Die Enercon-Lektion: Wie man in Indien und China Patent-Frustrationen vermeidet

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Der Schock für den deutschen Pionier der Windenergie, Enercon, war groß im Winter 2010/2011: Ein Indisches Gericht erklärte zwölf Enercon-Patente – angeblich mangels Innovation – für nichtig und bezweifelte auch die Rechtsgültigkeit weiterer sieben Patente. Kernkomponenten der Enercon-Technologie waren auf dem indischen Markt mit einem Mal völlig ungeschützt vor Nachahmern – eine Situation, die einer Enteignung gleichkommt.

Die Wogen haben sich seitdem wieder ein wenig geglättet, und der Enercon-Eklat hat bisher dem Interesse westlicher Unternehmen an Asien keinen merklichen Abbruch getan. Was auch nicht sein muss – solange man sich gewisser Gefahren bezüglich Patentschutzes bewusst ist und dementsprechend vorsorgt.

Sowohl Indien als auch China haben sich in den letzten Jahren dafür stark gemacht, für den Bereich des Klimaschutzes Ausnahmen vom internationalen System des Patentschutzes durchzusetzen – entsprechend der „Doha Declaration“ für pharmazeutische Produkte. Dabei war der Plan, einen auf Zwangslizenzen basierenden Technologietransfer in die Wege zu leiten, um so international Klimaschutzziele erreichen zu können – die ja immerhin auch dem allgemeinen Interesse und zum Schutz der Weltbevölkerung dienen.

Auch wenn in der Welthandelsorganisation (WTO) und auch in Kopenhagen 2009 beim UN-Klimagipfel die notwendige Unterstützung dafür fehlte und eine solche Regelung nicht aufgenommen wurde, so scheint sich die generelle Einstellung zu Patentschutz für Erneuerbare-Energie-Technologien bei diesen Ländern nicht geändert zu haben: Beide verfolgen scheinbar auch so ihren Plan des Technologietransfers.

In Indien, wie Enercon erleben musste, scheint dies hauptsächlich über die Rechtssprechung zu geschehen. Sicherlich gab und gibt es immer noch Gerüchte, die von korrupten Richtern sprechen und von Konkurrenten, die diese bezahlen. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass es schlichtweg keine international verbindliche Interpretation der Kriterien für Patentierbarkeit gibt. Ebenso wenig gibt es ein internationales Patent. Stattdessen muss Patentschutz in jedem Land, wo Schutz gesucht wird, separat beantragt werden, und es sind die nationalen Behörden, die über den Antrag entscheiden. So kann durchaus – indem man den Standard für „Innovation“ hinaufsetzt – erreicht werden, dass es weniger Patente gibt, und somit mehr Erfindungen durch die eigene Industrie übernommen, eingesetzt und weiter entwickelt werden können. Der Technologietransfer funktioniert dann auf diese Weise.

In China ist es inzwischen so, dass das Patentgesetz – welches im Oktober 2009 in jetzt dritter Fassung in Kraft trat – sehr wohl internationalen Standards entspricht. Auch ist die State Intellectual Property Office of the People’s Republic of China (SIPO) mittlerweile recht erfahren, so dass man generell von einem Patentschutz in China sprechen kann, der besser ist als sein Ruf.

Andererseits sollten die letzten Neuerungen zum Chinesischen Patentgesetz nicht unbeachtet bleiben. In China scheint man nämlich auf Zwangslizenzen zu setzen, was Erneuerbare-Energie-Technologien betrifft. Das Patentgesetz enthält einen speziellen Paragraphen, der sich explizit mit Zwangslizenzen für Halbleiter befasst. Zwar steckt die Halbleiterregelung die Möglichkeiten für Zwangslizenzen enger: „normalerweise“ können auch im Fall von Nichtnutzung oder nicht ausreichender Nutzung des Patentes auf dem chinesischen Markt Zwangslizenzen angefragt werden – andererseits macht sie Halbleiter somit auch zur einzigen Technologie, die separat erwähnt wird. Zwangslizenzen für Halbleiter sollen, laut Gesetz, nur im Falle von wettbewerbsverzerrendem Missbrauch des Patentes oder im Falle eines Belanges des „allgemeinen Interesses“ eingesetzt werden. Aber insbesondere was im „allgemeinen Interesse“ ist, liegt immer noch im Ermessen der chinesischen Behörden. Vergleichbar mit der Situation in Indien „post Enercon“ liegt auch hier ein großes Potential für Rechtsunsicherheit. Und da Halbleitertechnologien so ausdrücklich genannt werden und daneben dieselbe Regelung noch einmal allgemein existiert, ist besondere Vorsicht geboten. Auch wenn bisher noch keine Zwangslizenzen auferlegt wurden: Nach dem sich die chinesische Regierung gerade so ausdrücklich zu Solarenergie und dem Plan, darin Marktführer zu werden, bekannt hat, ist es nicht fernliegend, das Argument des „allgemeinen Interesses“ an dieser Stelle zu bemühen.

Für die Hersteller Erneuerbarer-Energie-Technologien, die überlegen, in Asien zu produzieren, bedeutet dies in concreto, dass man sich der Risiken in Sachen Patentschutz bewusst sein muss. Denn gegen derartige Risiken kann man sich relativ gut schützen – und somit ein böses Erwachen wie im Falle Enercon durch strategisches Verhalten vermeiden.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet

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