Aufatmen bei der Offshore-Branche – Vergleich vor dem OLG Düsseldorf

(c) BBH
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Ein Vergleich vor dem OLG Düsseldorf sorgte wenige Tage vor Weihnachten für fröhlich-friedliche Stimmung in der Offshore-Windenergiebranche. Der Vergleich ermöglicht es der Bundesnetzagentur (BNetzA), wie geplant Übertragungskapazitäten auf Anbindungsleitungen zugunsten von mehreren Offshore-Windparks zuzuweisen. Die Zuweisung dieser Kapazitäten war durch Eilanträge für zwei Offshore-Windparks gestoppt worden, die befürchteten, bei der Kapazitätszuteilung zu kurz zu kommen.

Der Hintergrund: Um Strom aus Offshore-Windparks übertragen zu können, müssen Anbindungsleitungen errichtet werden. Dazu sind die Übertragungsnetzbetreiber gesetzlich verpflichtet. Nach Gesetzesänderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) weist die BNetzA den Anbindungsleitungen Anschlusskapazitäten zu, und zwar in einem objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren. Außerdem hat der Gesetzgeber einen „Deckel“ für die maximal zuweisbaren Kapazitäten von 6,5 GW bis 2020 festgelegt. Da unklar ist, ob sämtliche zugewiesene Kapazität auch genutzt wird, darf die BNetzA zunächst 7,7 GW Anschlusskapazität zuweisen.

Im Wege eines Beschlusses (BK6-14-129) hat die BNetzA mehrere Betreiber von Offshore-Windparks zur Teilnahme an dem Zuweisungsverfahren für die Anschlusskapazitäten zugelassen. Den meisten Parks wollte die BNetzA baldmöglichst die Kapazitäten zuweisen, da in ihren Clustern – den räumlich zusammenhängenden Bereichen, in denen mehrere Parks errichtet werden – ausreichend freie Kapazitäten vorhanden sind.

Für Cluster 8 galt dies jedoch nicht. Dort bewarben sich die Windparks EnBW Hohe See GmbH und Northern Energy OWP Albatros GmbH mit 496 MW und 316 MW um Kapazitäten. Die BNetzA will dort aber nur 450 MW zuweisen. In dem Cluster sind somit Kapazitäten knapp, weshalb sich die Windparks in einer Versteigerung um die Kapazitäten bewerben müssten. Grund für die Knappheit ist, dass die BNetzA erwägt, den Anschluss des bereits bestehenden Windparks Global Tech I auf die Anbindungsleitung zum Cluster 8 – BorWin3 – zu verlagern (Verfahren BK6-14-127). Um dies möglich zu machen, hat sie auf der Basis einer entsprechenden Rechtsvorschrift im EnWG Kapazitäten auf der Anbindungsleitung BorWin3 zum Cluster 8 von der Zuweisung ausgenommen. Denn diese Kapazitäten könnten später für die Verlagerung des Anschlusses von Global Tech I erforderlich sein.

Mit diesem Vorgehen bezweckt die BNetzA vor allem, den Bau einer bislang geplanten weiteren Anbindungsleitung – BorWin4, Leitung von Emden an Borkum vorbei in die deutsche Bucht – einzusparen. Hiermit könnten – so die BNetzA – Baukosten von über 1,5 Mrd. Euro vermieden werden.

Gegen die nur eingeschränkte Zulassung zum Zuweisungsverfahren wehrten sich die Betreiber der Windparks Hohe See und Albatros mit Eilanträgen vor dem OLG Düsseldorf. Schon das Stellen der Eilanträge hatte dramatische Folgen für alle anderen Offshore-Windparks, denn die eigentlich geplante Zuweisung der Anbindungskapazitäten wurde zunächst einmal gestoppt. Wären die Eilanträge erfolgreich gewesen, hätte dies die Zuweisung der Kapazitäten an alle anderen betroffenen Projekte in Nord- und Ostsee auf unabsehbare Zeit verzögert.

Das OLG Düsseldorf stellte in der mündlichen Verhandlung am 18.12.2014 dar, dass auf der Grundlage der bekannten Informationen nicht zu erkennen sei, wie eine Verlagerungsentscheidung für Global Tech I rechtmäßig sein könne. Insbesondere fehle es an ausreichendem Abwägungsmaterial hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen einer Einsparung von BorWin4 durch die Verlagerung von Global Tech I. Deshalb wollte das Gericht dem Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich nachkommen.

Dies wurde mit dem zäh ausgehandelten Vergleich zur Erleichterung der gesamten Branche abgewendet. Der Vergleich sieht vor, dass zunächst der Windpark Hohe See Kapazitäten zugewiesen bekommt. Darüber hinaus wird die BNetzA ein weiteres Zuweisungsverfahren eröffnen, in dessen Rahmen sich unter anderem die Windparks im Cluster 8 um Kapazitäten, die durch die Verlagerung des Windparks Global Tech I bei dessen bisheriger Anbindungsleitung frei werden, bewerben können. Der Vergleich wurde nur dadurch möglich, dass EnBW kurz zuvor auch die Rechte am Windpark Albatros übernommen hatte und dadurch für beide betroffenen Windparks am Verhandlungstisch saß.

Neben dem geschlossenen Vergleich ist die Historie des Verfahrens für die Offshore-Branche von hohem Interesse, befasst es sich doch als eines der ersten mit dem neuen Zuweisungsregime für Anschlusskapazitäten. Hervorzuheben ist, dass das OLG Düsseldorf den Windparks Hohe See und Albatros Rechtsschutzmöglichkeiten einräumen wollte, obwohl beide Parks noch über keine zugewiesenen Kapazitäten verfügten und die Verlagerungsentscheidung in Sachen Global Tech I noch gar nicht getroffen war. Auch wenn die Zuweisung von Anbindungskapazitäten auf die übergeordnete Planung mit dem Offshore-Netzentwicklungsplan zurückgeht, hält das Gericht daher einen Eingriff in subjektive Rechte für möglich, noch bevor eine Zuweisungsentscheidung ergeht.

Ansprechpartner: Jörg Kuhbier

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