Befristung von Arbeitsverhältnissen: Die Koalition zaudert, das BAG handelt

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Eigentlich hatte sich die schwarz-gelbe Koalition vorgenommen, das Verbot, frühere Mitarbeiter befristet einzustellen, zu lockern. Doch wie verschiedene im Koalitionsvertrag 2009 angekündigte Arbeitsrechtsreformen verlief auch diese im Sande – bis sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer kühnen Entscheidung der Sache annahm: Mit seinem Urteil vom 6.4.2011 (Az. 7 AZR 716/09 – noch nicht veröffentlicht) hat es unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung durch richterliche Rechtsfortbildung – leicht modifiziert – umgesetzt, was sich die Koalition einst vorgenommen hatte.

Das 2001 in Kraft getretene Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ermöglicht in § 14 Abs. 2 Satz 1, ein Arbeitsverhältnis ohne besonderen Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen. Unzulässig ist dies nach § 14 Abs. 2 Satz 2 immer dann, wenn zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien „bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat“. Das BAG hatte diese Regelung von Beginn an streng nach dem Wortlaut ausgelegt und immer eine Unwirksamkeit der Befristung angenommen, wenn „irgendwann zuvor ein wie auch immer geartetes Arbeitsverhältnis“ bestanden hatte. Unschädlich waren nur echte Ausbildungsverhältnisse oder Praktika.

Folglich konnte etwa eine bei einem großen Industrieunternehmen sachgrundlos für zwei Jahre eingestellte Arbeitnehmerin mittleren Alters bei Ablauf der im Arbeitsvertrag vereinbarten Befristung plötzlich eine in den 1980er-Jahren unter ihrem Geburtsnamen für wenige Wochen als Werkstudentin durchgeführte Aushilfstätigkeit „aus dem Hut zaubern“ und so ihre unbefristete Weiterbeschäftigung durchsetzen. Der Arbeitgeber hatte in solchen Fällen kaum eine Chance, dieses Befristungshindernis selbst rechtzeitig zu erkennen.

In dem vom BAG jetzt entschiedenen Fall ging es um eine Lehrerin, die mehr als sechs Jahre zuvor als studentische Hilfskraft 50 Stunden für den Arbeitgeber gearbeitet hatte. Das BAG entschied, dass dies der befristeten Einstellung als Lehrerin beim selben Arbeitgeber nicht im Wege steht. Nach bisheriger Rechtsprechung wäre diese Befristung zweifellos unzulässig gewesen. Das BAG stellt sich aber nun auf den Standpunkt, dass ein mehr als 3 Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis nach einer am Sinn und Zweck orientierten verfassungskonformen Auslegung der Regelung nicht mehr als befristungsschädliche „Zuvor-Beschäftigung“ anzusehen sei. Sinn und Zweck des Verbots sei es, den Missbrauch befristeter Arbeitsverhältnisse und insbesondere so genannte „Befristungsketten“ zu verhindern. Davon könne aber bei lange zurückliegenden Vorbeschäftigungen nicht die Rede sein, vielmehr könne das Befristungsverbot hier auch als „Einstellungshindernis“ wirken.

Hinter der Reform, die sich die Koalitionspartner vorgenommen hatten, bleibt diese Lösung freilich zurück: Im Koalitionsvertrag ist von einer „Wartezeit“ von nur 1 Jahr die Rede. Stattdessen gibt es nun eine richterlich geschaffene, an der gesetzlichen Regelverjährung orientierte 3-Jahres-Frist. Damit hat die Rechtsprechung aber endlich nachvollziehbare Spielregeln zu einem jahrelang umstrittenen Thema aufgestellt. Für Arbeitgeber ist die Erleichterung befristeter Arbeitsverhältnisse sicherlich begrüßenswert. Aus Arbeitnehmersicht mag die Entscheidung als weitere Aufweichung des gesetzlichen Leitbildes einer unbefristeten Beschäftigung erscheinen. Allerdings ist mit der drei- statt einjährigen Sperrzeit ein „salomonischer“ Mittelweg gefunden worden.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Bernd Günter

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