Die REMIT ist da – und mit ihr Vorgaben zu Insiderhandel und Datenmeldungen. Oder doch nicht?

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Ein höchst seltener Fall in der Geschichte des Behördentums: Eine Behörde – hier die EU-Kommission – weigert sich, eine ihr erteilte Kompetenz auszuüben. Gibt es nicht? Doch, gibt es. Man kann es sogar im offiziellen Amtsblatt der EU nachlesen. Doch eines nach dem anderen:

Am 8.12.2011 ist die REMIT, die EU-Verordnung über die Integrität und die Transparenz des Energiegroßhandels, veröffentlicht worden. Wie der lange Titel schon ausdrückt, geht es dabei um zwei Dinge: Den Schutz der Marktintegrität und eine Verbesserung der Transparenz.

Du sollst nichts Böses tun!

Das erste Element besteht im Wesentlichen aus einem ausdrücklichen Verbot von Insider-Handel und Marktmissbrauch. Die REMIT erfüllt damit für den Energiehandel die gleiche Aufgabe wie die Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD – Market Abuse Directive) für den Finanzhandel – und schließt damit eine Lücke im physischen Terminmarkt ebenso wie im Spotmarkt, die bisher wahrgenommen wurde.

Was heißt das nun konkret? Als Marktmissbrauch verboten sind alle Maßnahmen, mit denen ein künstlicher, also nicht durch Angebot und Nachfrage erklärlicher Preis produziert wird. Beispiele wären das künstliche Hochhalten von Referenzpreisen, die Verbreitung falscher oder irreführender Gerüchte über bestehende Transportkapazitäten oder auch über die Verfügbarkeit von Stromerzeugungskapazitäten. Wer sich hier redlich verhält (bzw. – wie die meisten von uns – keine Macht hat, eine Preismanipulation zu erreichen), wird nichts zu befürchten haben.

Wie aber sieht es beim Insider-Handel aus? Für Personen, die über Insider-Informationen verfügen, ist es verboten

  • diese Informationen beim Handel zu nutzen,
  • sie außerhalb der beruflichen Tätigkeit an Dritte weiterzugeben oder
  • durch die Abgabe von Kaufempfehlungen Dritte zum Kauf zu verleiten.

Als Insider-Information gelten alle im Unternehmen bekannten Umstände, die zu einer erheblichen Beeinflussung der Strom- oder Gaspreise führen können. Relevant sind also beispielsweise Kenntnisse über installierte Erzeugungskapazitäten, Produktionsplanungen, Fahrplanänderungen oder Speicheranlagen. Tatsächlich geht die REMIT erstmal davon aus, dass alle Informationen, die durch die Regeln des Dritten Energiemarktpakets ((EG) Nr. 714/2009 und 715/2009) als veröffentlichungspflichtig deklariert wurden, auch als Insider-Informationen taugen können. Wer also eine Erzeugungsanlage mit mehr als 100 MW elektrischer Brutto-Leistung betreibt, sollte gewarnt sein: Kenntnisse über die Fahrweise von Kraftwerken am Ende der Merit-Order-Kurve dürften im Zweifel als Insider-Information gelten. Vor einer Veröffentlichung (im Augenblick typischerweise auf der EEX-Transparenz-Plattform) darf mit diesem Wissen kein Handel mehr betrieben werden. Dann gilt es aber auch intern zu regeln, dass genau das nicht passieren kann (Stichwort: Compliance-Organisation!).

Big Brother is watching you

Neben den Verboten von Marktmissbrauch und Insiderhandel hat die REMIT noch eine zweite Komponente, die im Wesentlichen im Übermitteln von Informationen besteht.
Für Händler bedeutet das vor allem, der europäischen Regulierungsbehörde ACER (Agency for the Cooperation of Energy Regulators) in Ljubljana in Zukunft Daten über Transaktionen (inkl. aller Orders!) am Energiegroßhandelsmarkt mitzuteilen. Zu übermitteln sind genaue Angaben über die getätigten Transaktionen (z.B. erworbene und veräußerte Produkte, Parteien der Transaktion, die vereinbarten Preise und Mengen, die Tage und Uhrzeiten der Ausführung etc.). Größere Händler haben vermutlich ein IT-System und eine Ablauforganisation, die an diese neuen Anforderungen angepasst werden können. Kleinere Marktteilnehmer werden sehr genau schauen müssen, wie sie mit den (noch im Einzelnen festzulegenden) Pflichten umgehen können.
ACER erhält aber auch Informationen über die Kapazität und Nutzung von Kraftwerken und Speichern, zur Übertragung/Fernleitung von Strom und Erdgas und über die Kapazität und Nutzung von Flüssiggasanlagen, also vielfach Dinge, die bereits durch das Dritte Energiemarktpaket zu veröffentlichen sind. Daher wird man da wohl größtenteils auf die bestehende Dateninfrastruktur der Übernetzbetreiber zurückgreifen.

Und was war da jetzt mit der Kommission?

Die REMIT gilt als europäische Verordnung unmittelbar und ohne weiteren Umsetzungsakt durch den deutschen Gesetzgeber. Ab Inkrafttreten der REMIT am 28.12.2011 müssen also alle Regelungen von sämtlichen Marktteilnehmern beachtet werden.

Alle Regelungen? Nein, nicht alle. Die oben erwähnten Datenmeldepflichten gelten erst sechs Monate, nachdem die Kommission alle nötigen Einzelheiten (Formate, Zeitpunkte, genaue Inhalte der Daten etc.) festgelegt hat. Das ist genau der Teil, der für einen durchschnittlichen Marktteilnehmer spürbar wird. Für diese Festlegung bevollmächtigt die REMIT die Kommission zum Erlaß von so genannten Durchführungsrechtsakten. Diese weigert sich aber nun, ihre Kompetenz auszuüben. Die Kommission möchte hierfür lieber ein Gesetzgebungsverfahren einleiten – wodurch eventuell wiederum eine Anpassung der REMIT notwendig wäre. ??????? Der Rat (= die Regierungen der Mitgliedsstaaten) geht davon aus, dass die Kompetenzzuweisung „rechtsverbindlich“ ist. Daraus ergibt sich eine spannende Frage: Wie will man juristisch die Kommission zu einer rechtssetzenden Handlung zwingen, der sie sich verweigern will?

Für die Energieunternehmen hat das  ein Gutes: Dreht die Kommission sich weiter im Kreis, ist die Hoffnung gar nicht unbegründet, dass uns der zu erwartende Datenfriedhof in Ljubljana noch eine Weile erspart bleibt.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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