Kommunalverfassung Niedersachsen: Trend zu Bereichsausnahmen setzt sich fort

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Am 1. November 2011 tritt das neue Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) in Kraft. Es tritt an die Stelle der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO), der Niedersächsischen Landkreisordnung und einer Reihe weiterer Gesetze und Verordnungen.

Mit der einheitlichen Kodifizierung der Kommunalgesetze hatte die Landesregierung ursprünglich keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen im Gemeindewirtschaftsrecht beabsichtigt. Nur Details sollten geändert werden. Erst bei der Beratung des Gesetzes im Innenausschuss des Landtages kam es zu deutlichen inhaltlichen Änderungen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Bereichsausnahmen bei der Subsidiaritätsklausel und die Schutzmöglichkeiten privater Dritter vor kommunaler Konkurrenz.

Bahn frei durch Bereichsausnahmen

§ 136 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NKomVG sieht nunmehr Bereichsausnahmen für Energieversorgung, Wasserversorgung, ÖPNV und Telekommunikationsnetze bzw. -dienstleistungen vor. Bislang galt auch für diese wirtschaftlichen Tätigkeitsbereiche der Kommune die strenge Subsidiaritätsklausel des § 108 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NGO: Wollte die Kommune zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks ein Unternehmen gründen, übernehmen oder wesentlich erweitern, musste sie nachweisen, dass sie auf diese Weise den öffentlichen Zweck besser und wirtschaftlicher erfüllen konnte als es private Dritte könnten.

Da dieser Beweis auf wirtschaftlich lukrativen Feldern für die Gemeinde kaum zu erbringen war, wurde die Gemeindewirtschaft so gesetzlich zum Ausnahmefall bestimmt. Von der Darlegungspflicht wird die Kommune in Bezug auf Energie- und Wasserversorgung, ÖPNV und Telekommunikation durch den neuen § 136 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NKomVG befreit.

Aus Branchensicht ist das sehr zu begrüßen. Mit Blick auf die aktuellen Änderungen der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. Blog-Beitrag vom 2. März 2011) und der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Blog-Beitrag vom 7. September 2011) lässt sich insoweit ein Trend der Landesgesetzgeber zur Schaffung von Bereichsausnahmen ausmachen.

Private Dritte können klagen

Neu ist allerdings ebenfalls die Drittschutzklausel in § 136 Abs. 1 Satz 3 NKomVG, nach welcher die Subsidiaritätsklausel auch dem Schutz privater Dritter, die sich entsprechend wirtschaftlich betätigen oder betätigen wollen, dient. Warum das nötig ist und was es bezweckt, verraten die Gesetzgebungsmaterialien nicht. Dies erstaunt vor der Tatsache, dass auch diese Klausel erst durch Empfehlung des Innenausschusses mit Stimmenmehrheit der CDU-/FDP-Fraktionen eingeführt wurde.

Der Innenausschuss begnügt sich im Rahmen der „Begründung“ der neuen Regelung mit der bloßen Benennung rechtlicher Folgen: Geschaffen wird ein subjektives öffentliches Recht für die „betroffenen privaten Dritten auf Beachtung der auch zu ihrem Schutz erlassenen Subsidiaritätsregelung“. Somit steht es jedem privaten Dritten frei, vor kommunaler Konkurrenz zukünftig auch Schutz bei den Gerichten zu suchen.

In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass der Subsidiaritätsklausel in den Bereichen Energieversorgung, Wasserversorgung, ÖPNV und Telekommunikationsnetze bzw. -dienstleistungen kein Drittschutz zukommen dürfte. Denn gilt für diese Bereiche wirtschaftlicher Betätigung der Kommune die Subsidiaritätsklausel gerade nicht, so muss dies auch hinsichtlich des Drittschutzes gelten.

Sonstige Neuerungen

Ansonsten sieht das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz Änderungen hinsichtlich der Vertretung der Kommune in Unternehmen und Einrichtungen vor: So kann beispielsweise der Hauptverwaltungsbeamte gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 NKomVG auch darauf verzichten, die Kommune in der Gesellschafterversammlung oder einem der Gesellschafterversammlung entsprechenden Organ von Eigengesellschaften oder von Unternehmen oder Einrichtungen, an denen die Kommune beteiligt ist, zu vertreten, wenn mehrere Vertreter zu benennen sind.

Gesetzlich neu geregelt ist zudem, dass sich das Land gemäß § 145 Abs. 2 Satz 3 NKomVG nunmehr an der Kommune schadlos halten kann, wenn es bei Überschuldung oder Insolvenz einer ihrer kommunalen Anstalten Leistungen gemäß § 12 Abs. 2 der Insolvenzordnung erbringt.

Ansprechpartner: Daniel Schiebold

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