FAQs zur Energie- und Finanzmarktregulierung (REMIT, EMIR & Co)

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REMIT, MiFID, EMIR & Co. – bei so viel Abkürzungen kann man leicht den Überblick verlieren. Doch nicht nur die Namen dieser Regelwerke, auch ihr Inhalt ist schwer zu überschauen. Sie enthalten eine Menge an einschneidenden neuen Regelungen, Anforderungen und Pflichten, die zum Teil schon 2013 „scharf geschaltet“ werden. Um ein bisschen mehr Licht ins Dunkel zu bringen, wollen wir mit dieser Serie die am häufigsten gestellten Fragen beantworten und den Betroffenen helfen, einen klaren Kopf zu behalten und sich auf die Vorgaben einzustellen.

Heute: Häufig gestellte Fragen zur REMIT

Nr. 1: Ist die REMIT eigentlich Teil der Finanzmarktregulierung?

Schwierige Frage. Das kann man so oder so sehen. Zunächst einmal will die REMIT – wie der Name „Regulation on wholesale Energy Market Integrity and Transparency” (Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarktes) schon sagt – die Marktintegrität schützen und die Transparenz im Energiesektor verbessern. Sie ist damit Teil der Energiemarktregulierung. Gleichzeitig erfüllt sie die gleiche Aufgabe wie die Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD – Market Abuse Directive) für den Finanzhandel, indem sie Vorschriften zum Insiderverbot und zur Marktmanipulation enthält, allerdings spezialisiert für den Energiecommoditybereich. Die REMIT kann damit sowohl der Energiemarktregulierung als auch der Finanzmarktregulierung zugeordnet werden.

Nr. 2: Als kleines Stadtwerk falle ich doch nicht unter die REMIT, oder?

Doch. Von der REMIT sind alle Teilnehmer am Energiegroßhandelsmarkt erfasst, also jeder, der mit sogenannten Energiegroßhandelsprodukten auf dem Strom- und Gasmarkt handelt. Dazu gehören auch alle Strom- und Gaslieferverträge inklusive Vollversorgungsverträge. Auf die Größe der Teilnehmer kommt es nicht an. Davon gibt es nur eine Ausnahme für Verbraucher (siehe Nr. 3) und sehr kleine Stromerzeuger.

Nr. 3: Ich kaufe nur, bin ich damit raus?

Nicht automatisch. Ein reiner Verbraucher von Energie ist kein klassischer Großmarktteilnehmer, daher sollen die REMIT-Regeln für diese auch nicht gelten. Größere Verbraucher haben aber Gewicht im Großhandelsmarkt und werden daher dann doch als Großmarktteilnehmer betrachtet. Im Ergebnis werden daher Endverbraucher mit einer Verbauchskapazität von weniger als 600 GWh pro Jahr von der REMIT ausgenommen.

Die 600-GWh-Grenze meint die maximal mögliche Menge an Strom oder Gas, die die Anlagen theoretisch verbrauchen können. Dabei zählt die Grenze getrennt für beide Medien: Wenn ein Unternehmen zum Beispiel 400 GWh Strom und 300 GWh Gas verbraucht, bringt es dies nicht über die Grenze. Und es gelten alle Unternehmensteile innerhalb einer Preiszone zusammen.

Nr. 4: Ich liefere einem Industrieunternehmen nur 200 GWh im Jahr. Das muss ich also nicht melden?

Auch hier kommt es darauf an, ob der Industriekunde als Großverbraucher im Sinne der REMIT gilt, also insgesamt mehr als 600 GWh Strom oder Gas in einem Jahr verbrauchen kann. Als Lieferant darf man leider nicht nur auf das einzelne Lieferverhältnis oder gar das einzelne Liefergeschäft achten.

Nr. 5: Woher weiß ich, ob mein Industriekunde über 600 GWh im Jahr kommen kann?

Im Zweifel gar nicht, es sei denn Sie liefern selbst schon mehr. An dieser Stelle müssen Sie selbst aktiv werden und Ihren Industriekunden – zum Beispiel mit einem kleinen Brief für die spätere Nachweisbarkeit – fragen. Und sobald das Register existiert, in dem alle Großmarktteilnehmer gelistet werden sollen, sollte es sich daraus ergeben. Allerdings kann es immer sein, dass ein Industriekunde, der gerade so an der Grenze ist, dies nicht selbst im Blick hat. Eine gute Gelegenheit für einen partnerschaftlichen Tipp durch den Versorger.

Nr. 6: Gelten auch meine Handelspläne und Strategien als Insiderinformationen?

Nein. Was als Insiderinformation gilt, gibt die REMIT vor. Nach deren Definition handelt es sich bei der Insiderinformation um

  • eine präzise Information, die
  • nicht öffentlich bekannt ist,
  • direkt oder indirekt ein oder mehrere Energiegroßhandelsprodukte betrifft und
  • wahrscheinlich die Preise dieser Energiegroßhandelsprodukte erheblich beeinflussen kann.

ACER, die europäische Energieaufsichtsbehörde, versteht darunter alle Umstände, die zu einer erheblichen Beeinflussung der Strom- oder Gaspreise führen können, dass heißt etwa die Kenntnis über installierte Erzeugungskapazitäten, Fahrplan- oder Verbrauchsänderungen, über geplante oder ungeplante Ausfälle, Begrenzungen oder Erweiterungen von Produktions- oder Speicheranlagen. Als Beispiel führt ACER für den Strombereich an, dass dies anzunehmen ist, wenn es sich um eine Erzeugungs- oder Verbrauchsanlage mit mehr als 100 MW elektrischer Bruttoleistung handelt.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Handelspläne und/oder Strategien der Marktteilnehmer, zum Beispiel eine Exitstrategie oder Zeitkorridore für den Energiehandel, nicht als Insiderinformation gelten.

Nr. 7: Wie schnell muss ich eine Insiderinformation bekannt geben?

Wenn es nach ACER geht, sollen Insiderinformationen gleichzeitig, vollständig und wirksam („simultaneous, complete and effective“) bekannt gemacht werden. Zeitlich will ACER das so verstanden wissen, dass die Meldung grundsätzlich innerhalb einer Stunde erfolgen soll. Außerdem sollen diese in kurzer Form alle relevanten Informationen – also „kurz und knackig“ – enthalten sein. Hierzu hat ACER jeweils für Strom- und Gasmeldungen ein Beispieltemplate bereitgestellt.

Nr. 8: Darf ich erstmal mein Kraftwerk retten vor der Meldung?

Ja, jedenfalls dann, wenn dies durch eine Ausnahme gedeckt ist. Grundsätzlich soll zwar eine Bekanntgabe von Insiderinformationen „rechtzeitig“ erfolgen, also innerhalb einer Stunde. Aber die REMIT selbst sieht Ausnahmen vom Gebot der sofortigen Veröffentlichung von Insiderinformationen vor:

So ist es einem Marktteilnehmer nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 REMIT erlaubt, die Bekanntgabe zu verzögern, „wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden könnte, sofern diese Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen, und der Marktteilnehmer in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten und er auf der Grundlage dieser Informationen keine den Handel mit Energiegroßhandelsprodukten betreffenden Entscheidungen trifft.“

Gemeint ist damit, dass Notfallrettungsmaßnahmen in Ihrem Kraftwerk natürlich vorgehen. Drastisch gesprochen: Es hat ja niemand etwas davon, wenn zwar eine Meldung rechtzeitig abgeht, dafür aber ein Kessel explodiert.

Nr. 9: Darf ich mich eindecken, bevor der Markt meine missliche Situation ausnutzt?

Wegen dieser Gefahr gab es lange Diskussionen beim REMIT-Gesetzgebungsprozess. Einige Marktteilnehmer befürchteten, dass ihre Handelspartner eine Notlage ausnutzen könnten. Denn wenn jeder im Markt weiß, dass man ein Kraftwerk verliert und daher entsprechende Mengen nachkaufen muss, dann kann man ja einfach das Doppelte verlangen. Und die REMIT würde einen zu diesem Verhalten zwingen, da sie verbietet, vor der Meldung Geschäfte zu machen. Um diesen Befürchtungen entgegenzukommen, sieht die REMIT eine Ausnahme vor: Grundsätzlich dürfen Sie bei einem Kraftwerksausfall die ausfallende Menge an Strom oder Gas physisch erwerben – soweit es keine andere Alternative gibt, Art. 3 Abs. 4 lit. b REMIT. Danach gilt nämlich das Verbot zur Nutzung von Insiderinformationen nicht für „Transaktionen von Stromerzeugern oder Erdgasproduzenten, Betreibern von Erdgasspeicheranlagen oder Betreibern von Flüssiggaseinfuhranlagen, die ausschließlich der Deckung direkter physischer Verluste infolge unvorhergesehener Ausfälle dienen, wenn die Marktteilnehmer andernfalls nicht in der Lage wären, die geltenden Vertragsverpflichtungen zu erfüllen, oder wenn dies im Einvernehmen mit dem/den betroffenen Übertragungs-/Fernleitungsnetzbetreiber(n) erfolgt, um den sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten.“

Da man diese Ausnahme politisch allerdings eher eng verstehen wollte, setzt sich in so einigen Unternehmen mehr und mehr die Linie durch, alles immer sofort zu melden, also erst den entsprechenden Ausfall zu melden und dann das erforderliche „Wiedereindeckungsgeschäft“ zu schließen.

Nr. 10: Ist die sog. „Selbstanzeige“ gefährlich für mich?

Nein, und sie ist auch falsch bezeichnet. Als „Selbstanzeige“ wird manchmal die Information bezeichnet, die man dann, wenn man die Ausnahmen aus den Fragen Nr. 8 und 9 genutzt hat, gegenüber ACER zu machen hat. Für diesen Zweck hat ACER ein Formular bereitgestellt. Dies ist aber nur ein regulärer Teil des Prozesses zur Meldung von Insiderinformationen in besonders gelagerten Fällen. Es indiziert also gerade nicht, dass man etwas falsch gemacht hat, sondern nur dass man von den vorgesehenen Ausnahmen Gebrauch gemacht hat. Soweit dieses Formular in der vorgegebenen Form und mit den notwendigen Erläuterungen ausgefüllt wird, machen Sie als Marktteilnehmer alles richtig und Ihnen drohen auch keine Sanktionen.

Nr. 11: Wie muss ich Insiderinformationen bekannt machen?

Aus Sicht der ACER kann eine Veröffentlichung von Insiderinformationen über bestehende Plattformen (zum Beispiel EEX-Transparenzplattform) oder über die eigene Website erfolgen (insbesondere wenn keine Plattform vorhanden ist). Soweit eine Meldung über die eigene Website erfolgt, schlägt ACER vor, dass dies aus Transparenzgründen in der jeweiligen Landessprache und Englisch oder nur in Englisch erfolgt.

Nr. 12: Ab wann muss ich mein Meldewesen fertig haben?

Das steht noch nicht fest. Bevor die Meldepflichten „scharf“ sind, bedarf es noch der Konkretisierung in sogenannten Durchführungsrechtsakten durch die Europäische Kommission. Und erst sechs Monate, nachdem diese Einzelheiten festgelegt worden sind, gelten die Meldepflichten. Dies wird nach derzeitigem Stand für Frühjahr 2014 erwartet.

Nr. 13: Muss ich alles selbst machen?

Nein. ACER selbst schlägt eine „vereinfachte“ Meldung vor, indem zum Beispiel die organisierten Handelsplattformen, über die Transaktionen laufen, die Meldung übernehmen (als sogenannte „Registered Reporting Mechanisms“) oder die physischen Informationen über bestehende Transparenzplattformen (sogenannte „Regulated Information Services“) gemeldet werden. Außerdem werden wahrscheinlich manche Marktpartner die Meldungen für ihre Partner mit übernehmen oder sich als Dienstleister dafür anbieten.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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