Bundeskartellamt kritisiert Stadtwerke: fragwürdige Studie zu Gaskonzessionsabgaben

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Das Bundeskartellamt (BKartA) hat am 30.4.2012 den Bericht „Untersuchung Gas-Konzessionsabgaben für die Belieferung von Haushaltskunden“ vorgelegt. Dafür hat das BKartA nach eigenen Angaben bundesweit alle Gasverteilnetzbetreiber befragt, wie ihre Abrechnungspraxis bei Gaskonzessionsabgaben für Lieferungen an Haushaltskunden und ihre Lieferantenwechselquoten im jeweiligen Verteilernetz aussehen. Die Studie steht im Zusammenhang mit dem noch beim Bundesgerichtshof (BGH) anhängigen Musterverfahren, das klären soll, wie die Konzessionsabgaben für Gaslieferungen durchleitender Drittlieferanten zu bemessen sind. Das BKartA vermutet an dieser Stelle eine Behinderung des Wettbewerbs um Haushaltskunden im Gas und hatte gegen die GAG Ahrensburg GmbH verfügt (wir berichteten), für solche Lieferungen maximal die Konzessionsabgabe für Sonderkunden in Höhe von 0,03 ct/kWh anzusetzen.

Die Ergebnisse der Studie scheinen den Verdacht des BKartA nun zu bestätigen: Die Praxis, hohe Konzessionsabgaben (namentlich die Tarifkunden-Konzessionsabgabe) gegenüber durchleitenden Drittlieferanten abzurechnen, behindere den Wettbewerb im jeweiligen Konzessionsgebiet. Insbesondere Stadtwerke bzw. Versorger in kommunaler Trägerschaft verhielten sich missbräuchlich und beschränkten den Wettbewerb um Endkunden. Dies zeigten die sowohl kunden- als auch mengenbezogen ermittelten Wechselquoten, die in Konzessionsgebieten kommunaler Versorger zum Teil deutlich unter denen privater Netzbetreiber liegen.

Hier muss allerdings auch das BKartA einen „Stadtwerke-Faktor“ anerkennen, will heißen eine messbar höhere Kundenbindungsquote bei kommunalen Versorgern. Dieser Umstand ficht das Amt aber nicht weiter an. Stattdessen stellt es sich auf den Standpunkt, eine Wettbewerbsbehinderung durch die Abrechung hoher Konzessionsabgaben lasse sich unabhängig davon feststellen. Kurz gesagt: Es sollen die Stadtwerke und sonstigen mehrheitlich kommunalen Versorger sein, die nach Auffassung des BKArtA durch ihre Konzessionsabgabenabrechnungspraxis als „Wettbewerbsbremser“ auf dem Markt für die Belieferung von Haushaltskunden im Gasbereich auftreten.

BKartA ignoriert Entwicklung auf den Letztverbrauchermärkten

Ganz so einfach ist die Sach- und Rechtslage jedoch nicht. Zweifel an den Schlussfolgerungen des BKartA weckt insbesondere die Methodik der vorgenommenen Untersuchung. So stützt sich das BKartA  ausschließlich auf Zahlenmaterial aus dem Zeitraum zwischen 2007 und 2009. In dieser Zeit war jedoch unstreitig die Liberalisierung der Gasmärkte noch deutlich unterentwickelt.

Die Untersuchung des Amtes erscheint auch in anderer Hinsicht eindimensional. So wird komplett außer Acht gelassen, dass in der Vergangenheit der Wettbewerb auf den Gasmärkten durch eine Vielzahl von Marktgebieten nachhaltig behindert wurde; auch ein faires Netzzugangssystem hat es bis 2007 gar nicht gegeben. Hierin wird man die Hauptgründe für den verzögerten Wettbewerb im Gasbereich zu sehen haben. Nach der Reduzierung auf mittlerweile nur noch zwei Marktgebiete zum Gaswirtschaftsjahr 2011/2012 wird die Wettbewerbsintensität auch im Gas daher weiter zunehmen. Es wird damit deutlich zu kurz gesprungen, wenn die hohe Tarifkunden-Konzessionsabgabe gegenüber Drittlieferanten zur Hauptursache für fehlenden Wettbewerb auf den Gashaushaltskundenmärkten erklärt wird.

Der Bundesgerichtshof entscheidet

Das BKartA äußert sich, obwohl die maßgebliche Rechtsfrage zur Auslegung des § 2 Abs. 6 KAV noch gar nicht entschieden ist. Zwar hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 19.10.2011 (wir berichteten) die Verfügung des BKartA gegen die GAG Ahrensburg bestätigt. Die letzte Entscheidung wird hier aber der BGH haben. Eine gewisse Ironie dabei: nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist die Bundesnetzagentur (BNetzA) und nicht das BKartA zuständig für die hier zu beurteilende Frage.

Zweifelhaft und dogmatisch fragwürdig erscheint vor allem die Position des BKartA, die Sonderkunden-Konzessionsabgabe in Durchleitungsfällen bundeseinheitlich anzusetzen, obwohl die Konzessionsabgabenverordnung (KAV) klar eine netzgebietsindividuelle Betrachtung der Konzessionsabgabenhöhe vorgibt.

Sollte der BGH den Beschluss des OLG Düsseldorf und die Rechtsauffassung des BKartA bestätigen, ist mit einem Einbruch des kommunalen Gaskonzessionsabgabenaufkommens zu rechen.

Angesichts des mit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes erfolgten Vorstoßes des BKartA hat sich der Handlungsbedarf, ein rechtssicheres Regimes für die Bemessung der Gaskonzessionsabgabe in Durchleitungsfällen zu schaffen, nochmals erhöht. Hier sind die Kommunen bzw. die kommunalen Spitzenverbände dringend aufgefordert, eine Novellierung der KAV durch den Gesetz- und Verordnungsgeber anzustoßen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Theobald/Astrid Meyer-Hetling/Dennis Tischmacher

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