Automatisiertes Fahren: was der neue Gesetzentwurf bringt

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Maschinen werden immer autonomer, die Sensorik immer präziser und die dadurch ermöglichten Steuerungsfunktionen immer komplexer. Diese allgemein als „Industrie 4.0“ bezeichnete Entwicklung macht auch vor der Automobilbranche nicht halt. Dort wird die Eigenschaft von Kraftfahrzeugen, die Umwelt eigenständig wahrzunehmen und darauf selbstständig fahrtechnisch zu reagieren unter dem Schlagwort „automatisiertes Fahren“ diskutiert.

Doch nicht alles, was technisch geht, ist rechtlich problemlos zulässig. Sollen sich Autofahrer in Zukunft vollständig auf die „selbstfahrenden Autos“ verlassen dürfen? Ist überhaupt ein Fahrer erforderlich, oder darf das Auto der Zukunft auch ausschließlich Passagiere transportieren? Welche Lasten werden den Verkehrsteilnehmern und potentiellen Unfallopfern aufgebürdet.

Um diese Fragen zu beantworten, hat  der Bundestag  vor wenigen Wochen das Straßenverkehrsgesetz (BT-Drs. 69/17) geändert. Jetzt muss noch der Bundesrat Stellung (BR-Drs. 299/17) nehmen, dann kann das Gesetz in Kraft treten.

Dem Entwurf liegt eine differenzierte Betrachtungsweise verschiedener Automatisierungsgrade zu Grunde. Von einem teilautomatisierten Fahren ist auszugehen, wenn der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss und jederzeit zur vollständigen Übernahme der Fahraufgabe bereit ist. Hoch- oder vollautomatisiert ist das Fahren nach dem Gesetzesentwurf, wenn der Fahrer das System nicht dauerhaft überwacht, aber vom System gewarnt wird, wenn er eingreifen muss. Beim autonomen Fahren übernimmt das System die gesamte Fahrzeugsteuerung, ohne dass es eines Fahrers bedarf.

Während teilautomatisiertes Fahren bereits unter dem heutigen Straßenverkehrsgesetz (StVG) erlaubt sein kann, wird vollständig autonomes Fahren auch in Zukunft unzulässig bleiben. Der Gesetzesentwurf regelt ausschließlich die Zulässigkeit des hoch- oder vollautomatisierten Fahrens. Mindestanforderungen sind in § 1a Abs. 2 StVG-E definiert: Das System muss jederzeit durch den Fahrer übersteuerbar sein, der selbst verantwortlich bleibt, wann er das Steuer übernimmt. Anders als im ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung verpflichtet das vom Bundestag beschlossene Gesetz den Hersteller, in der Systembeschreibung verbindlich zu erklären, dass das Fahrzeug diesen Voraussetzungen entspricht.

Diese Regelung ist nach der Entwurfsfassung die einzige zusätzliche Verpflichtung von Herstellern automatisierter Fahrzeuge. Im Übrigen bleibt der Gesetzgeber bei dem bisherigen Haftungssystem des StVG: der (verschuldensunabhängigen) Halterhaftung und der (verschuldensabhängigen) Fahrerhaftung. Dazu wird ausdrücklich klargestellt, dass Fahrzeugführer auch derjenige ist, der eine hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion verwendet. Ihm werden neue Sorgfaltspflichten auferlegt, deren schuldhafte Verletzung eine Haftung des Fahrers auslöst. Zunächst hat er die Fahrfunktion bestimmungsgemäß zu verwenden. Zudem muss er die Fahrzeugsteuerung übernehmen, wenn er vom System dazu aufgefordert wird oder er erkennt bzw. erkennen muss, dass die eigenhändige Steuerung erforderlich ist.

Auf der anderen Seite gibt das Gesetz in der endgültigen Fassung dem Fahrer das Recht, sich vom Verkehrsgeschehen abzuwenden, solange das System das Fahrzeug steuert. Dabei muss er jedoch wahrnehmungsbereit bleiben, so dass er seiner Pflicht zur Übernahme der Fahrzeugsteuerung jederzeit nachkommen kann.

Der Fahrer eines Kraftfahrzeugs kann schon heute einer Haftung entgehen, wenn er beweisen kann, dass ihn kein Verschulden trifft (sog. Beweislastumkehr des § 18 Abs. 2 Satz 2 StVG). Ein entsprechender Nachweis wird durch den Einsatz von hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen erschwert sein. Dem trägt der Gesetzgeber mit der Einführung einer sog. „Black Box“ Rechnung (§ 63a StVG-E). Sie speichert den Wechsel der Fahrzeugsteuerung zwischen Fahrer und System sowie Aufforderungen des Systems an den Fahrer, die Steuerung zu übernehmen.

Fortschritt braucht Rechtssicherheit. Ohne klare (Haftungs-)Regelungen stünde zu befürchten, dass die neue Fahrzeugtechnik ausschließlich in anderen Ländern entwickelt wird. Der Gesetzesentwurf ist daher als erster Schritt zu begrüßen. Er wird jetzt dem Bundesrat zugeleitet. Die Aufgabe des Gesetzgebers, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der allen potentiellen Gefahren entgegenwirkt, ist damit allerdings durchaus nicht abgeschlossen. Neben der Identifizierung weiterer Regelungslücken im Zusammenhang mit der sich rasch entwickelnden Technologie sind Vorgaben zum vollautomatisierten oder autonomen Fahren weiterhin erforderlich. Die schrittweise Anpassung des StVG ermöglicht es dem Gesetzgeber, diese auf Grundlager der Erfahrungen mit der aktuellen Gesetzesanpassung zu entwickeln.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Jan-Hendrik vom Wege

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