Die Energierechtsnovelle kommt – mit der Abschaltverordnung im Gepäck!

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Mitte November legte ein großflächiger Stromausfall in weiten Teilen das Leben in München lahm. Am vergangenen Wochenende waren dann in Berlin 40.000 Haushalte zeitweise ohne Strom. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatten diese Ereignisse nichts mit der Energiewende zu tun. Sie bringen aber die Probleme, wenn nicht sogar Gefahren in Erinnerung, die mit einem Großprojekt wie der Energiewende zusammenhängen.

Es erscheint daher passend, wenn der Gesetzgeber jetzt aufs Tempo drückt: Der Bundestag hat nach langem Hin und Her einen Kompromiss für eine Energierechtsnovelle beschlossen. Und zeitgleich hat sich die Bundesregierung über eine Verordnung über abschaltbare Lasten (so genannte Abschaltverordnung) verständigt, die nun noch der Zustimmung des Bundestages bedarf (Diese gilt als gesetzt …).

Worum geht es

Die Schwankungen von Stromeinspeisungen und -entnahmen, mit denen das deutsche Elektrizitätsnetz fertig werden muss, haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Verantwortlich dafür sind auf der Einspeiseseite vor allem, dass atomare Kraftwerksblöcke stillgelegt wurden und immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt und innerhalb des Bundesgebiets transportiert wird. Auf der Verbrauchsseite trägt unter anderem der allgemein rückläufige Energiebedarf privater Haushalte seinen Teil bei.

Die Kombination dieser und weiterer Faktoren bringt die Netze immer häufiger an den Rand der Belastbarkeit und macht Maßnahmen zur Gegensteuerung erforderlich (wir berichteten). Mit der Energierechtsnovelle, die jetzt auf den Weg gebracht wurde, und der flankierenden Abschaltverordnung, nimmt der Gesetzgeber dieses und einige weitere Themen, die sich durch den notwendigen Umbau der Energiemärkte ergeben, in Angriff.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Mit Beginn des kommenden Jahres werden unter anderem neue Regelungen zu Eingriffen in die Kraftwerksfahrweise, zur Stilllegung von Kraftwerken, zur Kontrahierung ab- und zuschaltbarer Lasten und zum Bau und Anschluss von Offshore-Anlagen in Kraft treten.

Eingriffe in die Fahrweise von Kraftwerken

Nach § 13 Abs. 1a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) dürfen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) bei einer Gefährung oder Störung der Systemstabilität in die Fahrweise von Kraftwerken und Speicheranlagen eingreifen. Der Anwendungsbereich dieser Norm wird dahingehend erweitert, dass die Mindestnennleistung von ursprünglich 50 Megawatt auf 10 Megawatt herabgesenkt wird. Zudem können Anlagen künftig auch in Netzebenen unterhalb der 110-Kilovolt-Spannungsebene geregelt werden.

Darüber hinaus wird in einem neuen § 13 Abs. 1b EnWG festgelegt, dass Betreiber von Kraftwerken, die ihre Anlage vorläufig stilllegen wollen und sie aber auf Anforderung des ÜNB trotzdem betriebsbereit halten, neben den notwendigen Auslagen für konkrete Anpassungen der Einspeisung (Erzeugungsauslagen) auch Anspruch auf Erstattung der notwendigen Auslagen für die Vorhaltung oder Herstellung der Betriebsbereitschaft (Betriebsbereitschaftsauslagen) haben. Der Haken dabei: Machen die Betreiber derartige Auslagen geltend, so müssen sie die jeweilige Anlage für eine Dauer von fünf Jahren ausschließlich nach Maßgabe angeforderter Systemsicherheitsmaßnahmen betreiben. Fahren sie ihre Anlage hiernach wieder eigenständig, müssen sie die erhaltenen Betriebsbereitschaftsauslagen sogar erstatten.

Weitere Einzelheiten zur Regelung von Erzeugungs- und Speicheranlagen und zur Ermittlung der hierfür zu zahlenden Vergütung wurden erst kürzlich durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) in Form zweier Festlegungen beschlossen, über die wir jüngst berichteten.

Kraftwerksstilllegungen

Auch die Regelungen zur Stilllegung von Kraftwerken in den neuen §§ 13a ff. EnWG (siehe bereits hier) werden nun Gesetz. Kraftwerksbetreiber (und Speicheranlagenbetreiber) mit einer Mindestnennleistung von 10 Megawatt müssen danach dem für ihre Regelzone zuständigen ÜNB und der BNetzA vorläufige oder endgültige Stilllegungen mindestens zwölf Monate im Voraus anzeigen.

Ist ein Kraftwerk mit einer Nennleistung von mehr als 50 Megawatt besonders wichtig für die Aufrechterhaltung der Systemstabilität, muss dieses unter bestimmten Voraussetzungen zwangsweise weiter betrieben werden, auch wenn es eigentlich endgültig stillgelegt werden sollte. Hierfür gibt es eine Vergütung (Erhaltungsauslagen), deren Höhe die Bundesregierung noch gesondert in einer Verordnung regeln will. Die zunächst auch für diesen Fall geplante Rückzahlungsverpflichtung, wonach Kraftwerksbetreiber erhaltene Vergütungen zurückerstatten sollten, wenn sie ihr Kraftwerk nach einem zwangsweisen Weiterbetrieb von fünf Jahren wieder eigenständig einsetzen, ist weggefallen. Allerdings scheint man nun davon auszugehen, dass es keine Rückkehr nach der Entscheidung für eine endgültige Stilllegung mehr gibt (anders als bei der vorläufigen Stilllegung, bei der gemäß § 13 Abs. 1b EnWG die Rückzahlung weiterhin verpflichtend ist). Außerdem dürfen ÜNB die Kraftwerksleistung aber auch an den Märkten für den vor- und den untertägigen Handel „zur Absicherung des Strommarktes“ anbieten.

Ab- und zuschaltbare Lasten

Bedeutsam sind auch die Änderungen in § 13 EnWG, was die Zu- und Abschaltung von Lasten betrifft. Das gleiche gilt für die auf deren Basis beschlossene Abschaltverordnung, durch die der Rechtsrahmen für die Vergütung abschaltbarer Lasten künftig vollkommen umgestaltet werden wird.

Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber hatte schon bei der EnWG-Novelle im Jahre 2011 erkannt, dass energieintensive Letztverbraucher durch ihre hohe, konstante Stromabnahme zur Stabilität des Netzes beitragen können. Seinerzeit hatte er mit Hilfe des § 13 Abs. 4a EnWG versucht, einen gesetzlichen Anreiz zu schaffen, dass Übertragungsnetzbetreiber und besonders große Letztverbraucher mit einer Mindestlastgröße von 50 Megawatt über die Zu- und Abschaltung von Lasten Vereinbarungen schließen. Von Anfang an war dabei die Möglichkeit vorgesehen, dass der Verordnungsgeber Einzelheiten – insbesondere zur Vergütung derartiger zu- und abschaltbarer Lasten – regelt. Ein erster Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) von Beginn dieses Jahres, der eine gestufte Vergütung für die Bereithaltung abschaltbarer Lasten in Abhängigkeit von der jeweiligen Lastgröße vorsah, fand schon innerhalb der Regierung keinen Zuspruch. Auch nachdem dieser erste Entwurf punktuell nachgebessert wurde, konnten sich die Ressorts in den weiteren Verhandlungen zunächst nicht einigen.

Nun ist der Knoten doch noch geplatzt. Der Kompromiss stellt den gesetzlichen Rahmen für die Einbindung von Lasten auf neue Füße. So sehen die neuen Absätze 4a und 4b des § 13 EnWG und die darauf gestützte Abschaltverordnung ein Regime vor, das den Vorgaben zur Beschaffung von Regelenergie ähnelt. Hiernach müssen abschaltbare Lasten künftig – soweit dies technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist – in einem diskriminierungsfreien und transparenten Ausschreibungsverfahren beschafft werden, das über eine gemeinsame Internetplattform der ÜNB abzuwickeln ist.

Fast nebenher etabliert wurde dabei in dem neuen § 13 Abs. 4b EnWG auch eine Regelung, nach der die Kosten für die Beschaffung von Zu- und Abschaltlasten durch einen bundesweiten Belastungsausgleich kompensiert und in Form einer Umlage auf die Letztverbraucher verteilt werden.

Ergänzend dazu wird künftig die Abschaltverordnung Einzelheiten zur Kontrahierung abschaltbarer Lasten regeln. Neben den genauen technischen Anforderungen an Abschaltlasten finden sich hierin auch Vorgaben für die Präqualifikation und die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren, die Angebotserstellung und den Zuschlag, die Vergütung sowie schließlich die Durchführung des neu in § 13 Abs. 4b EnWG geregelten Belastungsausgleichs.

  • In technischer Hinsicht erwähnenswert ist zunächst, dass maximal fünf Verbrauchseinrichtungen mit einer Nennleistung von insgesamt 50 Megawatt zusammengelegt werden können. Diese müssen allerdings im Wirkungsbereich eines Höchstspannungsknotens liegen.
  • Darüber hinaus ist die Abschaltvergütung – anders noch als im ersten Entwurf der Abschaltverordnung angedacht – als Kombination aus einem Leistungspreis von monatlich 1.667 Euro pro Megawatt und einem Arbeitspreis von mindestens 100 Euro und höchstens 500 Euro pro Megawattstunde ausgestaltet.
  • Schließlich wurde in der Abschaltverordnung konkretisiert, wie mit der Belastung umzugehen ist, die aus den Kosten für die Abschaltvergütungen entstehen: Das geschieht jetzt in Anlehnung an den Mechanismus in § 9 KWKG durch die Umlage. Damit sollen die Mehrkosten auf maximal 0,1194 Cent pro Kilowattstunde begrenzt bleiben, wobei es – anders als bei der Offshore-Umlage (dazu gleich) – keine gestaffelte Vergünstigung nach der bezogenen Strommenge geben soll.

Rechtsrahmen für Offshore-Anlagen

Die §§ 17a ff. des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bilden künftig den Rechtsrahmen für Offshore-Anlagen. Danach sind ÜNB verpflichtet, jährlich einen Netzentwicklungsplan aufzustellen, der die notwendigen Maßnahmen für einen effizienten, sicheren, zuverlässigen und wirtschaftlichen Anschluss von Offshore-Anlagen nebst einem Zeitplan für die Umsetzung beinhalten muss. Der Offshore-Netzentwicklungsplan soll von der BNetzA geprüft und genehmigt und anschließend Grundlage für den Bundesbedarfsplan werden.

Offshore-Anlagen haben künftig, sobald sie fertig sind, einen Anspruch auf Anbindung im Rahmen der diskriminierungsfrei seitens des anbindungsverpflichteten ÜNB zugeteilten Kapazität der Anbindungsleitung. Kann die zugewiesene Anbindungskapazität – etwa aufgrund von Verzögerungen im Bau der Anlage – nicht genutzt werden, soll diese anderen Offshore-Anlagen zur Verfügung gestellt werden können. Umgekehrt soll der anbindende ÜNB betriebsbereite Offshore-Anlagen entschädigen, wenn sich der Bau der Anbindungsleitung verzögert oder Betriebsstörungen auftreten und dadurch eine Einspeisung nicht möglich ist.

Die Kosten daraus sollen ab dem 1.1.2013 im Rahmen eines bundesweiten Belastungsausgleichs durch die so genannte Offshore-Umlage als Aufschlag auf die Netzentgelte von den Verbrauchern getragen werden. Dabei ist allerdings ein Eigenanteil des ÜNB vom Belastungsausgleich ausgenommen, der bei einfacher Fahrlässigkeit auf 17,5 Mio. Euro pro Schadensereignis beschränkt ist.

Im Hinblick auf die Umlagenhöhe, die jährlich zum 15.10. für das Folgejahr bekannt gegeben werden muss, ist eine Staffelung in Abhängigkeit vom jeweiligen Verbrauch vorgesehen:

  • Bis zu einem Verbrauch von 1.000.000 Kilowattstunden im Jahr ist die Offshore-Umlage auf maximal 0,25 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt.
  • Bei einer darüber hinausgehenden Stromabnahme darf die Umlage max. 0,05 Cent pro Kilowattstunde betragen.
  • Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes, deren Stromkosten 4 Prozent des Umsatzes übersteigen, ist die Umlage zusätzlich begrenzt: Für den Strombezug, der über 1.000.000 Kilowattstunden im Jahr hinausgeht, beträgt sie maximal die Hälfte der Umlage für den ab 1.000.000 Kilowattstunden erhobenen Umlagesatz, das heißt maximal 0,025 Cent pro Kilowattstunde.

Fazit

Mit den neuen Regelungen will der Gesetzgeber dem voranschreitenden Wandel der Energiemärkte Rechnung tragen. Was immer man von den Änderungen im Detail hält, es wird immer klarer, dass die Herausforderungen des Energiemarktes 2.0 deutlich mehr kosten als den meisten Verbrauchern lieb sein dürfte. Nach dem Anstieg der EEG-Umlage und der Einführung der viel diskutierten Umlage gemäß § 19 StromNEV kommen mit der nun beschlossenen Energierechtsnovelle weitere Belastungen hinzu. Und der Gipfel des Kostenanstiegs ist noch nicht erreicht. Allein der Blick auf REMIT, Marktstellentransparenzgesetz, auf EMIR und MiFID zeigt, dass diese Erkenntnis so schlicht wie zutreffend ist.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau/Dr. Tigran Heymann

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