Erdgasumstellung: Netzbetreiber und Dienstleister stellen sich der Herausforderung

(c) BBH
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Das Projekt Erdgasumstellung ist auf einem guten Weg, aber es bleibt noch viel zu tun. Das ist das Ergebnis des Treffens der Dienstleistungsinitiative Erdgasumstellung, das rund 100 Marktakteure am 30.9.2015 in Bielefeld versammelte.

Zur Erinnerung: Die schwindenden Vorkommen von L-Gas (low calorific gas) erfordern, dass die Gasversorgung in großen Teilen Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens, Hessens, Sachsen-Anhalts und Bremens zukünftig auf H-Gas (high calorific gas) umgestellt werden muss (wir berichteten). Das betrifft ca. 6 Millionen Gasgeräte in Nord- und Westdeutschland. Weiterhin sind zahlreiche Gasnetze anzupassen.

Die Sitzung der Dienstleistungsinitiative Erdgasumstellung am 30.9.2015 gibt Anlass zur Hoffnung, dass diese Herausforderung bewältigt werden kann. Erste Einzelprojekte zeigen, dass es bereits eine beachtliche Anzahl an Umstellungsdienstleistern gibt. Becker Büttner Held (BBH) hat Musterunterlagen für Ausschreibungen und Dienstleistungsverträge ausgearbeitet, die in rechtlicher Hinsicht als Standard dienen können. Am Sitzungstag ist die Website der Arbeitsgemeinschaft Erdgasumstellung (ARGE EGU) online gegangen. Sie wird die zentrale Informationsplattform für Kunden, Netzbetreiber, Lieferanten und Dienstleister sein. All dies sind Indikatoren dafür, dass sich die deutsche Gaswirtschaft auf einem guten Weg befindet, ihr größtes Infrastrukturprojekt zu stemmen.

Besonderes viel Kopfzerbrechen bereitet die Umstellung den Netzbetreibern. Denn diese hat der Gesetzgeber mit der Durchführung beauftragt. Sie müssen jetzt in einem Zeitrahmen von wenigen Wochen sämtliche Gasverbrauchsgeräte im Netzgebiet „H-Gas-fit“ machen. Hierzu bedarf es sowohl präziser Planung als auch ausreichender „Manpower“ – und dies in Spitzen für nur wenige Wochen im Jahr: betriebswirtschaftlich und organisatorisch ein Kraftakt!

Apropos Gesetzgeber: auch dieser muss noch einmal aktiv werden. Denn § 19a EnWG, die bislang einzige gesetzliche Regelung zur Erdgasumstellung, weist noch erhebliche Lücken auf. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine sinnvolle Haftungsbegrenzung für Netzbetreiber. Denn § 18 NDAV dürfte hierfür bei der Erdgasumstellung ausscheiden, da dieser sich auf den Netzanschluss bezieht, bei der Erdgasumstellung jedoch Veränderungen am Gasverbrauchsgerät vorgenommen werden, das nach der NDAV-Logik in den Verantwortungsbereich des Anschlussnehmers fällt. Ähnliches gilt für das Recht des Netzbetreibers, Grundstücke und Gebäude zu betreten, um die Umstellung vornehmen zu können. Dieses kann aktuell allenfalls mit Hilfe der Gesetzesbegründung in § 19a EnWG „hineingelesen“ werden – Rechtssicherheit sieht anders aus. Schließlich sollte überlegt werden, wie mit nicht anpassungsfähigen Gasgeräten umgegangen wird. Hier wäre ein klares Bekenntnis zu begrüßen, nach dem der Eigentümer bei einem Komplettwechsel der Anlage wenigstens die Kosten einer „fiktiven Anpassung“ ersetzt bekommt. Dadurch würde eine Diskriminierung bei der Erdgasumstellung vermieden und Energieeffizienz durch einen Zuschuss für ein neues und effizienteres Gerät gefördert.

Die ARGE EGU wird sich für die Berücksichtigung dieser Punkte im aktuellen Reformprozess des EnWG (Stichwort „Strommarktgesetz“) einsetzen, um sowohl für Netzbetreiber als auch für Anschlussnehmer Rechtsklarheit zu schaffen. Sie wurde im April 2014 gegründet und seitdem von Becker Büttner Held begleitet. Sie identifiziert Problemfelder und entwickelt gemeinsam Lösungen. Mitglieder sind derzeit schon 37 betroffene Netzbetreiber. Die Dienstleitungsinitiative Erdgasumstellung wird durch die ARGE EGU organisiert. Sie bringt alle relevanten Partner – Netzbetreiber, Umstellungsdienstleister und Experten aus der Gaswirtschaft – zum regelmäßigen Erfahrungsaustausch zusammen.

Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Peter Bergmann

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