2018 seine Führungsriege im Innenministerium vorstellte, handelte es sich ausschließlich um Männer. Nach einer aktuellen Studie des Manager Magazins steigt der Frauenanteil in den Vorstandsebenen von DAX-Unternehmen nur langsam. In 160 Konzernen arbeiten 61 Managerinnen im Vorstand – immerhin 11 mehr als noch vor einem Jahr. Auch im Energiesektor findet man nur wenige Frauen auf Geschäftsführungs- und Vorstandsebene. In Rechtsanwaltskanzleien sieht es nicht viel besser aus: Nur durchschnittlich 10 Prozent der Partnerriege besteht aus Frauen.

Auch unabhängig von der Führungsfrage existiert nach wie vor ein Gender Pay Gap: Frauen in Deutschland verdienen pro Stunde durchschnittlich 21,5 Prozent weniger als Männer. Das ist der dritthöchste Wert EU-weit. Im gleichen Job bei gleicher Qualifikation sind es immerhin noch 6 Prozent weniger.

Um der fortgesetzten Ungleichheit ein Ende zu machen, schafft der Gesetzgeber immer wieder neue Regeln, deren Umsetzung in Unternehmen wiederum Compliance-Thema ist. Zum Beispiel darf ein Arbeitgeber beim Rekrutieren neuer Leute nicht ein Geschlecht bevorzugen. Auch hat das Geschlecht bei der Frage einer Beförderung keine Bedeutung. Dafür soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sorgen (wir berichteten).

Das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“ sorgt seit zwei Jahren dafür, dass in ca. 100 großen deutschen Unternehmen der Anteil von Frauen im Aufsichtsrat (und auch den operativen Leitungsebenen) steigt.

Und durch das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sind Arbeitgeber von Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten gezwungen (wir berichteten), Mitarbeitern Auskünfte zu geben über das Gehalt vergleichbarer Kollegen anderen Geschlechts. Und ab 500 Beschäftigen kommen noch Überprüfungs- und Berichtspflichten dazu.

Es ist ein weiter Weg von einer wegweisenden politischen Entscheidung über Compliance-Pflichten in Unternehmen bis zur gesellschaftlichen Alltagskultur. Unsere Töchter und Enkelinnen werden uns danken.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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