Konzessionsabgabe Gas: BGH-Urteilsgründe zu GAG Ahrensburg – Schlechte Nachrichten für Netzbetreiber

(c) BBH
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Vor fast sechs Monaten hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Entscheidung im Fall „GAG Ahrensburg“ verkündet (Beschluss v. 6.11.2012, Az. KVR 54/11). Doch was genau daraus folgt, ist erst jetzt erkennbar. Denn jetzt hat er die Begründung dazu nachgereicht. Und die zeigt, dass sich vor allem Netzbetreiber – und in diesem Zuge ggf. auch Kommunen –  auf eine Welle von Konzessionsabgaben-Rückforderungen einzustellen haben.

Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die seit Jahren schwelende Streitfrage, wie die Konzessionsabgaben für Gaslieferungen durchleitender Drittlieferanten zu bemessen sind: Darf der Netzbetreiber die höhere Abgabe für Tarifkunden ansetzen oder nur die auf 0,03 Cent pro KWh beschränkte Abgabe für Sondervertragskunden? Das Bundeskartellamt (BKartA) hatte gegen die GAG Ahrensburg GmbH verfügt, für solche Lieferungen maximal die Konzessionsabgabe für Sondervertragskunden in Höhe von 0,03 ct/kWh anzusetzen (BKartA, Beschluss v. 16.9.2009, B 10-11/09). Das Amt vermutete hinter dieser Praxis eine Behinderung des Wettbewerbs um Haushaltskunden im Gas. Im Beschwerdeverfahren hat nun der BGH die Rechtsbeschwerde der GAG Ahrensburg per Beschluss zurückgewiesen.

Im Ergebnis hat der BGH die materielle Rechtsfrage dahingehend entschieden, dass für Gaslieferungen Dritter stets nur die im Konzessionsvertrag vereinbarte und nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 KAV beschränkte Sonderkunden-Konzessionsabgabe in Höhe von max. 0,03 Cent/kWh erhoben und auf den Netznutzer umgelegt werden darf. Nach Auffassung des BGH entscheidet die Natur des Liefervertrags als Tarif- oder Sondervertragskundenverhältnis, welcher Konzessionsabgabensatz anzuwenden ist. Dies gelte auch dann, wenn der Netzbetreiber bzw. der mit diesem assoziierte Vertrieb eigenen Gaskunden nur Tarifverträge anbietet. Zwar überzeugt die Argumentation des BGH zum Teil inhaltlich wenig, da in dessen Auslegung die Regelung des insofern maßgeblichen § 2 Abs. 6 KAV faktisch leerläuft. Dennoch kommt dem Beschluss des BGH tatsächlich umfassender Präzedenzfallcharakter zu, was die Rechtsfrage betrifft, wie Gaskonzessionsabgaben in Durchleitungsfällen zu bemessen sind.

Anders als noch die Vorinstanz, das OLG Düsseldorf (wir berichteten), hält der BGH §§ 19, 20 GWB für anwendbar und das BKartA somit für zuständig, gegen die Erhebung von überhöhten Konzessionsabgaben durch den Netzbetreiber vorzugehen, wenn dieser – wie vorliegend die GAG – eine „wirtschaftliche Einheit“ mit der Gemeinde bildet. In diesem Fall könnten Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb erheblichen Weise beeinträchtigt sein und insoweit ein Behinderungsmissbrauch i. S. d. § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB vorliegen.

Die Entscheidung des BGH wirkt sich sowohl auf bisher abgerechnete Gaskonzessionsabgaben als auch auf die zukünftige Abrechnungspraxis gegenüber Dritten bzw. die Ermittlung von Vertriebspreisen aus. Dabei ist zwischen den beiden Marktrollen zu unterscheiden: Netzbetreiber einerseits und Vertriebe andererseits.

Netzbetreiber vor einer Welle von Rückforderungsansprüchen

Was die Netzbetreiber betrifft, so müssen sie nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe mit Rückforderungs- oder Rechnungskorrekturbegehren einer Vielzahl von Transportkunden rechnen, wenn in der Vergangenheit gegenüber Drittlieferanten die hohe Tarifkundenkonzessionsabgabe abgerechnet wurde. Bei der Bewertung sind insbesondere die mit den jeweiligen Transportkunden bestehenden vertraglichen Bindungen im Speziellen und die Regelungen des Bereicherungsrechts im Allgemeinen maßgeblich.

Vor einer Rückzahlung ist zunächst aber im Einzelfall zu prüfen, ob die Rückforderungsbegehren jeweils korrekt geltend gemacht und beziffert wurden und ob sie gegenüber dem Netzbetreiber durchsetzbar sind. Außerdem muss man die Verjährung im Auge behalten. Auch die Kommunen als letztlich wirtschaftlich von der Konzessionsabgabe Begünstigte müssen sich nach der veröffentlichten Entscheidung des BGH darauf einstellen, dass im Zuge der Rückabwicklung von Gaskonzessionsabgaben seitens der Netzbetreiber bzw. Konzessionsvertragspartner ihnen gegenüber Rückzahlungsansprüche geltend gemacht werden.

Das Gleiche gilt, mutatis mutandis, auch im Verhältnis zwischen Lieferant und Endkunden: Es ist vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidung wahrscheinlich, dass auch Endkunden mit Rückzahlungsforderungen auf ihre Lieferanten zugehen, die ihrerseits ggf. überhöhte Konzessionsabgaben entrichtet haben. Auch insoweit sollte aber sorgfältig geprüft werden, ob überhaupt und in welcher Höhe ein Anspruch des Kunden besteht. Dabei ist u. a. auch zu unterscheiden, ob die Konzessionsabgabe separat ausgewiesen und an den Kunden weitergegeben wurde oder ob die Konzessionsabgabe in einen Komplettpreis eingepreist wurde. Komplettpreise dürften von der BGH-Entscheidung unberührt bleiben, da sich der Kunde verpflichtet hat, den vertraglich vereinbarten Komplettpreis zu bezahlen. In diesem Komplettpreis ist die Konzessionsabgabe eingepreist und zwar unabhängig von deren konkreter Höhe. Das Risiko (aber auch die Vorteile) einer nachträglichen Änderung einzelner Kalkulationsposten trägt also der Lieferant. Allerdings muss für die künftige Preiskalkulation beachtet werden, dass sich aus den regelmäßig vereinbarten einseitigen Preisanpassungsklauseln die Verpflichtung des Lieferanten ergibt, Kostensenkungen an den Kunden weiterzugeben. Verringert sich also künftig die Höhe der vom Lieferanten an den Netzbetreiber abzuführenden Konzessionsabgabe, muss dies im Rahmen zukünftiger Preisanpassung als kostensenkendes Element berücksichtigt werden.

Fest steht: Mit der vom BKartA vertretenen (wir berichteten) und vom BGH nun bestätigten Auslegung des § 2 Abs. 6 KAV wird das Gaskonzessionsabgabenaufkommen der Städte und Gemeinden – entgegen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers – schwinden. Hier sind die Kommunen bzw. die kommunalen Spitzenverbände gefragt, eine Novellierung der dringend „renovierungsbedürftigen“ KAV durch den Gesetz- und Verordnungsgeber anzustoßen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Theobald/Astrid Meyer-Hetling/Dennis Tischmacher

Ansprechpartner Lieferantenvertrag: Dr. Olaf Däuper/Dr. Erik Ahnis

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