Kommt das CCS-Gesetz für prozessbedingte Industrieemissionen?

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Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS) heißt der Zauberspruch, mit dem die EU das Klima retten will: Kohlendioxid (CO2) soll, anstatt in die Atmosphäre zu entweichen, abgeschieden und in unterirdischen Speicherstätten dauerhaft verpresst werden – sehr zur Beunruhigung der Bevölkerung, die oft fürchtet, dass dieses Treibhausgas wieder entweichen und auf seinem Weg Grundwasser, Boden und Menschen vor Ort gefährden könnte. Bürgerproteste gegen geplante Projekte sind bisher zumeist die Folge.

Das ist der Grund, dass einige Bundesländer mit potentiellen Speicherorten offen oder hinter vorgehaltener Hand CCS verhindern wollen. Dabei drängt die Zeit: Die Frist, die EU-Richtlinie zu CCS umzusetzen, ist schon am 25.6.2011 abgelaufen. Der Bundestag hatte das Gesetz schon am 7.7.2011 verabschiedet, aber der Bundesrat stellt sich seither beharrlich quer. Auch der angerufene Vermittlungsausschuss hat bisher noch keine Einigung herbeiführen können. So ist am 8.2.2012 auch ein erneuter Einigungsversuch nicht zustande gekommen. Eine Einigung ist dem Vernehmen nach wohl auch in der kommenden Sitzung – voraussichtlich Ende März – nicht zu erwarten.

Ein Vorschlag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen könnte aber Bewegung in die Sache bringen. Danach soll der Anwendungsbereich des CCS-Gesetzes auf prozessbedingte Emissionen aus der Stahl-, Zement- und chemischen Industrie beschränkt werden, während die großtechnische Verpressung von CO2 aus der Kohleverstromung nicht erfasst werden soll. Die Bundesregierung hält ein solches Vorgehen nicht mit dem Europarecht vereinbar. Doch stimmt das überhaupt?

Kein europarechtliches Problem

Der nationale Gesetzgeber ist bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in seinem Aktionsradius an die Vorgaben der Richtlinie gebunden. So stellt auch Art. 288 Abs. 3 AEUV klar, dass für die Mitgliedstaaten die jeweilige Richtlinie hinsichtlich des vorgegebenen Ziels verbindlich ist. Form und Mittel der Umsetzung obliegen aber im kooperativen Zusammenwirken dem Mitgliedstaat. Der Umsetzungsspielraum für den Mitgliedstaat hängt dabei von der jeweiligen normativen Dichte der Richtlinie ab.

Nach Art. 4 Abs. 1 CCS-Richtlinie ist den Mitgliedstaaten nicht nur die Auswahl der Gebiete als Speicherstätten überlassen, sondern auch die Entscheidung, ob sie die CO2-Speicherung überhaupt zulassen wollen. Jedenfalls bedarf der Betrieb einer Speicherstätte einer entsprechenden Speichergenehmigung (Art. 6 Abs. 1 CCS-Richtlinie). Darüber hinaus sind in Kapitel 4 der CCS-Richtlinie konkrete Vorgaben zum Betrieb und zur Schließung der Speicherstätte (Art. 3 Abs. 3 CCS-Richtlinie) bzw. des Speicherkomplexes (Art. 3 Nr. 6 CCS-Richtlinie) sowie zu Nachsorgeverpflichtungen enthalten.

Wie aber bereits aus Art. 1 Abs. 1 CCS-Richtlinie hervorgeht, soll nur ein rechtlicher Rahmen für die umweltverträgliche geologische Speicherung von CO2 geschaffen werden, um zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen. Somit ist ausdrücklich keine Vollregelung intendiert. Hinsichtlich des Umfangs der Speicherung sieht Art. 4 Abs. 1 Satz 2 CCS-Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten auch entscheiden können, keinerlei Speicherung auf Teilen oder auf der Gesamtheit ihres Hoheitsgebietes zuzulassen. Zudem können sie die Gebiete auswählen, aus denen die Speicherstätten ausgewählt werden können (Art. 4 Abs. 1 S. 1 CCS-Richtlinie). Ihnen wird somit ein weitreichender Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Ob und Wie einer möglichen Speicherung eingeräumt. Wenn den Mitgliedstaaten somit schon das Recht zusteht, die Speicherung in ihrem Hoheitsgebiet gänzlich zu verweigern, so spricht doch einiges dafür, dass ihnen um so mehr auch das Recht zustehen muss, zu bestimmen, welche Emissionen von der Speicherung auf ihrem Hoheitsgebiet erfasst sein sollen.

Die CCS-Richtlinie sieht ferner auch keine Regelung vor, die einer solchen Beschränkung des Anwendungsbereiches auf prozessbedingte Emissionen aus bestimmten Industriebereichen entgegensteht. Das gilt auch für Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 2 der CCS-Richtlinie, wonach die jeweiligen Genehmigungen allen Personen offen stehen sollen, die über die notwendige Befähigung verfügen. Denn die notwendigen Genehmigungen können sich nur auf den konkreten Anwendungsbereich des CCS-Gesetzes beziehen, der von den einzelnen Mitgliedstaaten relativ weit ausgestaltet werden kann, da aufgrund des Rahmencharakters der Richtlinie die normativen Vorgaben stark zurückgenommen worden sind. Es spricht daher doch einiges dafür, dass eine Begrenzung des Anwendungsbereiches des CCS-Gesetzes auf prozessbedingte Industrieemissionen durchaus mit Europarecht vereinbar ist.

Wie und ob das CCS-Gesetz aber kommt, ist mehr als offen. Das Deutsche Institut für Wirtschaft kam in einer Studie jüngst zu dem Schluss, dass die CCS-Technologie als „Transrapid der Energiewirtschaft“ für die Energiewende faktisch „gestorben“ sei. Besonders der Ausstieg von Vattenfall beim Demonstrationsprojekt am Standort Jänschwalde (Brandenburg) im Dezember letzten Jahres sowie die ernüchternden Ergebnisse (keine dauerhafte Reduktion der CO2-Emissionen) der bisherigen sechs Pilotprojekte würden dies u.a. belegen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke

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