Es soll doch eine Beihilfe sein, sagt das EuG zu Förderung und Entlastung unter dem EEG

(c) BBH
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Das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG 2012) war eine Beihilfe, und deshalb hat die EU-Kommission zu Recht ein Verfahren über das deutsche System der Förderung Erneuerbarer Energien eröffnet (wir berichteten). Das hat das Europäische Gericht (EuG) heute in erster Instanz entschieden und damit vorläufig Klarheit über eine der umstrittensten europarechtlichen Fragen der letzten Jahre im Energierecht herbeigeführt (Rs. T‑47/15).

Was bisher geschah

Die Vorgeschichte des heutigen Urteils begann vor rund zweieinhalb Jahren. Kurz vor dem Jahreswechsel 2013/14 sorgten Nachrichten aus Brüssel für eine Schockwelle in der deutschen Energiewirtschaft und weiten Teilen der deutschen Industrie. Die Europäische Kommission eröffente am 18.12.2013 ein Beihilfeprüfverfahren wegen des Verdachts, bei dem Förder- und Ausgleichsmechanismus des EEG 2012 könne es sich um eine – in Teilen nicht gerechtfertigte – staatliche Beihilfe handeln. Als wäre dies nicht genug, startete die Behörde gleichzeitig ein Konsultationsverfahren (wir berichteten) zur Festlegung der beihilferechtlichen Rahmenbedingungen in Bereichen Umwelt und Energie, an dessen Ende die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 – 2020 (UEBELL) standen.

Zwar war das deutsche Fördersystem für regenerative Energien nach der bisherigen europäischen Gerichts– und Kommissionspraxis bis dahin nicht als Beihilfe angesehen worden. Dies nützte in den anschließenden politischen Auseinandersetzungen zwischen der Bundesregierung und der Kommission über Ausgestaltung und Umfang einer zulässigen Förderung unter dem geltenden Beihilferecht allerdings herzlich wenig. Mit großer Hartnäckigkeit wurde darüber gestritten, ob und wie weit das deutsche EEG-Modell auf der Förder- sowie der Kostenwälzungsseite fortgesetzt werden kann oder – aus beihilferechtlichen Gründen – angepasst werden muss. Einer der neuralgischen Punkte in den Verhandlungen war dabei vor allem die Frage, wie weit die Entlastungen der stromintensiven Industrie von der EEG-Umlage in Form der Besonderen Ausgleichsregelung, die für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich sind, beibehalten werden dürfen.

Ergebnis des Vorstoßes der Kommission war zunächst, dass der deutsche Gesetzgeber den Förder- und Ausgleichsmechanismus durch das EEG 2014 umfassend überarbeitete (wir berichteten). Dabei gaben die Kommissionsleitlinien die wesentlichen Eckpunkte schon vor, an die sich die Bundesrepublik bei der Umsetzung – trotz aller beihilferechtlichen Vorbehalte – hielt. Ende 2014 schloss die Kommission dann auch das Beihilfeprüfverfahren mit der Feststellung ab, die Förderung, die Umlage der Förderkosten und die Teilbefreiung der stromintensiven Industrie von den Förderkosten stellten eine Beihilfe dar, die allerdings in weiten Teilen gerechtfertigt war.

Immerhin: Die Bundesregierung konnte mit dem EEG 2014 einen unmittelbaren radikalen Systemumbruch vorerst abwenden und eine schrittweise Überarbeitung des Fördermodells durchsetzen. Für die stromintensive Industrie wurde die Entlastung im Grundsatz beibehalten, wenngleich einige Branchen und Unternehmen schmerzhafte Einschnitte verzeichnen mussten. Soweit auf Basis des EEG 2012 Entlastungen über das nach Ansicht der Kommission zulässige Maß hinaus gewährt wurden, folgten im Nachgang zu der Abschlussentscheidung der Kommission Rückforderungen bei den Betroffenen (wir berichteten). Ob die Rückforderungen rechtmäßig sind, steht vielfach weiterhin im Streit und hängt natürlich auch von der beihilferechtlichen Einordnung der erhaltenen Entlastungen ab.

Worum es beim EuG ging

Trotz der Notwendigkeit, sich mit der Kommission in Bezug auf das EEG auf einen beihilferechtlich gangbaren Weg zu verständigen und das EEG entsprechend zu reformieren, wurde die Klärung einiger zentralen Grundsatzfragen während des politischen Diskurses zwischen Berlin und Brüssel zunächst vertagt: Handelt es sich bei dem deutschen Fördersystem des EEG nun tatsächlich um eine staatliche Beihilfe? Und muss sich der deutsche Gesetzgeber bei dessen Ausgestaltung deshalb überhaupt an die beihilferechtlichen Vorgaben der Kommission halten?

Die Bundesregierung verneinte diese Fragen stets, weil die Förderung der EEG-Anlagenbetreiber nicht aus staatlichen Mitteln, sondern über ein privatwirtschaftlich organisiertes Umlagesystem von den Letztverbrauchern finanziert wird. Dieses Modell wurde im Grundsatz – wie schon erwähnt – vom EuGH und der Kommission als beihilferechtlich unbedenklich eingestuft. Die Kommission sieht dies mit Blick auf die dezidierten Abwicklungsvorgaben des EEG und die darauf beruhenden regulatorischen Vorgaben nunmehr anders.

Konsequenterweise erhob die Bunderegierung sowohl gegen die Eröffnungs- als auch gegen die Abschlussentscheidung der Kommission Nichtigkeitsklage vor dem EuG. Während die Bundesregierung die Klage gegen den Eröffnungsbeschluss Mitte vergangenen Jahres nahezu unbemerkt zurückgenommen hatte, wurde über die Rechtmäßigkeit der Abschlussentscheidung am 21.1.2016 in mündlicher Verhandlung gestritten.

Ein Vierteljahr später liegt nun das Urteil des EuG vor, das folgende Kernaussagen enthält:

  • Der Beschluss der Kommission über den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens gegen das EEG 2012 ist rechtmäßig. Sowohl die Förderung der Betreiber regenerativer Erzeugungsanlagen als auch die Teilbefreiungen der Industrie sind als staatliche Beihilfe einzuordnen, die allerdings weitestgehend gerechtfertigt war.
  • Insbesondere die Teilbefreiung der Industrie beinhalten im Sinne des Unionsrechts einen Vorteil, da hierdurch eine Kostenlast verringert wird, die normalerweise für Letztverbraucher entsteht.
  • Das EuG sieht diesen Vorteil auch als aus staatlichen Mitteln gewährt an, da die Abwicklung des Belastungsausgleichs Ergebnis der vom deutschen Staat mit dem EEG 2012 verfolgten Politik der Unterstützung von Betreibern erneuerbarer Anlagen ist. Die durch die EEG-Umlage vereinnahmten Gelder werden zwar von den Übertragungsnetzbetreibern verwaltet, bleiben aber unter dem beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand und stellen einer Abgabe vergleichbare Mittel dar. Aufgrund der Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber bei der Abwicklung des Belastungsausgleichs kommt das EuG zu dem Schluss, dass diese insoweit nur als Verwalter staatlicher Mittel fungieren und damit wie eine Einrichtung anzusehen sind, die staatliche Konzessionen in Anspruch nimmt.
  • Durch die dezidierten Vorgaben unterscheidet sich das EEG 2012 auch von Vorgängergesetzen, die auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung nicht als Beihilfe angesehen wurden, weil die dabei verwendeten Mittel nicht unter staatlicher Kontrolle standen.

Wie es weiter geht

Die Entscheidung des EuG verschafft Wirtschaft und Politik etwas mehr Rechtssicherheit, unter welchen Voraussetzungen der Anwendungsbereich des Beihilferechts eröffnet ist und wie weit sich die Kommission unter beihilferechtlichem Blickwinkel bei der Förderung regenerativer Energien in die nationale Umsetzung einbringen darf.

Trotzdem könnte die letzte Messe zur beihilferechtlichen Einordnung des EEG (2012) eventuell noch nicht gesungen sein. Möglich ist vielmehr, dass die Bundesregierung die Entscheidung des EuG vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angreifen wird, um abschließende Klarheit in der Sache zu erlangen.

Bis dahin wird sich der deutsche Gesetzgeber bei der Gestaltung und allen Überarbeitungen des EEG auch weiterhin eng mit der Kommission abstimmen müssen – beihilferechtliche Einordnung hin oder her. Inwieweit die dadurch geschaffenen Tatsachen dann auch auf einer legitimen beihilferechtlichen Basis beruht haben, wird sich leider erst nachträglich klären. Bis dahin gilt für die Branche also das eiserne Gesetz des Faktischen.

Wir werden Sie natürlich weiter informieren…

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Martin Altrock/Jens Vollprecht/Dr. Markus Kachel/Dr. Tigran Heymann

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