Die EnWG-Reform, Teil 8: Was bin ich – Kundenanlage versus Energienetz

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Das Energiewirtschaftsgesetz wird novelliert. Wir zeigen, was der Gesetzgeber plant und was von der Reform zu halten ist. Teil 8 der Serie: Wie das EnWG künftig zwischen regulierten und (teilweise) unregulierten Netzen unterscheidet. Und welche Rolle künftig Kundenanlagen spielen …

Wo hört das (regulierte) Netz auf, wo fängt die (unregulierte) Sphäre der Kundenanlage an? Die Frage stellt sich immer wieder, im Verhältnis zu Kundenanlagen und zu Verteilernetzen, die außerhalb der üblichen Netze der allgemeinen Versorgung betrieben werden. Die EnWG-Reform versucht, hier für mehr Trennschärfe zu sorgen. Das gelingt überwiegend – aber nicht überall.

Zunächst ein Wort zur grundlegenden Bedeutung der Unterscheidung. Bislang war die Frage, ob eine „elektrische Anlage“ (Gleiches gilt im Wesentlichen im Gasbereich) ein reguliertes Netz darstellt – in Abgrenzung zu den sog. Objektnetzen – zu klären. Für Objektnetze (z.B. Betriebsnetze in einem Industriepark) galt § 110 EnWG, der alle wichtigen Regulierungsvorschriften für nicht anwendbar erklärte. Der Unterschied zur gänzlich unregulierten Kundenanlage war marginal; Abgrenzungsprobleme waren deshalb selten relevant.

Dies ändert sich nun fundamental. Zukünftig wird für die Frage, ob und in welcher Intensität behördliche Regulierung erfolgt, insbesondere die Unterscheidung zwischen Netz und Kundenanlage relevant sein. Grund dafür ist die Umgestaltung des § 110 EnWG – weg von der Blackbox, hin zu fast vollständiger Regulierung.

Geschlossene Verteilernetze

Der ursprüngliche § 110 EnWG ist in seinen Hauptbestandteilen im Mai 2008 vom EuGH als gemeinschaftsrechtswidrig erklärt worden. Als Reaktion darauf wurde Art. 28 für sog. geschlossene Verteilernetze in die Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (EltRL) aufgenommen. Diese Regelung sieht nur noch minimale Ausnahmen vom üblichen Regulierungskanon vor, insbesondere für die Vorabgenehmigung von Netzentgelten.

Mit der EnWG-Novelle wird der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben aus Brüssel in deutsches Recht überführen. Im Ergebnis bleibt damit von der bisherigen Privilegierung der Objektnetze nicht mehr viel übrig. Vor allem die Vorgaben der Entflechtungsregeln im EnWG (buchhalterische und informatorische Entflechtung) und der Bundesnetzagentur-Festlegungen (GPKE, MaBiS, MaBiS, etc.) produziert für viele Objektnetzbetreiber einen großen Umsetzungsaufwand.

Das größte Problem bei der Umsetzung der Entflechtungsvorgaben stellt der Zeitdruck dar, der sich für viele Betreiber eines geschlossenen Verteilernetzes durch die Jahresabschlüsse ergibt. Ist die Entflechtung nicht konsequent umgesetzt, erteilt der Wirtschaftsprüfer u.U. nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk.

Insgesamt problematisch ist das Fehlen einer Übergangsregelung für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten der Novelle und dem Vorliegen eines vollständigen Antrags auf Einstufung als geschlossenes Verteilernetz (notwendige Voraussetzung). In diesem Zeitraum wären geschlossene Verteilernetze damit nicht von den Regulierungspflichten befreit.

Kundenanlagen

Eine „Fluchtmöglichkeit“ mag vor diesem Hintergrund in bestimmten Fällen die Einstufung einer elektrischen Anlage als Kundenanlage sein. Die Kundenanlage bleibt weiterhin unreguliert. Um die Abgrenzung zu erleichtern und nicht wie bisher allein den Beschlusskammern der BNetzA und den Gerichten Einzelfallentscheidungen zu überantworten, wird das EnWG erstmals eine Definition für die Kundenanlage enthalten.

Nach § 3 Nr. 24a EnWG-E ist die Kundenanlage dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Energieanlagen zur Abgabe von Energie handelt, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden, mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind und für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind.

Außerdem muss die Anlage jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung – unabhängig von der Wahl des Energielieferanten – diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Letzteres macht stutzig: Wenn ein Eigentümer einer Kundenanlage sich weigert, dieselbe diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen, dann muss er dazu verpflichtet werden – aber: dass seine Anlage deshalb plötzlich nicht mehr als Kundenanlage gilt, kann nicht die Folge sein. Hier wird eine Rechtsfolge zu einem Tatbestandsmerkmal gemacht – was offensichtlich nicht gewollt sein kann.

Die neu in das EnWG aufgenommene Definition der Kundenanlage wird die Abgrenzungsprobleme nicht ohne Weiteres lösen. Der Komplex Netz/geschlossenes Verteilernetz/Kundenanlage ist weiterhin von großer Rechtsunsicherheit gekennzeichnet.

Zwei Aspekte sollen herausgegriffen werden, die die Anwendungsprobleme exemplarisch verdeutlichen. Zunächst stellt sich die Frage, ob sich die Definition der Kundenanlage auf die schlichte Frage reduzieren wird, ob Netzentgelte erhoben werden oder nicht. Vieles spricht dafür. Die Begründung des EnWG-Entwurfs breitet auf eineinhalb Seiten die Bedeutung des Merkmals „unbedeutend für wirksamen und unverfälschten Wettbewerb“ aus. Letztlich wird mit reichlich unscharfen Je-Desto-Formeln gearbeitet. Je mehr Kunden, je mehr durchgeleitete Energie, umso weniger spricht für eine Kundenanlage. Konkrete Werte: Fehlanzeige. Mit gutem Grund. Es ist bei Lichte besehen schlicht unerheblich, wie viel Kunden mit wie viel Energie versorgt werden. Da eine Kundenanlage per definitionem immer eine Belieferung von außen zulassen muss, kann der Wettbewerb nie verfälscht werden. Der einzige Grund, eine elektrische Anlage als Energieversorgungsnetz einzustufen, ist ein Regulierungsinteresse der Behörden. Das aber entsteht nur, wenn Netzentgelte erhoben werden.

Wenngleich diese Lesart aufgrund der Intention des Gesetzgebers fast zwingend ist, mag es doch noch etliche Unternehmen geben, die zwar eine Anlage ohne Netzentgelte betreiben, aber trotzdem Zweifel haben, ob diese tatsächlich eine Kundenanlage darstellt. Dies führt zum zweiten Kernproblem. Der Gesetzentwurf sieht keine Möglichkeit vor, dass der Betreiber einer Kundenanlage eine Bestätigung dieser Einstufung erhalten kann. Im schlimmsten Fall wird erst Jahre später festgestellt, dass die Kundenanlage als Energieversorgungsnetz hätte eingestuft werden müssen. Hier wird es notwendig sein, einen Prüf- und Bestätigungsmechanismus zu etablieren. Sonst droht eine Rechtsunsicherheit, an der niemandem gelegen sein kann.

Ihre Ansprechpartner:
zum Stand der EnWG-Novelle u.a.: Prof. Christian Held
zu Objektnetzen: Dr. Markus Kachel

PS: Vertiefende Literatur z.B. hier und hier.

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