Es geht weiter: BGH-Urteil zur Behandlung unwirksamer Preisanpassungen in der Grundversorgung

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Was passiert, wenn in einem Gas-Grundversorgungsvertrag eine Preisanpassungsklausel steht, die unwirksam ist? Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 6.4.2016 in einem weiteren Urteil (Az. VIII ZR 71/10) seine Rechtsprechung fortgeführt und präzisiert. Im Ergebnis nähert der BGH die Kriterien für die Preisbildung im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung weitgehend an die für wirksame Preisanpassungen geltenden Regelungen in der Grundversorgung an.

Der EuGH hatte bekanntlich die Preisanpassungsregelung in § 4 AVBGasV für unwirksam erklärt, weil sie gegen die Transparenzanforderungen der Gasbinnenmarktrichtlinie (GasRL – RL 2003/55/EG) verstießen (wir berichteten). Der BGH hatte daraufhin in zwei weiteren Verfahren (Az. VIII ZR 158/11 und VIII ZR 13/12) unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung am 28.10.2015 entschieden (wir berichteten), dass die eingetretene Regelungslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Der Versorger ist danach grundsätzlich berechtigt, Steigerungen seiner eigenen (Bezugs-)Kosten an den Kunden weiterzugeben. Dies gilt jedenfalls für Preisanpassungen aufgrund der „alten“ Fassung der Grundversorgungsverordnungen Strom (StromGVV) und Gas (GasGVV) in der bis zum 29.10.2014 geltenden Fassung.

Nunmehr hat das Gericht diese Rechtsprechung bestätigt und dabei die Grenzen, in denen Bezugskostensteigerungen weitergegeben werden können, aufgezeigt. Ausgangspunkt dabei ist, dass der Versorger die eigenen Bezugskosten im Interesse seiner Kunden niedrig halten muss; er darf insbesondere keine Kosten weitergeben, die er auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums, ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung, aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte. Dies wurde für die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB im Rahmen einer wirksamen Preisanpassung bereits 2008 vom Gericht entschieden (BGH, Urt. v. 19.11.2008, Az. VIII ZR 138/07wir berichteten) und wird nunmehr auf die ergänzende Vertragsauslegung bei unwirksamer Preisanpassungsklausel übertragen.

Außerdem stellt der BGH klar dass vor dem 1.7.2004 vorgenommene Preisanpassungen in der Grundversorgung wirksam sind, da zu diesem Zeitpunkt die GasRL mit ihren Transparenzvorgaben noch nicht umzusetzen bzw. in Kraft war.

Der BGH sieht schließlich – weiterhin – keine Veranlassung, seine Lösung, dem Grundversorger ein Preisanpassungsrecht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu gewähren, erneut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen um klären zu lassen, inwieweit diese Lösung, mit den europäischen Transparenzvorgaben vereinbar ist. Nach Auffassung des BGH ist die Auslegung der GasRL durch die o.g. EuGH-Urteile hinreichend geklärt. Die rechtlich geschützten Interessen des Grundversorgers und des Kunden in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, ist – wovon ersichtlich auch der Gerichtshof ausgeht – allein Aufgabe des nationalen Rechts.

Gegen die oben genannten Entscheidungen des BGH vom 28.10.2015 wurde Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingelegt (wir berichteten), in der die Verpflichtung zur Vorlage geklärt werden soll. Das BVerfG ist insoweit selbstverständlich nicht an die Rechtsauffassung des BGH gebunden.

Ansprechpartner Grund­ver­sor­gung: Dr. Christian de Wyl/Dr. Jost Eder/Dr. Erik Ahnis/Dr. Alexander Dietzel
Ansprech­part­ner Preis­höhe: Stefan Wollschläger

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