EU-Kommission widerspricht BNetzA bei Zertifizierung des Übertragungsnetzbetreibers TenneT

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Der Bundesnetzagentur (BNetzA) droht im Streit um die Zertifizierung des deutsch-niederländischen Übertragungsnetzbetreibers Tennet TSO GmbH ein Konflikt mit der Europäischen Kommission. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) weist die Kommission das Vorhaben der BNetzA zurück, TenneT wegen fehlender Finanzmittel nicht mehr für den Netzbetrieb zuzulassen.

TenneT TSO ist eine deutsche Tochter des niederländischen Stromnetzbetreibers TenneT und betreibt in Deutschland ein Höchstspannungsnetz mit einer Gesamtlänge von 10.000 Kilometern. Die Übertragungsnetze sind vorwiegend in den Bundesländern Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie in Teilen Nordrhein-Westfalens zu finden. Das Unternehmen nimmt daher eine Schlüsselstellung bei der Umsetzung der Energiewende ein: Es ist verantwortlich für die Anbindung von Offshore-Windparks in der Nordsee an das Übertragungsnetz und für den Abtransport des Stroms in Richtung der Verbrauchszentren in Süddeutschland.

TenneT wird ein großer Teil der Verantwortung dafür zugeschrieben, dass der Ausbau der Offshore-Windkraft nicht wie geplant voranschreitet. Nach Unternehmensangaben sind neben den bereits investierten 5,5 Milliarden Euro weitere 15 Milliarden Euro nötig, um die Netzanbindung der Windparks mit dem Festland herzustellen. TenneT sieht sich außerstande, diesen Betrag aufzubringen. Deshalb drängten die norddeutschen Küstenländer bereits darauf, dass die staatliche Förderbank KfW bei der Finanzierung einspringt. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi)  hat diesen Schritt bislang abgelehnt.

Der Investitionsrückstand hat auch die BNetzA auf den Plan gerufen: Im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens nach § 4a EnWG hat die Behörde zu prüfen, ob Betreiber eines Transportnetzes die gesetzlichen Entflechtungs- und Organisationsvorgaben erfüllen. Geprüft wird auch, wie das Unternehmen finanziell ausgestattet ist. Die Zertifizierung kann an die Auflage geknüpft werden, dass das Unternehmen nachweist, nachhaltig wirtschaftlich leistungs- und investitionsfähig zu sein. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung, dass diese Auflage vor allem in Betracht kommt, wenn ein Netzbetreiber Anlass zu Zweifeln im Hinblick auf die erforderliche Finanzausstattung gibt.

Die BNetzA teilte am 10. Juli 2012, sie beabsichtige TenneT die Zertifizierung zu verweigern, da das Unternehmen nicht die erforderlichen Nachweise über die notwendigen finanziellen Mittel zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Netzbetriebs- und Netzausbaupflichten erbracht habe. Einen entsprechenden Entscheidungsentwurf hat die BNetzA der Kommission zur Stellungnahme übersandt.

Die Kommission scheint die Bedenken der BNetzA aber nicht zu teilen. In der Stellungnahme der Kommission, aus der die FAZ zitiert, heißt es, eine Verweigerung der Zertifizierung lasse sich „nicht mit den Bestimmungen der Stromrichtlinie rechtfertigen“. Die Kommission fordere daher die BNetzA auf, die Sache erneut zu überprüfen.

Die Regulierungsbehörde hat nun zwei Monate Zeit, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Dabei hat sie die Stellungnahme der Kommission „so weit wie möglich“ zu berücksichtigen (§ 4a Abs. 6 Satz 2 EnWG). Eine Lösung könnte sein, dass die BNetzA die Zertifizierung mit Auflagen verbindet. Schon in ihrer Mitteilung vom 10. Juli 2012 deutete die Behörde dies an. TenneT habe im weiteren Verfahrensverlauf noch die Möglichkeit, die nötige finanzielle Leistungsfähigkeit nachzuweisen, so Jochen Homann, Präsident der BNetzA.

Abzuwarten bleibt auch, ob und inwieweit die Diskussion um die Zertifizierung das Missbrauchsverfahren gegen TenneT  beeinflussen wird. Wegen fehlender Anbindung des Nordsee-Windparks „Deutsche Bucht“ hat das Unternehmen Windreich im August 2012 einen Antrag auf Einleitung eines Missbrauchsverfahrens gestellt. Nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung am 12. September 2012 zeichnet sich auch hier eine salomonische Lösung ab. Danach soll Strom aus Anlagen, die 2016 fertig gestellt werden, vorübergehend über nicht voll ausgelastete Leitungen abtransportiert werden, die bereits 2013 in Betrieb gehen werden.

Insgesamt führen Verfahren wie dieses dazu, dass im Rahmen der dringend notwendigen Planung zu Systemintegration auch der Ruf nach einer nationalen Netzgesellschaft im Übertragungsnetzbereich wieder lauter erklingen wird. Solche Gedanken gab es insbesondere in 2009 und 2010 mit diversen gutachterlichen Stellungnahmen pro und contra auch im Auftrag der deutschen BNetzA.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet

Ansprechpartner Regulierung: Prof. Dr. Christian Theobald/Prof. Dr. Ines Zenke/u.a.

 

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