BGH urteilt zum vierten Mal in diesem Jahr zu Preisanpassungen im Fernwärmebereich

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Die Kette der BGH-Entscheidungen zu Preisanpassungsklauseln im Fernwärmebereich reißt nicht ab: Schon zum vierten Mal in diesem Jahr sieht sich der BGH veranlasst, eine solche Klausel kritisch unter die Lupe zu nehmen (Urteil vom 13.07.2011, Az. VIII ZR 339/10). Das Grundsätzliche – vor allem das Zahlungsverweigerungsrecht des Kunden und die Maßgeblichkeit der AVBFernwärmeVist zwar bereits geklärt und nunmehr wohl ständige Rechtsprechung. Gleichwohl enthält das Urteil interessante und für die Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln wichtige Aussagen.

Diesmal ging es um eine Preisanpassung eines Fernwärmeversorgungsunternehmens, das seine mit Gas und Öl erzeugte Fernwärme von einem dritten Unternehmen einkauft und dann an die Kunden weiterveräußert. In der Formel für die Änderung des Grundpreises sind Indizes für Lohn und der Investitionsgüterindex, in der Formel für die Änderung des Arbeitspreises Indizes für den Lohn, leichtes Heizöl und den Gaspreisindex. Alle Indizes (mit Ausnahme des Lohns) sind Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes.

Zunächst bestätigt der BGH, dass bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Preisänderungsklausel der Kunde ein Zahlungsverweigerungsrecht hat und für die Preisanpassungsklausel nicht das AGB-Recht nach §§ 305 ff. BGB, sondern vielmehr § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV maßgeblich ist. Ob allerdings im konkreten Fall die Klausel diesen Kriterien standhält, ist noch offen: Das muss jetzt das OLG Dresden klären, an das der Streit zurückverwiesen wurde.

Aufschlussreich ist die Entscheidung vor allem, was die Anforderungen an eine korrekte Preisanpassungsklausel betrifft: Zunächst stellt der BGH fest, dass das nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV erforderliche Kostenelement und das ebenso erforderliche Marktelement gleichrangig sind und eine Abstufung lediglich im Rahmen der Angemessenheit durchzuführen ist. Im Hinblick auf das Marktelement wird klargestellt, dass es nicht reicht, nur auf den lokalen Fernwärmemarkt abzustellen. Das Segment „Fernwärme“ und die örtlichen Gegebenheiten sind als alleiniger Maßstab zu eng. Der Verordnungsgeber wollte bewusst das Marktelement an die Entwicklung eines funktionierenden Markts anknüpfen.

Beim Kostenelement sind die Kosten für die Erzeugung und für die Verteilung zu berücksichtigen, wobei die geforderte Kostenorientierung nicht Kostenechtheit bedeutet. Die Klausel muss auf die kostenmäßigen Zusammenhänge ausgerichtet sein. Dies bedeutet, dass bei den Kosten der Erzeugung der Wärme an den Preis des eingesetzten Brennstoffes angeknüpft wird – der des überwiegend eingesetzten Brennstoffes reicht aus. Sofern ein Index für die Kostenentwicklung des Brennstoffes gewählt wird, muss sichergestellt sein, dass sich die konkreten Kosten – innerhalb gewisser Spielräume – genauso entwickeln wie der Index.

Gegen die Verwendung eines Investitionsgüterindex hat der BGH keine Einwände, da dessen Nutzung sich innerhalb des von der AVBFernwärmeV eingeräumten Spielraumes bewegt. Insoweit steht dem Fernwärmeversorgungsunternehmen die Möglichkeit offen, zwischen mehreren geeigneten Parametern zu wählen. Auch die Heranziehung des Lohnes, wenn dieser den im Unternehmen verwendeten Tarif richtig abbildet, wurde vom BGH nicht beanstandet.

Im Ergebnis bringt das Urteil in einigen Punkten Klarheit, insbesondere zur Zulässigkeit des Investitionsgüter- und des Lohnindexes: Eine Kostenechtheit wird nicht gefordert.  Eine zu enge Marktabgrenzung bei der Ausgestaltung des Marktelementes wird abgelehnt. Allerdings bleiben nach wie vor einige Punkte offen, insbesondere was die konkrete Ausgestaltung bei der Abbildung des Kostenelementes als auch bei der Abbildung des Marktelementes angeht. Hier wird das OLG Dresden noch ermitteln müssen, bevor der BGH ggf. endgültig Stellung nimmt. Insoweit ist die Ausgestaltung von Preisanpassungsklauseln in der Wärmeversorgung wieder etwas klarer geworden, alle Fragen sind aber noch lange nicht gelöst.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Ulf Jacobshagen

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