Kommunale Selbstverwaltung in lokalen Belangen – ein Interview mit Prof. Dr. Joachim Wieland

(c) DUV Speyer
(c) Joachim Wieland

Hoch ging es her auf der AK- REGTP-Regulierungskonferenz am 9.6.2015 in Berlin. Ein Grund für die Aufregung der knapp 200 Teilnehmer war das für Kommunen immer wieder heiße Thema Konzessionsvergaben. Klare Worte hat zum Beispiel Prof. Dr. Joachim Wieland in seinem Vortrag gefunden. Der BBH-Blog hat es sich nicht nehmen lassen, mit ihm Nachgang ein Interview zu führen. Prof. Wieland, der nach Stationen beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG), an den Universitäten in Bielefeld und Frankfurt/Main heute den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer bekleidet, hat sich dankenswerterweise die Zeit genommen.

BBH-Blog: Die Gewährleistung des örtlichen Strom- und Gasverteilnetzbetriebes wird gemeinhin als Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge verstanden. Es gibt nun den Satz: „Wenn Du sicher gehen willst, dass etwas funktioniert, dann mach es selbst!“ Darf sich – etwas überspitzt formuliert – die Kommune auf diesen Satz berufen, wenn sie den Netzbetrieb vor Ort selbst wahrnehmen möchte?

Wieland: Das ist genau der Sinn der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Die Verfassung vertraut darauf, dass die Kommunen am besten wissen, was die Bürgerinnen und Bürger brauchen. Darum sollen die Gemeinden das Recht haben, die Verantwortung für den örtlichen Netzbetrieb zu übernehmen, wenn sie das für die beste Lösung halten.

BBH-Blog: Wie weit kann denn der Gesetzgeber gehen, wenn er den Handlungsspielraum der Kommunen hier einschränken möchte?

Wieland: Der Gesetzgeber muss die Entscheidung der Verfassung für die kommunale Selbstverwaltung beachten, wenn er einschränkende Regelungen erlässt. Er darf den Kommunen die Verantwortung für den Netzbetrieb nicht einfach aus wirtschaftspolitischen Erwägungen entziehen, sondern braucht gewichtige Gründe – etwa die konkrete Gefahr, dass die Versorgung nicht mehr sicher wäre.

BBH-Blog: Werden wir doch etwas konkreter. Aktuell kursieren Vorschläge zur Novellierung des Konzessionsvergaberechts (wir berichteten dazu in unseren Reihe zum „Unser Tag der Konzessionen“, explizit in Teil 2), die helfen sollen, allen Beteiligten mehr Klarheit zu verschaffen. Die Vorschläge aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) sehen vor, dass die Kommunen bei der Konzessionsvergabe vorrangig die Aspekte Versorgungssicherheit, Effizienz, Verbraucherschutz und die Anpassungsfähigkeit an die neue Welt der dezentralen (erneuerbaren) Einspeisungen berücksichtigen sollen. Anderes darf nachrangig eine Rolle spielen. Von kommunalen Kriterien oder kommunalwirtschaftlichen Interessen steht dort nichts. Wäre eine solche Neuregelung aus Ihrer Sicht verfassungskonform?

Wieland: Eine solche Regelung wäre verfassungswidrig. Sie verletzte das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen. Dieses Selbstverwaltungsrecht garantiert, dass die kommunalen Interessen bei der Konzessionsvergabe eine wichtige Rolle spielen müssen.

BBH-Blog: Was sind denn aus Ihrer Sicht die entscheidenden Punkte? Was würden Sie dem Gesetzgeber raten, um die Konzessionsvergabe künftig rechtssicher und fair zu gestalten?

Wieland: Ich rate dem Gesetzgeber, den Kommunen ausdrücklich das Recht einzuräumen, bei der Konzessionsvergabe die lokalen Belange zu berücksichtigen: die Förderung der lokalen Wirtschaft, die Sicherung der Arbeitsplätze vor Ort, die legitimen fiskalischen Interessen und die Möglichkeit, ein Energieversorgungsunternehmen im Interesse der örtlichen Gemeinschaft zu steuern. Nur dann wäre der Selbstverwaltung das ihr gebührende Gewicht eingeräumt.

BBH-Blog: Sehr geehr­ter Herr Prof. Dr. Wieland, ganz herz­li­chen Dank für die Zeit, die Sie sich genom­men haben, wir wis­sen das sehr zu schätzen!

Ihr BBH-Blog

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