Ein Klimaschutzgesetz für Deutschland?

(c) BBH
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Nordrhein-Westfalen hat es schon, Baden-Württemberg will es (wir berichteten) – und auch auf Bundesebene soll es kommen: ein Klimaschutzgesetz. So will es zumindest die Grünen-Fraktion im Bundestag, die am 5.6.2013 einen Gesetzentwurf dazu eingebracht hat. Erklärtes Ziel der Initiative ist es, für Deutschland rechtlich verbindliche langfristige Ziele zur Minderung von Treibhausgasemissionen festzuschreiben. Gleichzeitig soll Planungssicherheit für Investitionen in innovative Klimaschutztechnologien, Energieeffizienz und erneuerbare Energien geschaffen werden.

§ 1 des Entwurfs sieht vor, die inländischen Treibhausgasemissionen stufenweise um 95 Prozent bis 2050 im Vergleich zum Jahr 1990 abzusenken. Konkret würde dies bedeuten, dass Deutschland 2050 insgesamt nur noch 62 Mio. t an Treibhausgasen emittieren dürfte. Zum Vergleich: 2012 lagen die deutschen Treibhausgasemissionen bei etwa 931 Mio. t. Dabei soll jede in Deutschland emittierte Tonne CO2-Äquivalent zählen. Die Klimaschutzziele sollen im Inland erreicht werden, eine Gegenrechnung von Klimaschutzprojekten in Drittstaaten erlaubt der Gesetzentwurf ausdrücklich nicht.

Im ersten Schritt sollen die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Insoweit deckt sich die Zielplanung noch mit der der Bundesregierung. Anders als diese wollen die Gesetzesinitiatoren dieses Ziel aber rechtlich verbindlich machen. Der Minderungspfad wird in der Anlage zu dem Gesetzentwurf auf jahresscharfe Zwischenziele heruntergebrochen. Die Bundesregierung soll alle vier Jahre einen Klimaschutzplan über die Maßnahmen vorlegen, mit denen sie die Klimaschutzziele erreichen will. Darin sind für die einzelnen Wirtschaftsbereiche – unter anderem Stromerzeugung, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft – sektorale Emissionsbudgets festzusetzen. Außerdem sind Ziele in den Bereichen Energieeffizienz, Ausbau der Erneuerbaren Energien, Anteile des Schienenverkehrs und der Binnenschifffahrt im Verkehrssektor, ökologischer Landbau und Kohlenstoffspeicherung im Bereich der Land- und Forstwirtschaft zu definieren. Eine Klimaschutzkommission soll die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele überwachen und jährlich hierzu einen Bericht vorlegen. Die Bundesregierung wiederum hat dem Bundestag und dem Bundesrat jährlich einen Klimaschutzbericht zu erstatten. Die Datengrundlage hierfür soll das Umweltbundesamt liefern, das die jährliche Gesamtmenge der inländischen Treibhausgasemissionen ermitteln soll.

Der Gesetzentwurf beschränkt sich aber nicht darauf, Ziele zu definieren. Er benennt auch Instrumente, mit denen diese erreicht werden sollen. So verpflichtet § 9 des Entwurfs die Bundesregierung darauf, ein so genanntes Klimaschutz-Aktionsprogramm vorzulegen, wenn im Vorjahr das Klimaschutzziel nicht erreicht wurde. Die Maßnahmen sollen geeignet sein, das Emissionsbudget spätestens im dritten Jahr nach der Zielverfehlung wieder auszugleichen. Die konkreten Maßnahmen sind von der Klimaschutzkommission zu bewerten, stehen aber letztlich im Ermessen der Bundesregierung. Wenn nötig, sind zusätzliche Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen. Als Beispiele für Maßnahmen im Rahmen eines solchen Aktionsprogramms werden genannt: ordnungsrechtliche Regelungen, Änderungen im Steuerrecht, Abbau umweltschädlicher Subventionen sowie Klimaschutzinvestitionen oder Förderprogramme – mit anderen Worten: im Grundsatz bekannte und verschiedentlich bereits angewandte, vorwiegend indirekte Steuerungsinstrumente. Der Mehrwert des Gesetzentwurfs dürfte deshalb vor allem darin liegen, Maßnahmen zu bündeln und anhand einer übergreifenden Gesamtbetrachtung aller Treibhausgasemissionen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Wie die geplanten Ad-hoc-Programme mit der erwünschten Planungssicherheit in Einklang zu bringen sind, bleibt aber offen.

Konkreter wird der Entwurf bei den Pflichten, die dem Bund selbst sowie den Betreibern emissionshandelspflichtiger Anlagen auferlegt werden sollen:

Der Bund soll danach seiner Vorbildfunktion in Sachen Klimaschutz durch besonders ehrgeizige Ziele gerecht werden. Hierzu gehören die Erstellung eines energetischen Sanierungsplans für alle Gebäude und Liegenschaften des Bundes, die Senkung der Treibhausgasemissionen der Bundesministerien und des Bundeskanzleramtes bis 2020 um 80 Prozent im Vergleich zu 1990, der Bezug von 100 Prozent Strom aus nicht nach dem EEG geförderten Strom aus Erneuerbaren Energien bis spätestens 2015 sowie die Verpflichtung, nur noch CO2-arme Dienstwagen anzuschaffen.

Ans Eingemachte geht es für die Betreiber emissionshandelspflichtiger Anlagen. Für diese soll nach dem Willen der Grünen ein CO2-Mindestpreis von 15 Euro pro Tonne gelten, der zudem von 2016 bis 2020 jährlich um zusätzlich 1 Euro steigen soll. Realisiert werden soll der Mindestpreis – wenig überraschend – über eine Steuer, die sich an die Abgabe von Emissionsberechtigungen nach § 7 TEHG knüpft. Der Steuersatz ergibt sich gemäß § 11 Abs. 2 des Entwurfs aus der Differenz zwischen dem festgesetzten Mindestpreis und dem durchschnittlichen Börsenpreis der Zertifikate im Veranlagungszeitraum. Nicht steuerpflichtig soll die Abgabe von CO2-Zertifikaten sein, die der Anlagenbetreiber kostenlos zugeteilt erhalten hat. Die Gesetzesinitiatoren halten eine solche Steuer für notwendig, weil das aktuelle Preisniveau im europäischen Emissionshandel von 3 bis 4 Euro pro Zertifikat nicht ausreiche, um einen wirtschaftlichen Anreiz für die Investition in Klimaschutztechnologien zu schaffen. Der Versuch der Europäischen Kommission, den CO2-Preis durch eine vorläufige Verknappung des Angebots („Backloading“) zu stabilisieren, war bekanntlich zunächst am Widerstand des Europäischen Parlaments gescheitert. Inwieweit der nun vom Umweltausschuss des Europäischen Parlamentes (EP) beschlossene Kompromiss – 900 Mio. Emissionsberechtigungen werden dem Versteigerungsbudget entzogen, aber bereits 2016 wieder auf den Markt gebracht – nachhaltig zur Konsolidierung des CO2-Preises beitragen wird, sollte er vom Plenum des EP bestätigt werden, bleibt abzuwarten. Ob dagegen eine einzelstaatlich implementierte Preisuntergrenze – selbst unterstellt, diese ist finanzverfassungsrechtlich überhaupt zulässig – eine sinnvolle Alternative wäre, ist jedoch fraglich. Schließlich hat sich die EU gerade erst durch europaweit einheitliche Regeln und Emissionsbudgets dafür eingesetzt, im europäischen Emissionshandel gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Ein dauerhaft über dem Marktpreis liegender Mindestpreis würde zudem das marktbasierte Instrument des Emissionshandels nicht ergänzen, sondern faktisch überflüssig machen.

Der Gesetzentwurf liefert einen wichtigen Beitrag zu der Frage, wie die Vielzahl klimaschutzpolitischer Einzelmaßnahmen sinnvoll(er) koordiniert werden kann. Die Bundesregierung – egal, wie sie nach dem 22.9.2013 aussehen wird – wird sich mit dieser Frage so oder so verstärkt beschäftigen müssen. Hier gibt es noch viel Diskussionsbedarf.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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