Die „Klimaklage“ eines peruanischen Bauern gegen RWE – Der Beweisbeschluss

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Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm erfreut sich derzeit einer ungewohnten Aufmerksamkeit, sowohl unter Umweltschützern als auch bei Energieversorgern und Industrieunternehmen. Hintergrund dieser Prominenz ist die sog. Klimaklage von Saúl Luciano Lliuya, mit der erreicht werden soll, dass RWE Klimaschutzmaßnahmen in Peru mitfinanziert.

Worum geht es in dem Verfahren?

Am 23.11.2015 hatte der peruanische Bauer und Bergführer Lliuya, der sein in Huaraz (Anden) gelegenes Haus von der Überflutung durch einen nahe gelegenen Bergsee bedroht sieht, Klage beim Landgericht (LG) Essen eingereicht. Den steigenden Wasserpegel des Gletschersees führte er darin auf den Klimawandel zurück, für den er auch RWE mit verantwortlich macht. Die von RWE betriebenen Kohlekraftwerke hätten jahrelang erhebliche Mengen an Treibhausgasen freigesetzt und dadurch einen relevanten Anteil zum anthropogenen Klimawandel geleistet.

Damit, so der Kläger, sei der RWE Konzern als sog. Störer i.S.d. § 1004 BGB anzusehen. Da sein Eigentum beeinträchtigt werde, könne er von RWE verlangen, diese Beeinträchtigung zu beseitigen. Er beantragt daher, dass RWE anteilig die Kosten für geeignete Schutzmaßnahmen zugunsten seines Eigentums vor einer Gletscherflut zu tragen habe.

Das LG Essen hatte als Eingangsinstanz die Klage am 15.12.2016 als teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet abgewiesen. Das Gericht erkannte keinerlei Störereigenschaft von RWE und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der von den Kraftwerken von RWE bewirkte Beitrag zum Klimawandel in Relation zu den weltweiten Gesamtemissionen zu geringfügig sei, um als ursächlich für die Bedrohung des Klägers durch den steigenden Pegel des Gletschersees zu gelten. Die Gefahr bestünde auch dann, wenn RWE seine Kraftwerke nicht betrieben hätte.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger, der bei der Prozessführung maßgeblich von der deutschen NGO Germanwatch unterstützt wird, Berufung beim OLG Hamm eingelegt (26.1.2017).

OLG Hamm: Hinweis- und Beweisbeschluss geht erst einmal von 0,47 Prozent Mitverantwortung aus

Vor dem OLG Hamm nahm das Verfahren eine überraschende Wendung: Im November letzten Jahres erließ dieses einen Hinweis- und Beweisbeschluss (Az. I-5 U 15/17) , in dem es einen Sachverständigenbeweis zu der Frage anordnete, ob und in welchem Umfang die von den RWE-Kraftwerken verursachten Emissionen zu dem Ansteigen des Wasserpegels des Gletschersees und damit zu der Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers beigetragen haben. Vorläufig wurde dieser Verursachungsanteil mit 0,47 Prozent beziffert.

Anders als das LG Essen schließt es das OLG Hamm also nicht von vornherein aus, dass bei einer Beeinträchtigung des Eigentums, die aus der Summe von jeweils für sich geringfügigen Emissionsbeiträgen resultiert, der einzelne Emittent für seinen Beitrag anteilig in Anspruch genommen werden kann. Selbst wenn dieser nur 0,47 Prozent betrüge und – insoweit sicherlich unstreitig – hinweggedacht werden könne, ohne dass sich an der Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers etwas ändern würde. Wäre dies richtig, müsste RWE – wie von dem Kläger gefordert – dann einen seinem Emissionsbeitrag entsprechenden Anteil an den Kosten eines Staudamms tragen, der die Überflutungsgefahr bannen würde. Den Einwand von RWE, dass die Emissionen auf der Grundlage wirksamer Anlagengenehmigungen, also rechtmäßig erfolgt sind, ließ das OLG Hamm in seinem Beweisbeschluss nicht gelten: Die Anlagengenehmigung schließe zivilrechtliche Ansprüche Dritter nicht aus.

RWE: Ohne Rechtschutzbedürfnis bei Kosten von 33 Cent und sichere Stromversorgung

RWE hat sich im Rahmen einer sog. Gegenvorstellung zu dem Beweisbeschluss des OLG Hamm geäußert und spricht darin dem Kläger das Rechtschutzbedürfnis ab. Dem Kläger entstünden nach einem Gutachten einer peruanischen Anwaltskanzlei lediglich Kosten in Höhe von 33 Cent, da die Kosten für den Bau eines Staudamms voraussichtlich dem Staat Peru zur Last fallen würden, die den Kläger nur als Steuerzahler betreffen würden. RWE geht es dabei aber nicht nur um den fehlenden bzw. minimalen Schaden. Die 33 Cent stünden in einem solch krassen Missverhältnis zu den anfallenden Kosten für die Beweiserhebung, dass dies nicht verlangt werden könne. Zudem stehe das Allgemeininteresse (an einer sicheren Stromversorgung) einer Einstellung des Betriebes der Anlagen der Beklagten entgegen.

Das OLG Hamm hat die Gegenvorstellung der RWE nun zurückgewiesen und hält an dem Beweisbeschluss fest. Dass dem Kläger im Ergebnis tatsächlich nur Kosten in Höhe von 33 Cent entstünden, hielt das Gericht für zu ungewiss. Auf den Hinweis auf das Allgemeininteresse, das einer Einstellung des Betriebs der Kraftwerke entgegenstehe, antwortet das OLG Hamm lapidar, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) in einem solchen Fall RWE ja Ausgleichsleistungen in Geld verlangen dürfte.

Wie geht es weiter?

In dem Verfahren wird es nun eine Beweisaufnahme geben. RWE und der Kläger haben nun Sachverständige zu benennen. Diese sollen insbesondere ermitteln, wie der Anstieg des Wasserpegels und der Ausstoß von Treibhausgasen durch RWE miteinander zusammenhängen, und beurteilen, ob die Zunahme des Wasservolumens das Hausgrundstück des Klägers ernsthaft bedroht.

Nicht nur für RWE, sondern auch für alle anderen Betreiber von fossil befeuerten Kraftwerken ist die Frage existenziell, ob sie künftig mit Klagen von durch den Klimawandel Betroffenen aus aller Welt konfrontiert sein könnten. Diese Frage dürfte noch lange Zeit unbeantwortet bleiben, da sich die im Beweisbeschluss aufgeworfenen Fragen sicherlich nicht schnell klären lassen.

Ginge die Beweisaufnahme im Sinne des Klägers aus, ist damit noch längst nicht entschieden, wie das Verfahren am Ende ausgeht. Denn die sehr öffentlichkeitswirksame Beweiserhebung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die mit der Klimaklage verbundenen rechtlichen Fragen weitaus komplizierter sind, als die Beweisbeschlüsse auf den ersten Blick glauben lassen. Das OLG Hamm hat wichtige Fragen bislang nur angerissen. Dies zeigt sich z.B. an seinem Verweis auf § 14 BImSchG, der Nachbarn einer nach BImSchG genehmigten Anlage (auch ungeachtet der Bestandskraft der Genehmigung) Abwehransprüche gegen den Anlagenbetreiber zugesteht. Hier wäre zum Beispiel begründungsbedürftig, dass ein auf einem anderen Kontinent wohnender Bauer Nachbar im Sinne dieser Vorschrift ist. Neben weiteren juristischen Fragen – Kausalität, Vertrauensschutz u.a. – müsste auch gewürdigt werden, dass es für RWE und alle anderen Großemittenten nicht nur um die anteiligen Kosten am Bau eines einzelnen Staudamms geht – die sich im Verfahren gegen RWE „nur“ auf etwa 17.000 Euro belaufen würden. Sondern um die grundsätzliche Möglichkeit, durch eine Vielzahl von Klägern in Anspruch genommen zu werden, was in Summe die Existenz der Unternehmen bedrohen kann.

Können also private Unternehmen dafür in Anspruch genommen werden, dass es die Staatengemeinschaft versäumt hat, rechtzeitig einen wirksamen Klimaschutz ins Werk zu setzen? Diese Frage ist so grundlegend, dass sie einer Erörterung durch den BGH würdig ist.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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