Kommission schnürt das Beihilfenpaket: erst Leitlinien, jetzt Gruppenfreistellungsverordnung

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Die Beihilfenpolitik der Europäischen Kommission gewinnt immer mehr an Konturen: Schon am 9.4. hatte sie ihre Leitlinien (wir berichteten) für Umwelt- und Energiebeihilfen vorgestellt, die am 1.7.2014 bereits in Kraft treten sollen, bislang jedoch noch nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurden. Jetzt hat sie auch einen Entwurf für eine neue Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) angenommen.

Die derzeitige AGVO (VO (EG) Nr. 800/2008 vom 6.8.2008) erklärt bestimmte Gruppen von Beihilfen für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt. Sie verringert den Verwaltungsaufwand der Mitgliedstaaten und der Kommission bei der Beihilfenvergabe. Insbesondere entfällt für etliche Kategorien von Beihilfen (insgesamt 26) die Pflicht, sie bei der Kommission anzumelden. Die Kategorie der Umweltschutzbeihilfen enthält bislang etliche Fördermaßnahmen für Erneuerbare Energien. Es geht vorrangig um Investitionsbeihilfen unterschiedlicher Art.

Ursprünglich hätte die derzeit bestehende AGVO am 31.12.2013 auslaufen sollen. Allerdings hatten sich die Arbeiten an einer neuen AGVO verzögert, nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Proteste gegen die von der Kommission vorgeschlagenen und zur Konsultation gestellten Regelungen sowohl in der AGVO als auch in den Leitlinien. Daher wurde die Gültigkeit der derzeitigen AGVO um ein halbes Jahr bis zum 30.6.2014 verlängert. Die neue AGVO würde dann also am selben Tag wie die Leitlinien in Kraft treten.

Und in der Tat ergibt sich aus Leitlinien und AGVO ein Gesamtbild der künftigen Beihilfenpolitik der Kommission, weswegen die beiden Dokumente auch vorab gut abgestimmt werden sollten. Alle Beihilfemaßnahmen, die unter die AGVO fallen, müssen nicht angemeldet und durch die Kommission genehmigt werden, wohingegen Maßnahmen, die den Kriterien der Leitlinien genügen, zwar genehmigt werden müssen, aber prinzipiell als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten und daher sehr gute Chancen auf eine (schnelle) Genehmigung haben.

Die AGVO ist entsprechend – weil hier keine Ex-ante-Prüfung der Maßnahme durchgeführt wird und keine Genehmigung notwendig ist – strenger als die Leitlinien: Hier hinein schaffen es mit sehr wenigen Ausnahmen nur Investitionsbeihilfen, dass heißt Zuschüsse zu den Investitionskosten bis zu einem bestimmten maximalen Prozentsatz. Dabei liegt der Prozentsatz in der AGVO zudem niedriger als in den Leitlinien. Für Investitionsbeihilfen für Energieeffizienzmaßnahmen liegt so hier der maximale Prozentsatz bei 30 Prozent (40 Prozent für mittelständige Unternehmen, 50 Prozent für kleine Unternehmen) der Investitionskosten. Nach den Leitlinien könnten aber auch bei Energieeffizienzmaßnahmen 100 Prozent der Investitionskosten vergütet werden, wenn denn die Vergabe der Mittel über Ausschreibungen verläuft. Die in den Leitlinien genannten maximalen Prozentsätze ohne Ausschreibungen decken sich insoweit mit denen in der AGVO: Solche Maßnahmen sind also von der Anmelde- und Genehmigungspflicht freigestellt (= Wirkung der AGVO), weil die Kommission sie in der Regel für unproblematisch hält (= Aussage der Leitlinien).

Das gleiche gilt für Investitionsbeihilfen für hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung und Erneuerbare Energien (45 bzw. 55 Prozent oder 65 Prozent je nach Größe des Unternehmens unter der AGVO ohne Anmeldung und Genehmigung, wenn im Rahmen einer Ausschreibung bis zu 100 Prozent nach den Leitlinien nach Anmeldung und Genehmigung):

Für Erneuerbare Energien sieht der Entwurf der AGVO nun zum ersten Mal auch eine Regelung für Betriebsbeihilfen vor. Diese waren zuvor ausschließlich in den Leitlinien geregelt. Solche Betriebsbeihilfen sollen von der Anmeldungs- und Genehmigungspflicht freigestellt sein, wenn sie über einen Ausschreibungsmechanismus vergeben werden, auf Basis von klaren, transparenten und nicht-diskriminierenden Kriterien. Die Ausschreibungen sollen prinzipiell allen Erzeugern von Erneuerbaren Energien offen stehen; allerdings können die Mitgliedstaaten diese Technologieneutralität einschränken, indem sie vorschreiben, dass eine einzige Technologie nicht mehr als 80 Prozent des im Rahmen der Ausschreibung zu vergebenden Budgets erhalten soll. Die Gelder sollen dann als Einspeiseprämien und nicht zu Zeiten negativer Preise ausgezahlt werden, und die Empfänger sollen Standard-Balancing-Verpflichtungen übernehmen. Das entspricht im Übrigen den Vorgaben der Leitlinien, die allerdings den Mitgliedstaaten noch weitere Möglichkeiten belassen, die Ausschreibungen zu beschränken bzw. davon generell abzusehen, und die eine „gleitende“ Einführung bis 2018 vorsehen.

Dass die Kommission in der AGVO diese Linie einschlagen würden, hatte sich bereits in früheren Entwürfen abgezeichnet. Neu ist allerdings, dass die Kommission für kleine Anlagen mit weniger als 500 kW bzw. Windkraftanlagen bis zu 3 MW oder 3 Turbinen keine Ausschreibungen vorschreibt, sondern sich vielmehr überhaupt nicht zur Gestaltung des Fördersystems äußert. Hier kommt es lediglich darauf an, dass die richtigen Parameter zur Höhe der Beihilfe genutzt werden, das heißt dass diese nicht den Unterschied zwischen den gemittelten Energieerzeugungskosten und dem Marktpreis überschreiten dürfen.

Mit dieser Ergänzung schließt die AGVO nunmehr also auch, was die Betriebsbeihilfen für Erneuerbare Energien betrifft, an die Leitlinien an, wenn auch nicht komplett, denn offenbar fallen nicht alle Beihilfen für kleine Anlangen, die nach den Leitlinien genehmigt werden können, unter die AGVO und müssen entsprechend nicht angemeldet werden – nämlich dann nicht, wenn sie unterhalb von 500 kW bzw. 3 MW oder 3 Turbinen Wind liegen und die Höhe der Beihilfe oben genannten Parametern entspricht. Dann ist es auch egal, welche Form der Förderung genutzt wird. Die Beihilfeleitlinien sehen dann die Möglichkeit zur Genehmigung von kleinen Anlagen zwischen 500 kW und 1 MW vor, wenn Prämien gezahlt werden. Oberhalb muss – unter der AGVO schon sofort – ausgeschrieben werden, und wenn dies (noch) nicht geschieht, dann kann nach den Leitlinien immer noch genehmigt werden.

Da die Kommission vom Rat lediglich ein Mandat für eine AGVO für Umwelt- nicht aber für Energiebeihilfen hat, befasst sich der Entwurf etwa nicht mit Entlastungstatbeständen von den Förderkosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien oder für Kapazitätsmechanismen, wie diese in den Leitlinien wohl enthalten sind.

Umweltsteuerbefreiungen sollen wie bisher unter die AGVO fallen, sofern die Empfänger der Beihilfe immer noch zumindest den in der Richtlinie 2003/96/EG festgelegten Mindeststeuersatz bezahlen.

Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, äußerte sich bereits positiv zu der Initiative. Im Vergleich zu älteren Entwürfen hat sich auf jeden Fall einiges getan, und die AGVO und die Leitlinien ergeben zumindest nunmehr ein relativ rundes Gesamtbild. Es bleibt jedoch die Grundsatzfrage, ob die Kommission in den Leitlinien nicht zu weit gegangen ist, und es besteht durchaus die Möglichkeit , dass Unternehmen oder Mitgliedstaaten versuchen, zumindest Teile derselben als Kompetenzüberschreitung vom Europäischen Gericht für nichtig erklären zu lassen.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet

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