BGH entscheidet sich für weiten Anlagenbegriff im EEG

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Einer der am intensivsten geführten Streits im Bereich des EEG-Rechts wurde gestern vom Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt; die Entscheidung sollte noch gestern verkündet werden. Bereits aus der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, wo die Reise hingeht: Unterschiedliche Generatoren, die gemeinsame Einrichtungen nutzen, um Strom zu erzeugen, gelten gegebenenfalls als eine Anlage und nicht als mehrere. Oder technisch formuliert: Im Spannungsverhältnis der § 3 EEG und § 19 EEG kommt dem § 3 Nr. 1 EEG die Haupt- und der Verklammerungsregelung in § 19 Abs. 1 EEG nur eine Nebenrolle zu. Damit folgt der BGH nicht der wohl herrschenden Literatur und der Clearingstelle EEG, sondern der Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung.

Die Frage der Auslegung des Anlagenbegriff nach § 3 Nr. 1 EEG 2009 – und übertragen auf das EEG 2012 – gehört zu den umstrittensten im EEG überhaupt. Bedeutung hat er insbesondere für die Ermittlung des Inbetriebnahmezeitpunkts – und damit für die Vergütungshöhe und Dauer des Vergütungsanspruchs. Dabei geht es vereinfacht um die Frage, ob mehrere Stromerzeugungseinrichtungen (Generatoren), die für die Stromerzeugung technisch notwendige Einrichtungen gemeinsam nutzen, eine Anlage im Sinne des EEG bilden. Diese Frage stellt sich unter anderem in Konstellationen, in denen an eine Biogaserzeugungseinrichtung (Fermenter,…) mehrere BHKW angeschlossen sind.

Nach einer insbesondere von der Clearingstelle EEG, aber auch von weiten Teilen der Literatur vertretenen Auffassung können mehrere BHKW auch dann, wenn sie zur Stromerzeugung notwendige technische Einrichtungen gemeinsam nutzen, gleichwohl selbständige Anlagen nach § 3 Nr. 1 EEG sein. Ob es missbräuchlich ist, etwa ein weiteres BHKW an einem Standort einer Biogasanlage dazuzubauen und so unter Umständen eine höhere EEG-Vergütung einzustreichen, würde sich danach erst aus der Verklammerungsregelung des § 19 EEG ergeben. Im Ergebnis werden danach Anlagen nicht zusammengefasst, wenn das zweite BHKW später als nach einem Jahr zugebaut wird.

In der Rechtsprechung etlicher Oberlandesgerichte hat sich in den vergangenen Jahren eine andere Auffassung durchgesetzt: Danach verlange der vom Gesetzgeber gewollte weite Anlagenbegriff im EEG, dass bereits auf der Stufe des § 3 EEG geprüft werde, ob aufgrund der gemeinsamen Nutzung von für die Stromerzeugung erforderlichen Einrichtungen von einer Anlage auszugehen sei. Zwar stehe die entsprechende Regelung – anders als noch im EEG 2004 – nicht mehr explizit im Gesetz. Diese gelte aber weiter: Der weite Anlagenbegriff umfasse etwa gerade auch die Biogaserzeugungseinrichtung, so dass alle an diese angeschlossenen BHKW ebenfalls zu einer EEG-Anlage gehörten.

Gestern wurde nun deutlich, dass auch der BGH dieser Ansicht zuneigt. So wurde in der mündlichen Verhandlung noch einmal betont, dass die Frage, ob es sich um eine oder mehrere Anlagen handelt, sachlogisch vor deren möglicher vergütungsseitiger Zusammenfassung nach § 19 EEG zu beantworten sei. Für einen weiten Anlagenbegriff spräche vor allem die Gesetzesbegründung zum EEG 2009. Neben diesen auch von den Oberlandesgerichten vorgebrachten Argumenten stellte der BGH wesentlich darauf ab, dass der Gesetzgeber mit dem weiten Anlagenbegriff das Ziel verfolge, unnötige volkswirtschaftliche Kosten zu vermeiden. Deshalb sei von nur einer Anlage auszugehen. Dabei laufe § 19 EEG mit dessen Zwecksetzung der Verhinderung von Missbräuchen auch nicht leer. Im Falle des künstlichen Anlagensplittings habe die Norm ihren (verkleinerten) Anwendungsbereich.

Was ist von der sich abzeichnenden Entscheidung zu halten? Genau kann man das erst sagen, wenn Entscheidung und Gründe im Detail vorliegen. Es fällt jedoch auf, dass der BGH wesentlich final argumentiert, nämlich damit, dass so die volkswirtschaftlichen Kosten der Förderung der Erneuerbaren Energien geringer gehalten werden könnten. Dies ist sicher ein anzustrebendes Ziel. In der Vergütungssystematik des EEG ist aber bislang der Aspekt wesentlich, dass eine bestimmte Anlage gerade so gefördert wird, wie diese es benötigt. Das EEG denkt also an dieser Stelle – jedenfalls bislang und anders als etwa bei der Netzintegration – von der Anlage her, nicht von den volkswirtschaftlichen Kosten. Dabei ist durchaus nicht sicher, dass ein weiter Anlagenbegriff in jedem Fall zu einer niedrigeren Vergütung führt. Richtig ist, dass etwa die Vergütungsstufe ungünstiger wäre und die Förderung über einen kürzeren Zeitraum laufen würde, was die hinzukommende BHKW-Erzeugungskapazität betrifft. Andererseits greift aber die Degression nicht: Die Anlage wird insgesamt nach dem höheren, noch nicht abgesenkten Vergütungsniveau des älteren BHKW vergütet.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass der BGH die Konsequenzen seines weiten Anlagenbegriffs auf die einzelnen Normen des EEG, in denen dieser vorkommt, ausreichend bedacht hat und seine Schlüsse auch in den Entscheidungsgründen offenbaren wird. Es bleibt spannend!

Ansprechpartner: Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht

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