Gerade mal zehn Jahre …

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Erinnern Sie sich an die Zeit vor zehn Jahren? Wir hatten Klapphandys, BlackBerrys waren fortschrittliche Smartphones, der Toyota Prius wurde Auto des Jahres, Brokeback Mountain war der Film des Jahres. Und der Energiehandel brummte und brachte den Unternehmen, die sich rechtzeitig positioniert hatten, schöne Gewinne. Es war eine Zeit, in der Investitionen in große fossile Kraftwerke noch rentabel waren, in der man Lehman Brothers ohne das Wort „Krise“ sagen konnte und in der die größte Sorge war, ob der Energiehandel vielleicht unter verstärkte Finanzaufsicht kommen sollte.

Wenn man die zehn Jahre vorspult, wird der Markt für Mobiltelefone von Android und iOS übernommen, Apple löst ExxonMobil als wertvollstes Unternehmen ab, die Finanzkrise löst eine Rezession aus, Griechen und Briten diskutieren über den Euroausstieg, Kohle- und Gaskraftwerke sind unter massivem Druck und im Energiehandel ist ein wenig die Musik raus. Über die Gründe kann man sich länger unterhalten: Weniger Volatilitäten, mehr geschulte Marktteilnehmer, mehr Regulierung, andere Bedürfnisse der Unternehmen? Klar ist nur: Die Welt ändert sich. Und wir müssen uns mit ihr ändern.

Unter diesem Blickwinkel haben wir uns im Markt umgehört, was die Akteure denken zur Zukunft des Energiehandels. Die Ergebnisse stellen wir in Kürze in einer kleinen Studie zusammen mit der TU Berlin und auf einer Konferenz vor. Einige Ergebnisse wollen wir Ihnen aber exklusiv vorab zeigen. Zum Nachdenken, Diskutieren, Zweifeln, Hoffen oder Wundern:

Der Energiehandel in einer dezentralen Welt

Es ist kein Geheimnis, dass bei den Versorgern natürlich die Vermarktung großer Kraftwerke die Grundlage vieler Handelsaktivitäten war. Wenn immer weniger große zentrale Kraftwerke im Einsatz sein werden und immer mehr Strom aus verschiedensten dezentralen Quellen zur Verfügung gestellt werden wird, stellt sich natürlich die Frage, was das für die Energiehändler bedeutet.

Eine These, die man immer wieder hört, lautet, dass die heutigen Händler sich immer mehr zu Dienstleistern entwickeln, die weniger das Commodity zur Verfügung stellen, sondern ihre Erfahrungen, ihre Prozesse und ihre IT für das Management der dezentralen Erzeuger, die meist zu klein sind, in diese Aspekte ernsthaft selbst zu investieren.

Schaut man sich die Ergebnisse an, stellt man fest, dass die Überzeugung je nach Unternehmenstypus unterschiedlich geteilt wird:

Dezentralisierung - Aussage 4

Die Sache scheint ziemlich klar zu sein für die meisten Energieversorgungsunternehmen (EVU). Vor allem bei den großen EVU sieht man über 70 Prozent Zustimmung, dass es so kommen wird. Hier könnte reinspielen, dass für große EVU heute schon die Interaktion zwischen den verschiedensten Aktivitäten im (erneuerbaren) Erzeugungsbereich und im Handel normal ist. Auch die sonstigen Teilnehmer (hier verbergen sich Wissenschaftler und Berater) scheinen eine recht klare Meinung dazu zu haben. Interessanterweise sieht aber kein einziges Unternehmen, das sich selbst als reiner Händler versteht, die Zukunft dergestalt. Drei von vier Unternehmen halten sich die Antwort offen. Das könnte entweder heißen, dass man es noch nicht so richtig weiß oder dass man die Dienstleistungen nebenbei anbieten wird, aber nicht glaubt, dass dadurch das reguläre Geschäft beeinträchtigt wird. Ein Händler ist sogar eher nicht der Ansicht, dass er zum Dienstleister mutieren muss.

Lang- und/oder kurzfristig

Ein anderer wichtiger Aspekt behandelt die Frage, welche Produkte künftig vor allem im Markt nachgefragt werden. Auch hier hört man vieles, je nachdem, mit wem man redet. Sehr oft aber hört man, dass sowohl der kurz- als auch der langfristige Handel wichtig sein werden. Kurzfristig (und kürzestfristig), um die Bilanzkreise an volatile Einspeisungen optimal anzupassen, langfristig zur Absicherung der Preise, die immer wetterabhängiger werden – und Wettervorhersagen über eine Woche hinaus sind bekannt unzuverlässig.

 

Wenn der Markt diese These so teilen würde, müssten die Antworten auf die Fragen, ob man verstärkt künftig kurzfristige Produkte sehen wird und ob man verstärkt langfristige Produkte einsetzen wird, korrelieren. Wie man der Abbildung entnehmen kann, tun sie das aber nicht. Vielmehr erkennt man, dass die befragten Marktteilnehmer in Summe immer noch in Richtung der langfristigen Produkte tendieren. Aus unseren Analysen der Antworten wissen wir, dass diese Verschiebung vor allem von den kleinen EVU stammt. Bei diesen Unternehmen gibt es eine gewisse Tendenz dazu, sich vom Intraday-Markt fernhalten zu wollen (wahrscheinlich weil sie selbst nie die Kapazität für einen 24/7-Handel aufbauen können). Sie möchten das Management der Volatilitäten weniger beim Handel/Lieferanten (also im Bilanzkreis) und lieber beim Netzbereich ansiedeln.

Bild blog Studie

Hier dürfte vor allem der Wunsch der Vater der Antworten gewesen sein, da alle politischen Bestrebungen derzeit dahin gehen, die Bilanzkreisverantwortung zu stärken. Das wird dann wohl auf Dienstleistungen, Kooperationen und ähnliches hinauslaufen müssen.

Was lesen Sie in den Zahlen? Geben Sie uns gern Ihr Feedback, auch wenn Sie vor dem 15. Juni noch weitere „Sneak Peaks“ in die Ergebnisse der Studie wünschen!

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

PS: Sie interessieren sich für dieses Thema, dann schauen Sie gern in unsere Interviewreihe dazu (hier, hier, hier, hier und hier).

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