Gefährdet der Bundesrat die Zuteilung für Anlagenbetreiber in Deutschland?

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Die Länder scheinen sich bei der Verabschiedung des neuen Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) querlegen zu wollen. Eine Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens könnte aber die Anlagenbetreiber in Deutschland in die Bredouille bringen: Im Extremfall kann sie das die Zuteilung kosten.

Am 9.6.2011 hat der Bundestag in dritter Lesung eine Neufassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) beschlossen, die die dritte Handelsperiode des Emissionshandels vorbereiten soll. Jetzt zeichnet sich ab, dass der Bundesrat mit den vorgesehenen Änderungen nicht glücklich ist.

Zum einen: Die Länder wollen an den Einnahmen des Bundes aus der Versteigerung der Emissionsberechtigung „angemessen beteiligt“ werden. Hier geht es um keine geringen Summen: Ab 2013 wird der Löwenanteil der überhaupt ausgegebenen Emissionsberechtigungen versteigert und nicht mehr zugeteilt. Man erwartet jährlich Milliardenerlöse (2012: ca. 0,5 Mrd. Euro, 2013 bis 2015: ca. 1,1 Mrd. Euro p.a.).  Nach dem Beschluss des Bundestages wandert dieser Schatz in ein neu geschaffenes Sondervermögen des Bundes, den „Energie- und Klimafonds“. Die Länder hätten keinen Zugriff auf dieses Geld. Dies nun weckt Unzufriedenheit: Die Länder möchten selbst an diese Mittel, um eigene Vermeidungsprojekte und Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen.

Zum anderen geht es um die Kompensation von Mindereinnahmen. Denn die Länder erhalten weniger Steuern, wenn die ansässigen Unternehmen weniger Gewinne erwirtschaften, weil sie Zertifikate kaufen müssen, statt Zuteilungen zu erhalten. Für dieses Loch in der Kasse will der Bundesrat einen finanziellen Ausgleich.

Ist der Bundesrat mit einem beschlossenen Gesetz unzufrieden, so räumt ihm Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht ein, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dieser aus 16 Mitgliedern des Deutschen Bundestages und 16 Mitgliedern des Bundesrates gebildete Ausschuss versucht dann Lösungen zu finden, die für beide Seiten tragbar sind.

Die Einschaltung des Vermittlungsausschusses bedeutet aber zwangsläufig eine erhebliche Verzögerung des Inkrafttreten des Gesetzes, auch wenn – wie hier – nicht das ganze TEHG, sondern nur einzelne Regelungen in Frage gestellt werden sollen (außer den Finanzverteilungsregeln könnte es noch um die Befugnis der Länder, die Monitoring-Berichte zu prüfen, gehen). Vermittlungsverfahren können sich bisweilen sehr in die Länge ziehen, gerade wenn die Kontrahenten sich nicht einig werden. Kommt es tatsächlich zu einer Anrufung des Vermittlungsausschusses, so tritt das TEHG auf keinen Fall vor dem Herbst in Kraft. Noch später könnte es schließlich werden, wenn sich erweist, dass der Bundesrat wirklich hätte zustimmen müssen.

Panikszenario

Dieses Szenario aber versetzt Anlagenbetreiber in Sorge. Dem deutschen Gesetzgeber steht es nämlich nicht frei, wie lange er für die Neufassung des TEHG braucht. Das TEHG ist notwendige Voraussetzung für die Zuteilungsregeln für die Zeit ab 2013. Diese müssen wiederum vor Beginn der Antragsfrist für das Zuteilungsverfahren in Kraft treten, an dessen Ende die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) die einzelnen Zuteilungen für die Anlagen berechnet.

Für diese Berechnung gibt es eine Frist: Bis zum 30.9.2011 will die Europäische Kommission von den Mitgliedstaaten – also auch von der Bundesrepublik Deutschland – eine Liste sehen, auf der die einzelnen Zuteilungen verzeichnet sind. Diese Liste ist Grundlage der Berechnung der EU-weit einheitlichen anteiligen Kürzung.

Nun ist die Frist bis zum 30.9.2011, angesichts der gesetzlich angeordneten Frist von drei Monaten, zwischen Inkrafttreten der Zuteilungsregeln und der Beantragung von Emissionsberechtigungen für die Anlagenbetreiber ohnehin nicht mehr realistisch. Anlagenbetreiber fürchten aber, dass es den Deutschen zum Nachteil gereicht, wenn sie nicht einige Wochen zu spät, sondern Monate nach allen anderen ihre Zuteilungen melden. Was dann passieren kann, geht aus den europäischen Regelungen nicht so klar hervor. Pessimisten befürchten, dass die EU-Kommission ein Exempel statuieren wird, um ihren Fristen künftig mehr Nachdruck zu verleihen. Zwar gilt es als unwahrscheinlich, dass die deutschen Anlagenbetreiber – mangels Meldung – keine Zuteilung erhalten. Ein Restrisiko, dass es zum Zuteilungsausfall kommt, ist aber nicht ganz auszuschließen.

Dies aber wäre der Super-GAU der deutschen Industrie- und Klimapolitik. Ein solches Scheitern, der ohnehin ambitionierten Vorbereitung auf die nächste Handelsperiode, muss auf jeden Fall vermieden werden. Das monatelange Hin und Her um das neue TEHG hat die Unternehmen ohnehin stark verunsichert. Und selbst wenn die Europäische Kommission auf die Deutschen wartet, wäre dies mit dem Nachteil einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens und der Zuteilung selbst verbunden. Unternehmen müssten also noch länger auf Sicherheit über ihre Ausstattung in der dritten Handelsperiode des Emissionshandels warten.

Nun richten sich alle Hoffnungen auf das übliche Treffen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder am Vorabend der Plenarsitzung des Bundesrats am 8.7.2011. Werden Bund und Länder sich hier nicht einig, so ist es gut möglich, dass an diesem Tag – dem letzten vor der parlamentarischen Sommerpause – die Entscheidung fällt, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Die Anlagenbetreiber sehen einer solchen Entscheidung mit Sorge entgegen. Hier ist man sich einig: Bloß kein langes Vermittlungsverfahren mit dem Risiko, die von der Kommission gesetzten Fristen weit zu überschreiten.

Ansprechpartner:Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

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