Emissionshandel ohne die Briten

(c) BBH
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Der angekündigte Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) hat nur einen Tag nach dem Referendum am 23.6.2016 (wir berichteten) schon die CO2-Märkte erreicht. Mit unter 5 Euro fiel der Kurs für Emissionsberechtigungen am Freitag Nachmittag auf ein bisher nicht erreichtes Tief in der laufenden Handelsperiode. Offenbar rechnen die Märkte nicht nur mit sinkender Nachfrage, weil die britischen Anlagenbetreiber aus der Pflicht zum Emissionshandel herausfallen. Sondern auch die allgemeine Konjunkturerwartung, korrespondierend zu den europäischen Leitindizes, verdüstert sich.

Doch auch jenseits der Frage, was Emissionsberechtigungen kosten, wirft der Brexit vielfältige Fragen auch im Emissionshandel auf.

Zunächst handelt es sich bekanntlich um ein europäisches System. Alle Anlagen in der EU, die die Schwellenwerte überschreiten, nehmen teil. Auch das EU-weite Gesamtbudget an Zertifikaten für die derzeit laufende 3. Handelsperiode deckt damit alle europäischen Anlagen ab. Bisher also auch die britischen großen Kraftwerke und Industrieanlagen.

Im Falle eines Ausscheidens der Briten aus der EU würde auch ihre Teilnahme am Emissionshandel enden. Was dann geschieht, ist unklar. Fest steht: Es wird im Land des Fußballs (hüstel) weder abgegeben, noch berichtet und auch nicht zugeteilt. Wie wird aber mit dem auch britische Emissionen umfassenden Gesamtbudget umgegangen? An sich müsste es ja schrumpfen. Einen Mechanismus hierfür gibt es aber nicht. Auch die Frage, ob die Kommission dann die umstrittene Kürzung CSCF (wir berichteten) neu berechnen muss, ist bisher unbeantwortet, wenngleich die Antwort naheliegend erscheint.

Ebenso unklar ist, wie mit „alten“ britischen Zertifikaten umzugehen ist. Denn am Markt sind immer noch viele britische Zertifikate aus den letzten Jahren und sogar umgetauschte Berechtigungen aus der letzten Handelsperiode. Die britischen Anlagen brauchen sie nach deren Ausscheiden nicht mehr. Es wäre also für die anderen Anlagen mehr Überschuss am Markt. Nun ist es Konsens, dass es derzeit eher zu viel als zu wenig Zertifikate gibt. Aber wie soll eine Abschöpfung aussehen? Auch ein Ankauf wäre marktverzerrend. Und für eine Kürzung fehlt die Grundlage.

Möglicherweise bleibt aber auch ein Vereinigtes Königreich außerhalb der EU als EWR-Mitglied wie Norwegen im Emissionshandel. Schwierig ist jedoch der Übergang. Mit der Ansage, es solle keine Vorklärungen mit den Briten vor ihrem Austrittsgesuch geben, schafft die politische Ebene der EU möglicherweise ein Übergangsproblem. Ganz zu schweigen von der Frage, wie dies mit dem politischen Willen von 52 Prozent der Briten zusammenpassen sollte, sich der Bindungen der EU gerade zu entledigen.

Ein weiteres praktisches Problem entsteht für die Vorbereitung der anstehenden 4. Handelsperiode. An sich hätte im kommenden Jahr die britische Ratspräsidentschaft die beiden Dossiers ETS und Non-ETS verhandelt, aus der die konkreten Regeln für die kommende Handelsperiode 2012 bis 2030 hervorgegangen wären. Nun aber wird Großbritannien den Vorsitz wohl kaum mehr übernehmen. Es ist wohl angedacht, die Präsidentschaften von Malta und Estland um je drei Monate zu verlängern. Doch ob diese engagierten, aber kleinen Mitgliedstaaten mit ihren begrenzten Ressourcen die beiden umfangreichen Dossiers ebenso bewältigen wie ein um ein Vielfaches größerer Staat?

Damit auch hier: viele Fragen. Wenig Antworten. So klammert sich mancher an den Strohhalm, dass die Briten den Austrittsantrag doch nicht stellen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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