Landeskartellbehörde in Schleswig-Holstein veröffentlicht den Bericht zu den Fernwärmestrukturen im „Echten Norden“

(c) BBH
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Die ungemütliche Witterung lässt manchen Schleswig-Holsteiner auch jetzt im Juni die Heizung wieder aufdrehen. Dabei macht sich kaum jemand Gedanken, wo die Wärme eigentlich erzeugt wird und was dabei verbrannt wird. Anders die schleswig-holsteinische Landeskartellbehörde für Energie im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LKartBE): Sie hat sich intensiv mit den Daten der Wärmeversorgung befasst und im Mai 2016 ihren Ergebnisbericht zur Untersuchung Strukturen der Fernwärmeversorgung in Schleswig-Holstein vorgelegt. Dieser beruht auf einer Umfrage aus dem Frühjahr 2014, welche die LKartBE unter schleswig-holsteinischen Fernwärmelieferanten durchgeführt hatte.

Die LKartBE folgt einem Trend. Das Bundeskartellamt (BKartA) hatte schon im Jahre 2009 bereits eine bundesweite Sektorenuntersuchung eingeleitet und sich auf die überregional tätigen, teilweise konzerngebundenen Fernwärmeversorger konzentriert (wir berichteten). Auch verschiedene Landeskartellbehörden haben sich die Fernwärme in den einzelnen Bundesländern (wir berichteten) angesehen.

Mit ihrer Untersuchung will sich die LKartBE einen Überblick über die spezielle Situation des schleswig-holsteinischen Fernwärmemarktes verschaffen. Sie will in Erfahrung bringen, ob Fernwärmeanbieter ihre Marktmacht missbrauchen, indem sie Preise verlangen, die sie in einem besser funktionierenden Wettbewerb womöglich nicht bekämen. Nach Auffassung der LKartBE haben die Wärmelieferanten in ihrem jeweiligen Liefergebiet eine marktbeherrschende Stellung inne. Zwar können Kunden grundsätzlich zwischen verschiedenen Wärmeträgern wählen, aber sobald sich ein Kunde einmal für ein System entschieden hat, wäre die Umstellung derart teuer, dass die LKartBE einen Wechsel nicht für realistisch hält.

Nach den Feststellungen der LKartBE schwankten die Wärmepreise in den Jahren 2012 und 2013 deutlich, was sich die Behörde nicht erklären kann. Sie hat erkannt, dass vor allem die Kosten für den eingesetzten Brennstoff und die gelieferte Wärmemenge pro Netzkilometer („Wärmedichte“) wichtige Faktoren sind, die die Preise beeinflussen, und dass sich die Kosten der Wärmeerzeugung und -verteilung je nach individuellen Gegebenheiten aus rein sachlichen Gründen erheblich unterscheiden müssen. Eine Reihe weiterer Faktoren, die die LKartBE untersucht hat, schlagen sich aber offenbar nicht auffällig in den Preisschwankungen nieder. Dies gilt beispielsweise für die Größe der Netzgebiete, für Gebiete mit einem möglichen Anschluss- und Benutzungszwang, für die verkaufte Wärmemenge, für die Zahl der Großverbraucher und die Zahl der Hausanschlüsse je Kilometer Netzlänge. Trotz gleicher Strukturmerkmale schwanken die Erlöse der Unternehmen teilweise um mehr als 100 Prozent.

Hieraus leitet die LKartBE die Vermutung ab, dass teilweise missbräuchliche Gewinnmargen realisiert werden oder dass Unternehmen ihre Potenziale zur Verbesserung der Effizienz nicht nutzen. Um dies näher zu erforschen, will die LKartBE im Sommer 2016 von einzelnen Unternehmen die aktuellen Preise abfragen und vertieft prüfen. Einen ersten Anhaltspunkt für weitere Analysen sieht die Behörde, wenn die Erlöse mehr als 20 Prozent über dem Mittelwert liegen.

Im Zuge der Untersuchung sind der LKartBE zusätzliche Aspekte aufgefallen, die sie für wichtig hält. So wünscht sie sich im Interesse der Verbraucher eine transparentere Preisgestaltung, zu der dazugehört, dass sämtliche Wärmepreise im Internet veröffentlicht werden. Werden Preisänderungsklauseln angewendet, sollte die Berechnung neuer Preise dem Kunden besser erläutert werden, damit er die Anpassung leichter nachvollziehen kann. Auch für eine Überarbeitung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV)will sich die Behörde einsetzen, insbesondere im Hinblick auf die Höchstlaufzeiten der Lieferverträge. Schließlich sollen gesetzgeberische Maßnahmen erwogen werden, um den Fernwärmesektor behutsam zu öffnen.

Insgesamt lässt sich aus dem Ergebnisbericht ableiten, dass die Fernwärmepreise zwischen Nord- und Ostsee großen Schwankungen unterliegen, deren Ursache auch nach der Strukturuntersuchung unklar bleibt. Allgemein überhöhte Preise sieht die LKartBE nicht, in Einzelfällen müssen sich die Unternehmen aber auf kritische Nachfragen einstellen. Auch jene Unternehmen, deren Preise nahe dem Durchschnitt von 9,2 ct/kWh liegen, können sich aber nicht entspannt zurücklehnen. Die ehrgeizigere Klimapolitik in Schleswig-Holstein lässt erahnen, dass sich in der Fernwärmeversorgung noch einiges tun wird.

Ansprechpartner: Stefan Wollschläger

PS: Falls Sie das Thema interessiert, schauen Sie gern hier.

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