Ein Nachfolger für Kyoto?

(c) BBH
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Die Emission von Treibhausgasen abzusenken ist einer der Schlüssel, den Klimawandel zu bremsen. Mehr als ein Jahrzehnt dauert der Kampf um verbindliche Reduktionsziele schon an. Das Ziel ist weiterhin klar: Die Erderwärmung soll auf höchstens 2 °C begrenzt werden. Der Weg dorthin ist jedoch immer noch fraglich. Das gilt auch für die bevorstehende Klimakonferenz in Paris.

2005 nahm das Kyoto-Protokoll die Industriestaaten in die Verantwortung, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Als das Abkommen 2012 auslief, konnte die UN-Klimakonferenz in Doha keine Regelung über die Nachfolge finden. Die Situation hatte sich verändert. Die Industriestaaten waren verärgert, dass aufstrebende Länder wie China oder Indien, die mittlerweile einen Großteil der weltweiten Treibhausgase emittierten, durch das Übereinkommen nicht gebunden wurden. Außerdem drohten ihnen hohe Strafzahlungen, wenn sie ihre Klimaziele verfehlten. Die aufstrebenden Länder wollten ihr Wirtschaftswachstum nicht schmälern, indem sie sich Anforderungen des Klimaschutzes unterwerfen.

Als ein Mini-Kompromiss wurde das Kyoto-Protokoll 2012 in Doha bis 2020 verlängert (wir berichteten). Seitdem ringt die Staatengemeinschaft darum, einen Nachfolger zu finden, denn um den Klimawandel zumindest zu beschränken, sind gesetzliche Vorgaben notwendig, die so viele Beteiligte wie möglich binden. Die Verhandlungen gestalten sich bisher als äußerst schwierig, denn die Interessen, Vermögen und der politische Wille der einzelnen Staaten weichen stark voneinander ab.

Im Dezember 2014 wollte sich eine Delegation aus 195 Ländern bei der Weltklimakonferenz in Lima auf einen Vertragsentwurf einigen. Der dort erarbeitete Text sollte als Vorlage dienen für den Beschluss eines verbindlichen Abkommens in Paris Ende 2015. Allerdings blieben auch hier die meisten Fragen noch offen, und der 80-seitige Entwurf liest sich mehr als eine Sammlung von Ideen und Vorstellungen denn als Vertragstext. Freiwillig legen sich weiterhin kaum Staaten auf CO2-Minderungsziele fest. Ohne gründliche Überarbeitung wird der Entwurf kaum verabschiedet werden können.

Stellung nehmen muss das neue Klimaabkommen vor allem zu der Frage, wie Maßnahmen finanziert werden sollen, um die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen. Dürren oder Überschwemmungen treten meist nicht in den Ländern auf, die die Emissionen verursachen, sondern in besonders armen Entwicklungsländern, die sich schlecht wappnen können und in den Verhandlungen wenig politisches Gewicht auf die Waage bringen. Außerdem unterscheiden sich die innenpolitischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Klimaschutz in den einzelnen Ländern erheblich. So pochen beispielsweise viele Schwellenländer auf ihr Recht auf Wirtschaftswachstum, das die etablierten Industrienationen ja in der Vergangenheit auch für sich in Anspruch genommen und dabei bislang am meisten zum Klimawandel beigetragen hätten. In den USA hat zwar der Energieminister jüngst Optimismus mit Blick auf eine neue Klimavereinbarung verbreitet, aber die innenpolitischen Kräfteverhältnisse dort lassen nicht erwarten, dass Washington ambitioniert voranschreiten wird. Etwas berechenbarer ist die Position der EU: Hier hatte sich der Rat ja bereits in seiner Sitzung vom 24.10.2014 auf das Ziel verständigt, die EU-internen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Ob und wie weit eine Einigung in Paris über einen Formelkompromiss hinausgehen wird, dürfte aber vor allem davon abhängen, wie sich die USA und China am Ende positionieren werden. Die Staaten sollen übrigens vor der Konferenz in Paris beim UN-Klimasekretariat eine Stellungnahme hinterlegt haben, welche Minderungsverpflichtung sie einzugehen beabsichtigen. Der Stand der – allenfalls politisch verbindlichen – Erklärungen ist auf der Homepage des Klimasekretariats abrufbar.

Die Vorbereitungen der Konferenz laufen derweil auf Hochtouren. Jüngst tagten die Delegationen im Rahmen des so genannten Petersberger Dialogs in Berlin, zu dem die Bundesumweltministerin und der französische Außenminister Repräsentanten aus zahlreichen Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention eingeladen hatten. Verbindliche Beschlüsse werden auf informellen Treffen wie diesem zwar nicht gefasst. Dennoch dürften die vorbereitenden Verhandlungsrunden sehr wichtig für einen Erfolg der vom 30.11. bis zum 11. 12.2015 stattfindenden Klimakonferenz werden. Die Hoffnung auf einen Durchbruch „in letzter Minute“ hatte sich ja schon einmal – 2009 in Kopenhagen – in einem dramatischen Finale zerschlagen. Ein vergleichbares Szenario will man – so hat es auch der Gastgeber Frankreich verlauten lassen – in Paris auf jeden Fall vermeiden.

Was haben diese politischen Entwicklungen auf höchster Ebene mit der Realität der deutschen Anlagenbetreiber zu tun? Mehr jedenfalls, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Denn zum einen hängt es von dem weltweiten Rechtsrahmen ab, ob es künftig wieder die Möglichkeit geben wird, durch Klimaschutzprojekte im Ausland Emissionsrechte für inländische Anlagen zu generieren. Und zum anderen steht immer noch die Ankündigung der Europäischen Union im Raum, die derzeit bestehenden Einsparziele für die EU deutlich zu verschärfen, wenn die anderen großen Emittenten mitziehen. Dies würde Emissionsberechtigungen verteuern, was wegen der asymmetrischen Belastung unterschiedlicher Brennstoffträger insbesondere nicht ohne Auswirkungen auf den deutschen Strommarkt bliebe.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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