Die Energiewende und ihre rechtlichen Folgen, Teil 1: Anreizregulierung und Smart Grids

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Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) wird novelliert. Wir dokumentieren Punkt für Punkt, was der Gesetzgeber plant und was von der Reform zu halten ist. Teil 1 der Serie: Was getan werden muss, um den Netzausbau und den Einstieg in intelligente Netze auf den Weg zu bringen.

Zur Energiewende gehört nicht nur die Frage, wo der Strom herkommt, sondern auch, wie er verteilt wird. Der Ausbau der Netze ist ein Schlüssel zum Erfolg, wenn künftig unser Energiehunger aus erneuerbaren Quellen statt mit Kohle und Atom gestillt werden soll. Um die Verteilnetze für die Einspeisung aus vielen solchen dezentralen Quellen fit zu machen, sind enorme Investitionen notwendig: Sie müssen offener werden, effizienter – und vor allem intelligenter.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des EnWG wird dieser Notwendigkeit allenfalls eingeschränkt gerecht. An zwei Stellen gibt es dringenden Nachbesserungsbedarf – bei der Frage der Systemverantwortung der Verteilnetzbetreiber und bei der Anreizregulierung.

Anreizregulierung modernisieren

Mit dem System der Anreizregulierung im EnWG und in der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) will der Gesetzgeber dafür sorgen, dass die Netzbetreiber kosteneffizient wirtschaften und so die Entgelte für den Netzzugang im Rahmen bleiben. Kosteneffizienz ist aber nicht alles: Der Netzausbau und der Aufbau von „Smart Grids“ verlangt den Netzbetreibern Investitionen ab, die sich im System der Anreizregulierung nicht ausreichend widerspiegeln. Die bestehenden Mechanismen zur Investitionsförderung reichen dafür nicht annähernd aus.

Die Gelegenheit, das zu ändern, sollte sich der Gesetzgeber nicht entgehen lassen: Wenn er jetzt ein Konzept für eine „Anreizregulierung 2.0“ ins EnWG aufnimmt, könnte er so der Bundesnetzagentur (BNetzA) die Möglichkeit verschaffen, die notwendigen Investitionen spätestens ab der dritten Regulierungsperiode gezielt zu fördern.

Ansatzpunkt für diese Entwicklungshilfe für Investitionen in moderne Netze wäre die Verordnungsermächtigung nach § 21a Abs. 6 S. 2 EnWG. Dort heißt es in Nr. 8, per Rechtsverordnung ist regelbar, Investitionen in die Versorgungssicherheit zu begünstigen. Dieser Punkt wäre zu erweitern, so dass er auch Investitionen in die Anbindung Erneuerbarer Energien, intelligente Netze und mehr Energieeffizienz umfasst.

In der ARegV, die diese Ermächtigung umsetzt und konkretisiert, kämen verschiedene Varianten in Betracht, um diesem erweiterten Ziel gerecht zu werden:

  • Erweiterung des Katalogs der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile in § 11 Abs. 2 ARegV um Investitionen zur Anbindung Erneuerbarer Energien und intelligenter Netze;
  • Ergänzung des Erweiterungsfaktors, so dass sich die Erlösobergrenze auch dann erhöht, wenn sich die „Entsorgungsaufgabe“ verändert, der Netzbetreiber also mehr Erneuerbare Energien anbindet;
  • Definition von Strukturmerkmalen, die den Effizienzvergleich korrigieren und so Kosten für Investitionen in Erneuerbare Energien oder intelligente Netze nicht als Ineffizienzen ausweisen;
  • Erweiterung der Qualitätsregulierung um neue Qualitätskennziffern, z.B. „Qualität der Integration“ für die Anbindung Erneuerbarer Energien oder „Qualität durch intelligente Netze“;
  • Pauschalierung der Kosten bei der Ermittlung der Kostenbasis für dezentrale Erzeugung;
  • Investitionen zur Steigerung der Energieeffizienz passen dagegen schwer in das aktuelle System der Anreizregulierung, da es sich um Investitionen handelt, die nicht das Netz, sondern das Verhältnis zum Endkunden betreffen. In Betracht kämen eventuell Output-Vorgaben oder eine Kostenpauschalierung.

Mehr Systemverantwortung für Verteilnetzbetreiber

Eine der Neuerungen im Reformentwurf des EnWG ist ein deutlicher Anreiz für Stromverbraucher, für Speicherheizungen, Wärmepumpen u.ä. den Netzbetreibern die Kontrolle über die Stromzufuhr zu überlassen: Wenn sie das tun, zahlen sie nur 20 % des regulären Netzentgelts. Das soll auch für Elektrofahrzeuge gelten. Damit können die Netzbetreiber die Belastung des Netzes besser regulieren und die Geräte vor allem in Zeiten aufladen, wenn viel Strom da ist.

Das ist sehr sinnvoll und richtig – reicht aber bei weitem nicht aus. Vorgesehen ist leider nur die Kontrolle „unterbrechbarer“ Verbrauchseinrichtungen; smarter wäre „steuerbar“, nämlich auch das Zuschalten. Das Potenzial von Wärmepumpen u.ä., zu einer besseren Lastverteilung beizutragen, ist zudem sehr begrenzt. Damit die Verteilnetzbetreiber wirklich in den Aufbau intelligenter Netze einsteigen können, wäre eine Neujustierung der Systemverantwortung zwischen Verteil- und Übertragungsnetzbetreibern notwendig. Was Not tut, ist eine Regelung, die den Verteilnetzbetreibern ein effizientes und lastoptimales Management der Ein- und Ausspeisungen der lokalen Energieerzeuger und Verbraucher erlaubt. Außerdem sollten die Verteilnetzbetreiber Protagonisten bei der Netzausbauplanung sein, statt – wie vorgesehen – Statisten. Verteiler brauchen das Recht, Netzausbaupläne für ihre Ebene aktiv vorlegen zu können. Alleine schon, um notwendige Investitionen abzusichern. Und wo nur die „Gelegenheit zur Stellungnahme“ für Verteilnetzbetreiber bei den Planungen der Transportebene besteht, sollte eine Pflicht dieser zur Berücksichtigung lokaler Systemoptimierungspotenziale verankert sein.

Ansprechpartner:
zum Stand der EnWG-Novelle, u.a.: Prof. Christian Held
zur Anreizregulierung, u.a.: Stefan Missling/Prof. Dr. Christian Theobald/Prof. Dr. Ines Zenke
zu den Smart Grids, u.a.: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege

Weitere Ansprechpartner zu Fragen rund um die Regulierung finden Sie z.B. hier, vertiefende Literatur z.B. hier.

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