EuGH verpasst «Adword»-Werbung mit Konkurrenzmarken Dämpfer

Auch Energieversorger haben darunter zu leiden, dass Wettbewerber ihre Marken als „Adword“ nutzen und so deren Bekanntheit als Werbung für ihre Internet-Seite ausbeuten. Jetzt hat der EuGH seine Rechtsprechung zu der Zulässigkeit solcher Praktiken in einem neuen Urteil konkretisiert:

Danach darf ein Wettbewerber eine bekannte Marke als «Adword» nutzen, wenn das von ihm beworbene Produkt eine Alternative und keine schlichte Nachahmung des Produktes darstellt und die Marke dadurch weder verwässert, verunglimpft oder in sonstiger Weise die Markenfunktion beeinträchtigt.

In dem entschiedenen Fall war die Klägerin die britische Lizenznehmerin der Interflora Inc., die ein weltweites Blumenliefernetzwerk betreibt. Sie ist Inhaberin der nationalen Marke und der Gemeinschaftsmarke INTERFLORA. Beklagte war das britische Einzelhandelsunternehmen Marks & Spencer, welches ebenfalls den Verkauf und die Lieferung von Blumen anbietet. Diese ließ bei dem Suchmaschinenbetreiber Google im Rahmen des Referenzdienstes «Adword» unter anderem die Worte „Interflora“, „Interflora Flowers“, „Interflora.com“ und andere Wortkombinationen mit Interflora hinterlegen. Infolgedessen erschien bei der Eingabe dieser Begriffe in die Suchmaschine eine Anzeige der Beklagten für deren Produkte.

Interflora wandte sich gegen die Nutzung ihrer Marke ohne ihre Zustimmung und berief sich vor allem auf ihre Markenrechte. Der High Court of Justice legte den Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vor. Der entschied, dass der Markenrechtsinhaber die Nutzung einer fremden Marke als «Adword» nur dann verbieten kann, wenn wenigstens eine von mehreren Funktionen der Marke beeinträchtigt ist. Als solche kommt neben der herkunftshinweisenden Funktion insbesondere die Werbe- und Investitionsfunktion in Betracht.

Die herkunftshinweisende Funktion ist dann beeinträchtigt, wenn nach Eingabe eines Suchbegriffes ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer annehmen muss, dass die Anzeige und der mit dieser beworbenen Ware oder Dienstleistung von dem tatsächlichen Markeninhaber oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammt. Insofern bedarf es konkreter Anhaltspunkte, die eine Verwechslungsgefahr der Mitbewerber begründen können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, ob der Internetnutzer aufgrund seiner allgemeinen Marktkenntnisse von einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen den Mitbewerbern ausgehen könne.

Ausgeschlossen ist dagegen eine Beeinträchtigung der Werbefunktion einer Marke durch die Hinterlegung von «Adwords». Denn die Nutzung der eigenen Marke durch Dritte im Rahmen des «Adword»-Referenzdienstes führe nicht dazu, dass dem Markenrechtsinhaber die Möglichkeit genommen werde, mit der Marke selbst für ihre Produkte zu werben.

Erstmalig prüft der EuGH in der Entscheidung die Verletzung der Investitionsfunktion einer Marke. Diese umfasst den Schutz der Investitionen des Markenrechtsinhabers, die er in den Aufbau einer Marke und die Etablierung eines guten Rufs investiert hat. Eine Beeinträchtigung der Investitionsfunktion wird dabei angenommen, wenn ein Mitbewerber eine Marke oder ein ähnliches Zeichen benutzt und hierdurch der Aufbau oder die Aufrechterhaltung eines „guten Rufs“ wesentlich erschwert wird. Keine Beeinträchtigung läge hingegen vor, wenn der Markenrechtsinhaber lediglich seine Anstrengungen anpassen müsse und die Nutzung von «Adwords» Ausdruck eines fairen Wettbewerbs sei.

Unzulässig ist allerdings die Verwässerung, also die Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft einer Marke. Darüber hinaus kann die Hinterlegung von «Adwords» als so genanntes „Trittbrettfahren“ unzulässig sein, wenn die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung einer Marke ohne rechtfertigenden Grund ausgenutzt wird. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Mitbewerber lediglich Nachahmungen und nicht eine Alternative des Markeninhabers anbietet.

Ob im konkreten Fall eine unzulässige Beeinträchtigung vorliegt, hat nunmehr der High Court of Justice festzustellen.

Damit dürfte die zum Leidwesen mancher großer und bekannter Energieversorger derzeit zunehmend um sich greifende Ausbreitung von Marken-Adwords durch Mitbewerber einen erheblichen Dämpfer erhalten haben. Während wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus Rufschädigung, Kundenfang gezielter Behinderung ohnehin schon regelmäßig von deutschen Gerichten nicht anerkannt werden, konnte eine Untersagung wegen Verwechslungsgefahr (§§ 4, 14 bzw. 5, 15 MarkenG) nur ausnahmsweise dann angenommen werden, wenn beim Verkehr eine so genannte Zuordnungsverwirrung über die Herkunft der beworbenen Waren oder Dienstleistungen nachweisbar war. Neu ist, dass neben dieser so genannten Herkunftsfunktion auch noch weitere relevante Funktionen eine markenrechtliche Beeinträchtigung und damit Abwehransprüche der betroffenen Markeninhaber auszulösen vermögen. Dies ist richtig, da der Marke nicht nur eine reine unternehmensbezogene Unterscheidungskraft zukommt, sondern stets auch Ausdruck eines intensiven Werbeaufwandes ist und der Bewahrung des guten Rufs dient. Indem unter der Adword-Werbung in der Regel Produkt-Alternativen zu dem von der Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, ist es folgerichtig, nicht bereits die Beeinträchtigung dieser Werbefunktion als ausreichend anzusehen. Ein Verbot ist aber regelmäßig gerechtfertigt, wenn es dem Markeninhaber wesentlich erschwert wird, seine Marke zum Erwerb oder zur Wahrung seines Rufs einzusetzen, um Verbraucher zu binden.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger/Nils Langeloh

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