Energiemesswesen: Bestandsschutz nach § 19 Abs. 5 MsbG für nicht zertifizierte Messsysteme

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Das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) regelt nicht nur den Rollout intelligenter Messsysteme, sondern auch den Bestandsschutz nach § 19 Abs. 5 MsbG. Diese Vorschrift gibt grundzuständigen (und wettbewerblichen) Messstellenbetreibern die Möglichkeit, auch zukünftig Messsysteme einzubauen, die nicht nach dem MsbG zertifiziert sind, und diese bis zu acht Jahre ab Einbau zu nutzen. Messsysteme sind alle in ein Kommunikationsnetz eingebundenen Messeinrichtungen (auch RLM, EDL-40-Zähler).

Allerdings dürfen sich Messstellenbetreiber damit nicht mehr allzu viel Zeit lassen: Bis zur Feststellung der technischen Möglichkeit des Rollouts intelligenter Messsysteme durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) müssen diese nicht gesetzeskonformen Messsysteme eingebaut sein. Danach ist dies grundsätzlich nicht mehr zulässig – der Bestandsschutz kann nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Voraussetzungen für den Bestandsschutz

Das MsbG verpflichtet grundzuständige Messstellenbetreiber, nach dem in den §§ 29 ff. MsbG verankerten Rollout-Fahrplan intelligente Messsysteme bei Letztverbrauchern mit einem Jahresstromverbrauch über 6.000 kWh sowie bei Anlagen mit einer installierten Leistung über 7 kW einzubauen. Startschuss für die Einbaupflicht ist die Feststellung der technischen Möglichkeit des Einbaus durch das BSI. Dies setzt nach § 30 MsbG voraus, dass mindestens drei voneinander unabhängige Unternehmen zertifizierte intelligente Messsysteme am Markt anbieten. Um zu verhindern, dass umsonst in den Einbau konventioneller Messsysteme kurz vor Entstehung der Einbaupflicht investiert wird, nimmt der Gesetzgeber bestimmte Messstellen – zunächst – von der Einbauverpflichtung aus. Dies setzt nach § 19 Abs. 5 MsbG Folgendes voraus:

Bestandsschutz kann nur bei Einbau eines „Messsystems“ in Anspruch genommen werden. Dies ist nach § 2 Nr. 13 MsbG eine Messeinrichtung, die in ein Kommunikationsnetz eingebunden ist. Dazu gehören beispielsweise RLM-Zähler oder nicht nach dem MsbG zertifizierte Smart Meter, die etwa im Rahmen von Pilotprojekten verbaut wurden. Nicht unter die Bestandsschutzregelung fallen etwa EDL-21-Zähler, die nicht fernauslesbar sind, oder Ferraris-Zähler.

19 Abs. 5 MsbG erwähnt lediglich den „Einbau“ von Messsystemen und nicht die weitere Nutzung bereits installierter Messsysteme. Insofern spricht viel dafür, dass diese Regelung insbesondere nicht auf bereits vorhandene RLM-Messungen Anwendung findet, hierfür also keine gesonderte Einwilligung eingeholt werden muss.

Leider ist die gesetzliche Regelung jedoch insgesamt offen gestaltet und differenziert nicht hinreichend zwischen „Smart Metering“ und RLM-Messungen bzw. Bestands- und Neukunden. So spricht die Gesetzesbegründung ausdrücklich von Messsystemen, die „verbaut worden sind“. Allerdings soll der Rollout-Korridor für die Umrüstung von RLM-Messungen nach dem Sinn und Zweck des MsbG sicherlich nicht dadurch konterkariert werden, dass auch für diese Messstellen (und eine vorgezogene Umrüstung bei ausbleibender Einwilligung) eine Einwilligung verlangt wird.

Für moderne Messeinrichtungen enthält das MsbG keine Bestandsschutzregelung, die eine Ausnahme von der Einbaupflicht nach § 29 Abs. 3 MsbG zuließe. Inwiefern bereits vorhandene EDL-21-Zähler oder andere digitale Messeinrichtungen die Anforderungen an moderne Messeinrichtungen erfüllen und weiter genutzt werden können, bedarf einer Prüfung im jeweiligen Einzelfall.

Einwilligung des Anschlussnutzers und Widerruf

Der betroffene Anschlussnutzer muss in den Einbau und die Nutzung des Messsystems einwilligen. Er muss dabei in der Kenntnis handeln, dass dieses nicht den technischen Anforderungen des MsbG genügt.

Besondere Formvorschriften dafür enthält das MsbG nicht. Allerdings sollten Messstellenbetreiber die Einwilligung des Anschlussnutzers zumindest in Textform (zum Beispiel E-Mail, Fax, unterschriebenes Dokument) einholen und dokumentieren, um diese bei Bedarf nachweisen zu können. Der Anschlussnutzer sollte dabei auch erklären, dass er mit dem Einbau und der achtjährigen Nutzung eines Messsystems einverstanden ist, das nicht den Anforderungen an intelligente Messsysteme nach § 19 Abs. 2 und 3 MsbG genügt.

Widerrufen können die Einwilligung nur Haushaltskunden, also nach § 3 Nr. 22 EnWG alle Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder maximal 10.000 kWh jährlich für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke beziehen. Da das MsbG keine Vorgaben zum Zeitpunkt des Widerrufs macht, ist davon auszugehen, dass dieser auch nach Einbau des Messsystems jederzeit möglich bleibt. Auch wenn das MsbG keine Vorgaben zu einer Belehrung der Haushaltskunden durch den Messstellenbetreiber enthält, empfiehlt sich eine Aufnahme der Belehrung in die Einwilligungserklärung, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Anschlussnutzer, die keine Haushaltskunden nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sind, können eine erteilte Einwilligung nicht mehr widerrufen.

Zeitpunkt des Einbaus und Dauer des Bestandsschutzes

Nicht zertifizierter Messsysteme darf man nur solange einbauen, bis das BSI nach § 30 MsbG die technische Möglichkeit eines Einbaus intelligenter Messsysteme feststellt. Bei Messsystemen, die ausschließlich der Erfassung der zur Beladung von Elektrofahrzeugen entnommenen oder durch diese zurückgespeisten Energie dienen, ist ein Einbau bis zum 31.12.2020 zulässig.

In beiden Fällen können die eingebauten Messsysteme bis zu acht Jahre ab Einbau betrieben werden.

Auswirkungen auf die Einbaupflichten für intelligente Messsysteme

Messstellen, für die nach § 19 Abs. 5 MsbG Bestandsschutz besteht, sind bei der Ermittlung der Pflichteinbaufälle nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 MsbG nicht miteinzubeziehen. Der grundzuständige Messstellenbetreiber genügt seiner Einbauverpflichtung daher, wenn er innerhalb von drei Jahren ab Anzeige der Grundzuständigkeit mindestens 10 Prozent der von der Einbaupflicht betroffenen Messstellen, an denen Bestandsschutz nicht besteht, mit intelligenten Messsystemen ausstattet.

Ansprechpartner: Dr. Jost Eder/Jan-Hendrik vom Wege

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