Einführung der Zählerstandsgangbilanzierung: Verordnungsgeber beseitigt Hindernisse für lastvariable Stromtarife

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Für Stromlieferanten soll es künftig attraktiver werden, lastvariable Tarife anzubieten. Dafür sorgt seit dem 22.8.2013 eine Änderung der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV). Sie führt ein Bilanzierungsverfahren auf Basis von so genannten Zählerstandsgängen ein, das künftig neben der Bilanzierung nach Lastgang und Standardlastprofilen steht.

Bereits seit dem Jahr 2008 verpflichtet der Gesetzgeber Stromlieferanten im EnWG, ihren Kunden einen Tarif anzubieten, der einen Anreiz setzt, Energie zu sparen oder den Energieverbrauch zu verlagern. Nach der gesetzlichen Vorgabe sind darunter insbesondere lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife zu verstehen. Umgesetzt haben die Stromlieferanten diese Vorgabe jedoch überwiegend (lediglich) dadurch, dass sie einen so genannten Schwachlasttarif (auch HT/NT-Tarif) anbieten. Andere lastvariable Tarife finden sich nur in Ausnahmefällen.

Der Grund dafür ist im Wesentlichen, dass ein solcher Tarif insbesondere im Kundensegment der Standardlastprofil-Kunden für die Lieferanten unattraktiv ist. Bei der Bilanzierung auf Grundlage standardisierter Lastprofile konnte der Lieferant ein abweichendes Verbrauchsverhalten bisher nicht in Bilanzierung und Beschaffung abbilden. Ein substantieller Kostenvorteil, der dem Kunden tariflich weitergereicht werden könnte, ließ sich somit nicht generieren.

Diese Schwierigkeiten soll die Änderung von § 12 StromNZV bereinigen. Der neue Absatz 4 sieht vor, dass die Netzbetreiber Netznutzern „eine Bilanzierung, Messung und Abrechnung auf Basis von Zählerstandsgängen für diejenigen Einspeise- und Entnahmestellen zu ermöglichen (haben), deren Einspeise- und Entnahmeverhalten mit Messsystemen im Sinne von § 21d Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes ermittelt wird.“ In § 2 StromNZV wird als neue Definition ergänzt, dass ein Zählerstandsgang eine Reihe viertelstündlich ermittelter Zählerstände ist.

Vornehmliches Ziel ist es, variable Tarife auch im SLP-Kundensegment attraktiv zu machen. Ein durch Tarifsignale angereiztes verändertes Verbrauchsverhalten soll auch individuell in Beschaffung und Bilanzierung abgebildet werden können. Für die Lieferanten bedeutet das auf der einen Seite, dass sie Verbrauchsverlagerungen des Kunden tatsächlich in der Beschaffung abbilden und tariflich umsetzen können. Auf der anderen Seite geht damit das Prognoserisiko stärker auf den Lieferanten über (ein Risiko, dass es beim Standardlastprofilverfahren für den Lieferanten praktisch nicht gibt). Diese (neuen) Risiken müssen vertraglich aufgefangen werden. Die Herausforderung wird es sein, in dieser Gemengelage gleichwohl akzeptable Produkte gestalten zu können.

Allerdings ergibt sich eine wesentliche (zeitliche und inhaltliche) Einschränkung für dieses neue Mess- und Bilanzierungsverfahren daraus, dass hierfür ein „Messsystem“ vorhanden sein muss. Die StromNZV nimmt dabei aber nur auf § 21d EnWG und nicht auch auf § 21e EnWG Bezug. Ob diese tatsächlich gemäß § 21e Abs. 4 EnWG insbesondere nach dem BSI-Schutzprofil zertifiziert sein muss, ist offen. Wenn ja, wäre die Zählerstandsgangbilanzierung vermutlich nicht vor Ende 2014 umzusetzen, denn vorausichtlich erst dann werden die neuen, zertifizierten Messsysteme am Markt verfügbar sein und damit die entsprechenden Einbaupflichten nach § 21c Abs. 1 EnWG greifen. Der Wortlaut der StromNZV scheint jedoch nahezulegen, dass auch nicht zertifizierte Messsysteme erfasst sind.

Allerdings kennen die aktuell geltenden prozessualen Vorgaben zur Abwicklung des Stromnetzzugangs (weder die Wechselprozesse im Messwesen (WiM), noch die Geschäftsprozesse zur Kundenblieferung mit Elektrizität (GPKE) noch die Marktregeln zur Bilanzkreisabrechnung im Strom (MaBiS)) eine Zählerstandsgangmessung oder Zählerstandsgangbilanzierung.

Fazit

Mit der Einführung der Zählerstandsgangmessung und -bilanzierung soll die Lücke zwischen Standardlastprofil-Kunden mit reinen Arbeitszählern und leistungsgemessenen Kunden mit teurerer Lastgangmessung geschlossen werden. Erst mit den erforderlichen Anpassungen der Marktkommunikation (WiM, GPKE und MaBiS) werden die neuen Vorgaben zur Zählerstandsgangmessung und -bilanzierung (massengeschäftstauglich) sachgerecht umsetzbar sein. Hier ist die Bundesnetzagentur (BNetzA) gefordert. Für den Vertriebsbereich wird das neue Verfahren neben Ansätzen für interessante Produkte auch mit neuen Risiken verbunden sein. In jedem Fall wird erheblicher (auch finanzieller) Aufwand für die Nachrüstung der EDM-Systeme auf die Versorger zukommen.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege/Dr. Michael Weise

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