EU-Kommission will alle Zulassungen für große Verbrennungsanlagen überprüfen lassen

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Die Kommission will bis Mitte 2021 strengere EU-weite Standards für große Verbrennungsanlagen durchsetzen. Vor diesem Hintergrund hat sie am 31.3.2017 einen Durchführungsbeschluss veröffentlicht, in dem sie die Mitgliedstaaten auffordert, alle Zulassungen für große Verbrennungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu überprüfen.

Große Verbrennungsanlagen, auch Großfeuerungsanlagen (Large Combustion Plants) genannt, sind Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von mehr als 50 MW. Dazu gehören insbesondere Elektrizitätswerke und Heizwerke. Diese EU-weit circa 3.500 Anlagen sind für etwa ein Drittel der industriellen Luftverschmutzung aller Mitgliedstaaten verantwortlich. Der Kommission zufolge tragen diese Anlagen dazu bei, dass mehr als 30 Prozent der Bevölkerung der EU-Mitgliedstaaten erhöhten Luftverschmutzungswerten (nach EU-Standard) ausgesetzt sind: Sie verursachen 46 Prozent der Schwefeldioxid-, 40 Prozent der Quecksilber-, 18 Prozent der Stickoxid- und 4 Prozent der Teilchenemissionen. Dies führe zu 400.000 vorzeitigen Todesfällen jährlich. Hier will die Kommission nun andere Saiten aufziehen. In den nächsten vier Jahren sollen die Mitgliedstaaten nun die Genehmigungen aller Großfeuerungsanlagen überprüfen und gegebenenfalls neue, strengere Vorgaben durchsetzen.

Rechtlicher Hintergrund dieser Prüfungspflicht ist die Richtlinie über die Schadstoffemissionen von Industrieanlagen (IED 2010/75/EU). Die fordert, die Grenzwerte von Schadstoffen (SO2, NOX, Quecksilber und Mikropartikel) alle acht Jahre an die Entwicklung der neuesten Technologie anzupassen. Betriebsgenehmigungen für Großfeuerungsanlagen wie thermische Kraftwerke oder KWK-Anlagen dürfen dann nur noch verlängert werden, wenn diese höheren Anforderungen gerecht werden, die sich an den zehn Prozent vergleichbarer Anlagen mit den niedrigsten Schadstoffemissionen (best available technique, BAT) orientieren. Beruhend auf dieser direkt aus der IED resultierenden Vorgabe müssten 2021 alle 3.500 Anlagen diesen neuesten Standards entsprechen, soweit nicht Ausnahmen oder Übergangsvorschriften Abweichungen rechtfertigen oder aber ein eklatantes Missverhältnis zwischen Nachrüstungsaufwand und Kosten besteht.

Die Betreiber der rund 600 betroffenen Anlagen in der Bundesrepublik müssen daher nun den Status Quo ihrer Technik kritisch hinterfragen. Sofern Grund zur Annahme besteht, dass die Anlage den neuen Ansprüchen der IED nicht mehr gerecht wird, sollten sie auf keinen Fall den Kopf in den Sand stecken, sondern aktiv prüfen, ob ein Ausnahmetatbestand greift, der dem Unternehmen mehr Zeit verschafft. Klar ist jedenfalls: Der Anlagenpark in Deutschland und Europa wird in den nächsten vier Jahren einen ernsthaften Modernisierungsschub durchlaufen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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