Demand-Side-Management im Gas: Neue Optionen für Großabnehmer und Anpassungsnotwendigkeit der Netzbetreiberprozesse

(c) BBH
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Nicht nur im Bereich Strom soll Versorgungssicherheit künftig über den Markt gesichert werden, sondern auch im Gasbereich (wir berichteten). Dazu gibt es ein neues Regelenergieprodukt, das Abschaltpotential auf vertraglicher Basis erschließen soll – unter dem Namen Demand-Side-Management (DSM). Die Ausschreibungen für die Marktgebiete NetConnect Germany (NCG) und Gaspool werden ab September 2016 mit einem Volumen von 11.200 MW starten, wie auf einer Informationsveranstaltung des Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) am 20.7.2916 bekannt wurde. Wir erläutern die Details:

Eckpunkte des DSM-Produktes

Das neue Regelenergieprodukt geht auf das BMWi-Eckpunktepapier zur Versorgungssicherheit Gas zurück (wir berichteten). Die beiden Marktgebietsverantwortlichen (MGV) schreiben danach bereits für diesen Winter in den einzelnen Regelenergiezonen Abschaltpotential aus. Anbieten sollen die Bilanzkreisverantwortlichen (BKV), die ihrerseits Vereinbarungen mit ihren Kunden (Lieferanten und Letztverbrauchern) über die Abschaltung abschließen. Über diese Kette läuft auch der Abruf.

Einzelheiten wurden nunmehr vom BMWi und den MGV vorgestellt. Ausgeschrieben wird das neue Regelenergieprodukt im Zeitraum vom 1.9.2016 bis 22.9.2016 mit einem Volumen von 1.300 MW (Gaspool) bzw. vom 17.10.2016 bis 2.11.2016 mit einem Volumen von 9.800 MW (NCG) als einzelne Monate für die Wintermonate von Dezember 2016 bis März 2017 für die jeweiligen Regelzonen.

Die Produktdetails sind an das bereits bestehende Produkt der Long Term Options (LTO) angeglichen, da beide Produkte im Wettbewerb aus Sicht der MGV wirtschaftlich zu optimieren sind. Anders als bislang diskutiert, kann für das DSM-Produkt nicht für einzelne Tage geboten werden. Die verbindliche Bereithaltung gilt immer für den Monat, wie auch bei den Long Term Options. Unterschiede bestehen, neben der fehlenden Möglichkeit von Leistungspreisgeboten bei dem DSM-Produkt, bei der Losgröße (auch 10 MW, aber bei DSM in 1-MW-Scheiben erweiterbar), der Abruffrist (1  bis 23 Stunden bei DSM gegenüber 3 Stunden bei LTO) und der Preisstellung (ganze Tage gegenüber Stunden).

Die MGV werden mit einem Vorlauf von ca. 1 Monat die Ausschreibung ankündigen und weitere Details nennen.

DSM-Produkt aus Sicht eines Großverbraucher

Das neue DSM-Produkt wird auf der letzten Stufe der Abrufreihenfolge für Regelenergie eingeordnet (MOL 4). Nur wenn die MGV über den normalen Weg keine Regelenergie mehr erhalten können, ist der Abruf des DSM-Produktes zulässig. In einer solchen angespannten Marktsituation sind auch Notfallabschaltungen nach § 16 Abs. 2 EnWG vom Netzbetreiber nicht ausgeschlossen. Beides wirkt für das Netz gleich. Nach beiden Wegen muss der Großabnehmer seine Abnahme ggf. auf Null reduzieren. Es gibt jedoch einen deutlichen Unterschied: Bei der ordnungsgemäßen Notfallabschaltung gibt es keine Entschädigung, der DSM-Abruf dagegen führt zur Vergütung. Mit Blick auf die lange Laufzeit des Produktes von 1 Monat und der Verpflichtung zur Leistungsreduzierung im Falle des Abrufs (Achtung: hohe Pönalen sind vom MGV und BMWI angekündigt) ist ein Pooling über den BKV zur Risikovermeidung zu empfehlen.

Das DSM-Produkt aus Sicht eines Bilanzkreisverantwortlichens

Den Vertrag sollen Marktgebiets- und Bilanzkreisverantwortliche schließen. Damit hat der BKV die Koordinierung und ein eventuelles Pooling zu übernehmen. Er steht gegenüber dem MGV auch für die tatsächliche Leistungsreduzierung ein. Der BKV übernimmt damit das Haftungsrisiko und eine Art Dienstleistung für die Abnehmer. Beides kann sich in einer eventuellen Vergütungsregelung spiegeln. Ferner gilt es die Haftung in allen Vertragsverhältnissen gleich abzubilden.

Das DSM-Produkt aus Sicht eines Netzbetreibers

Für den Netzbetrieb ist das DSM-Produkt vor allem für die eigene Krisenvorsorgeplanung relevant. Hat ein Letztverbraucher seinen Gasbezug bereits auf Aufforderung des MGV reduziert, geht eine Notfallabschaltung des Netzbetreibers ins Leere. Endet der DSM-Abruf, kann der Kunde grundsätzlich wieder Gas beziehen. Ist die Gaskrise dann aber noch nicht vorbei, muss sich eine Notfallabschaltung des Netzbetreibers unmittelbar anschließen.

Um diese Koordinierung von DSM-Produkt und Notfallabschaltung zu ermöglichen, ist mit der KoV 9 eine neue Informationspflicht in den Lieferantenrahmenvertrag Gas aufgenommen worden. Der Lieferant muss den Netzbetreiber über Vertragsschluss und Abruf informieren. Der Netzbetreiber hat die entsprechende Adresse in das neue Kontaktdatenblatt anzugeben.

Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Christian Thole

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