Gelockerte Ketten für sächsische kommunale Energieversorger

(c) BBH
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Sächsische Gemeinden können künftig leichter auch außerhalb ihres Gemeindegebietes Strom, Gas und Wärme  anbieten. Das bewirkt eine kleine und daher auf den ersten Blick unscheinbare Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO), die mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2015/2016 vom 29.4.2015 (SächsGVBl. S.349) eingefügt wurde. § 94a SächsGemO erhält einen neuen Abs. 5, wonach die wirtschaftliche Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung einem öffentlichen Zweck dient und damit zulässig ist, wenn sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht.

Diese Änderung ist längst überfällig. Trotz umfangreicher Änderungen der SächsGemO im Jahr 2014 (wir berichteten) wurde anders als in anderen Bundesländern die energiewirtschaftliche Betätigung nicht privilegiert. Dies benachteiligte die sächsischen Kommunen bzw. sächsischen kommunalen Energieversorger. Insofern wird in der Gesetzesbegründung zutreffend erkannt, dass im Bereich der Energieversorgung die kommunalen sächsischen Unternehmen in Folge der Marktliberalisierung einerseits im Wettbewerb mit teilweise global agierenden privatrechtlichen Konzernen stehen und anderseits aber auch mit den kommunalen Unternehmen der anderen Bundesländer, die weniger strengen Vorgaben als denen der SächsGemO unterliegen.

Durch den neuen § 94a Abs. 5 SächsGemO wird für den Bereich der energiewirtschaftlichen Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets die sogenannte Schrankentrias des § 94a Abs. 1 S. 1 SächsGemO gelockert. Im Bereich der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung wird ein öffentlicher Zweck gesetzlich fingiert. Zudem wird die Bindung an den örtlichen Bedarf, das heißt die Ausrichtung der Kapazität des Unternehmers an der Einwohnerzahl der Gemeinde, aufgehoben. Entscheidend ist insoweit nur noch die Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Das Subsidiaritätsgebot des § 94a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SächsGemO entfällt mit der Folge, dass eine Betätigung der Gemeinde unabhängig davon zulässig ist, ob der Zweck der Energieversorgung durch private Dritte besser und wirtschaftlicher erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Ausweislich der Gesetzesbegründung (LT-Drs.6/1235, S. 24 f.) orientiert sich dieser neue Abs. 5 an dem durch andere Länderregelungen gesetzten rechtlichen Rahmen und soll die Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen kommunalen Unternehmen stärken.

Die Ausnahmevorschrift des § 94a Abs. 5 SächsGemO gilt nach ihrem Wortlaut zunächst für eine Betätigung „außerhalb des Gemeindegebiets“. Gleichwohl kann für eine energiewirtschaftliche Betätigung „innerhalb des Gemeindegebiets“ nichts anderes gelten. Erst recht ist hierin ein öffentlicher Zweck zu sehen. Auch die weiteren Erleichterungen „außerhalb des Gemeindegebiets“ sollten für eine Betätigung innerhalb des Gemeindegebiets Anwendung finden: Sonst wäre die Erleichterung „außerhalb des Gemeindegebiets“ zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit konterkariert. Dies im Gesetz (beispielsweise in § 94a Abs. 1 SächsGemO) entsprechend klar zu stellen, wäre insofern hilfreich gewesen. Hier wird sich in Zukunft zusätzlich die Frage stellen, ob in Fällen, wo zwar die Subsidiaritätsklausel nicht einzuhalten ist, dennoch ein „Branchendialog“ nach § 94a Abs. 1 S. 2 SächsGemO (Gelegenheit zur Stellungnahme für die jeweiligen wirtschafts- und berufsständischen Kammern der betroffenen Wirtschaftskreise) durchzuführen ist, was wenig zielführend erschiene.

Ansprechpartner: Wolfram von Blumenthal

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