Was Meister Lampe mit Compliance zu tun hat …

Hase
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„Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“. So sagt man, wenn man ausdrücken will, dass jemand mit einer – häufig unangenehmen – Sache nichts zu tun haben und dafür nicht belangt werden will.

Entgegen dem ersten Anschein entstammt die Floskel nicht der Fabelwelt und hat ebenso wenig mit Meister Lampe zu tun. Vielmehr geht sie auf den deutschen Juristen Karl Victor von Hase zurück. Dieser wurde als Student in der Mitte des 19. Jahrhunderts beschuldigt, einem Freund zur Flucht verholfen zu haben, der einen Gegner im Duell getötet hatte. Der Duellant hatte den Studienausweis von Hase bei seiner Flucht gebraucht.

Schenkt man den Überlieferungen Glauben, gab sich von Hase in der Gerichtsverhandlung ahnungslos und äußerte auf Nachfrage zu den Anschuldigungen den besagten Satz, der sich später über die Studentenschaft hierzulande schnell verbreitete. Wie es scheint, kam von Hase in dem Verfahren tatsächlich ungeschoren davon und entging einer Bestrafung. Über das Schicksal seines duellierenden Kommilitonen ist hingegen nichts bekannt.

Was haben ahnungslose Hasen aber nun mit Compliance zu tun? Alles und nichts.

Unter Compliance versteht man – vereinfacht gesagt – die Einhaltung von Recht und Gesetz im Unternehmen. Dieses erstellt verbindliche Compliance-Richtlinien, weist die damit verbundenen Aufgaben bestimmten Personen zu, schult seine Mitarbeiter und legt bestimmte Informationsflüsse fest, überwacht die Einhaltung und hält alles immer aktuell – mit dem Ziel, die eigene Rechtstreue und deren Überwachung und Dokumentation sicherzustellen. Vorrangig geht es darum, Rechtsverstöße des Unternehmens nach Möglichkeit von vorneherein zu vermeiden. Kommt es jedoch tatsächlich einmal zu einem solchen, soll damit auch verhindert werden, dass die Leitungsebene darüber Schaden nimmt.

Scheitert die Befolgung von Recht und Gesetz aber an einer unzureichenden Informations- und Organisationsstruktur im Unternehmen, so bewahrt der Satz „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts …“ den Geschäftsführer mitnichten vor einer Verantwortlichkeit im Verhältnis zu Gesellschaftern oder Behörden. Unwissenheit schützt nämlich auch in diesem Kontext nicht vor Strafe. Denn der Vorwurf ist nicht, dass er von dem Rechtsverstoß wusste, sondern dass es an organisatorischen Vorkehrungen zur Vermeidung desselben gemangelt hatte (sog. Organisationsverschulden).

Der Teufel steckt im Detail

Auch das gewissenhafteste und rechtstreueste Unternehmen bzw. dessen Leitung können das Risiko von Rechtsverstößen und dadurch verursachten Schäden ohne effiziente Überwachungsstrukturen nicht ausschließen. Denn so einleuchtend und einfach die Befolgung von Recht und Gesetz theoretisch klingen mag, so sehr stellt sie Unternehmen im Tagesgeschäft vor Herausforderungen. Nicht nur die schiere Masse an relevanten Rechtsvorschriften, auch deren ständige Änderung und Ergänzung können schnell bewirken, dass der Blick für das Wesentliche verloren geht. Dies vor allem in Bereichen, bei denen man nicht auf den ersten Blick unmittelbar an das Thema Compliance denkt.

Ein Beispiel: Energieintensive Unternehmen des Produzierenden Gewerbes können bekanntlich unter bestimmten Voraussetzungen eine verringerte EEG-Umlage oder Strom- bzw. Energiesteuererstattungen für die verbrauchten Strommengen geltend machen. Dafür wird aber unter anderem eine Zertifizierung eines Energiemanagementsystems verlangt, das auf eine kontinuierliche Verbesserung der Energieeffizienz, des Energieeinsatzes und des Energieverbrauchs abzielt. Seit April dieses Jahres bietet die DIN EN ISO 50001 (anstelle der früheren DIN EN 16001) die Basis für eine solche Zertifizierung.

Die DIN EN ISO 50001 schreibt unter anderem auch vor, dass bei der Energiepolitik und Energieplanung im Rahmen des Energiemanagements geltende rechtliche Vorschriften und andere Anforderungen bezüglich des Energieeinsatzes, des Energieverbrauchs und der Energieeffizienz zu ermitteln, umzusetzen und zugänglich zu machen sind. Dies kann zum Beispiel in der Form eines Rechtskatasters – also einer regelmäßig zu aktualisierenden Liste der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben – geschehen. Gleichzeitig muss bestimmt werden, wie diese Anforderungen anzuwenden und bei Einführung, Verwirklichung und Aufrechterhaltung eines Energiemanagementsystems zu berücksichtigen sind.

Klingt bekannt? Ist es auch! Im Grunde geht es nämlich auch hier um Compliance, wenn auch mit dem Fokus auf Vorgaben aus den Bereichen Energieeffizienz und -einsparung.

Nicht nur auf sich selbst schauen

Aber nicht nur die Einhaltung relevanter Vorschriften und Detailanforderungen im eigenen Dunstkreis, auch die Verlässlichkeit und Rechtstreue von Geschäftspartnern bzw. Kunden sollten Unternehmen im Blick haben (Stichwort: „know your customer“). So berichteten wir schon vor geraumer Zeit, dass sich auch Rechtsverstöße von Geschäftspartnern negativ auf das eigene Unternehmen bzw. auf dessen Führungsriege auswirken können. Neben allgemeinen Reputationsverlusten und negativen Reaktionen anderer Kunden bis hin zur Beendigung der Geschäftsbeziehung können auch behördliche Untersuchungsverfahren und Sanktionen gegen das Unternehmen und die Unternehmensleitung die Folge sein.

Aus diesem Grunde sollte jedes Unternehmen verbindliche sachliche Kriterien definieren, wie Geschäftspartner und Kunden ausgewählt sowie Geschäfte mit diesen durchgeführt werden. Die verantwortlichen Mitarbeiter sollten über die Kriterien informiert und zu deren Einhaltung verpflichtet werden. Ganz wichtig ist außerdem, die Auswahl- bzw. Entscheidungsprozesse durch die verantwortlichen Mitarbeiter auch jeweils zu dokumentieren. Denn nur wer entsprechende Auswahl- bzw. Entscheidungsprozesse nachweisen und auch belegen kann, dass diese tatsächlich angewendet wurden, kann den Vorwurf eines Organisationsverschuldens im Streitfalle entkräften. Es gilt insoweit: Wer schreibt, der bleibt!

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau/Dr. Tigran Heymann

Ansprechpartner DIN EN ISO 50001: Prof. Dr. Ines Zenke/Andreas Große/Dr. Tigran Heymann oder unsere BBH Consulting AG

PS: Sie möchten mehr über Compliance erfahren? Dann schauen Sie doch einfach mal hier.

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