Letzter Vorhang in Sachen Versteigerungskürzung?

(c) BBH

Die 2. Handelsperiode von 2008 bis 2012 ist lange vorüber, und die meisten Betreiber von Anlagen, die vom Emissionshandel betroffen sind, haben sie gedanklich längst abgehakt. Und doch sind noch nicht alle Streitfragen rund um das Zuteilungsgesetz 2012 (ZuG 2012) geklärt. Besonders umstritten war hier – viele erinnern sich – die sog. Versteigerungskürzung nach §§ 19, 20 ZuG 2012. Der deutsche Gesetzgeber wollte damit Opportunitätsgewinne der Energiewirtschaft abschöpfen, die nach seiner Vermutung bei der kostenlosen Zuteilung von CO2-Zertifikaten für die Stromerzeugung entstanden waren – am Ende rund 15,6 Prozent. Zahlreiche Unternehmen hatten hiergegen geklagt und waren damit schließlich in letzter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gescheitert (Urt. v. 10.10.2012, Az. 7 C 8.10).

Damit schien die Sache erledigt. Doch hatten mehrere Anlagenbetreiber gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingelegt. Die letzte dieser Verfassungsbeschwerden – um die es zuletzt sehr ruhig geworden war – schlummerte bis vor kurzem noch in Karlsruhe und harrte einer Entscheidung. Viele Verfahren anderer Anlagenbetreiber zur Versteigerungskürzung waren mit Blick auf dieses Verfahren ruhend gestellt worden.

Nun hat das BVerfG am 18.4.2018 die lange erwartete Entscheidung verkündet. Die Versteigerungskürzung verstößt aus Sicht der Karlsruher Richter nicht gegen das Grundgesetz (GG). Konkret sehen sie insbesondere keinen Verstoß gegen:

  • die Finanzverfassung: Es handle sich bei den Erlösen aus der Veräußerung der Zertifikate nicht um Steuern, sondern um eine Gegenleistung für die erworbenen Zertifikate.
  • die finanzverfassungsrechtliche Belastungsgleichheit: Wie schon das BVerwG meint auch das BVerfG, dass mit dem Europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) eine Bewirtschaftungsordnung eingeführt wurde. Das Recht zur Emission von Treibhausgasen sei daher als ein staatlich gewährter Vorteil zu qualifizieren, für den man finanziell in Anspruch genommen werden darf.
  • den Gleichheitsgrundsatz im Übrigen: Die Kürzung auf den Bereich der Stromerzeugung zu beschränken, sei unproblematisch, da der Gesetzgeber hier davon habe ausgehen dürfen, (nur) beim Strompreis könnten die Kosten für den Kauf von CO2-Zertikaten eingepreist werden.

Ob man die Entscheidung des BVerfG im Einzelnen für richtig hält, kann im Grunde dahinstehen: Denn über dem BVerfG spannt sich nur noch der blaue Himmel des Grundgesetzes, und wie die Verfassungsrichter es auslegen, hat quasi Gesetzesrang.

Causa finita?

Ist damit der letzte Vorhang im Drama um die Versteigerungskürzung gefallen? Nicht ganz. Nur am Rande gestreift hat das BVerfG einen weiteren, neben dem angeblichen Verfassungsverstoß geltend gemachten Einwand gegen die Versteigerungskürzung – nämlich deren Vereinbarkeit mit den europäischen Vorgaben. Für die 2. Handelsperiode sah Art. 10 der Emissionshandelsrichtlinie (EH-RL) 2003/87/EG vor, dass mindestens 90 Prozent der ausgegebenen CO2-Zertifikate kostenlos zugeteilt werden müssen. Die Versteigerungskürzung betrug aber nun einmal fast 15,6 Prozent der Stromzuteilung. Das BVerwG hatte darin kein Problem gesehen und deshalb die Frage auch nicht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vorgelegt. Es war der Ansicht, das 90-Prozent-Quorum beziehe sich nur auf das Gesamtbudget des jeweiligen Mitgliedstaates, so dass der einzelne Anlagenbetreiber hieraus keine eigenen Rechte herleiten könne.

Der EuGH ist allerdings in seinem späteren Urteil vom 26.2.2015 (Rs.: C-43/14 – Ško Energo, wir berichteten) zu der explizit gegenteiligen Entscheidung gekommen. Das 90-Prozent-Quorum beziehe sich auch auf die Wirtschaftsteilnehmer.

Dass das BVerwG dennoch von der Vorlage an den EuGH abgesehen hat, sieht das BVerfG als unproblematisch an (zum Hintergrund: Das BVerfG prüft zwar selbst nicht Europarecht, wohl aber, ob die unterbliebene Vorlage an den EuGH eine Verletzung des durch das Grundgesetz verbürgten Rechts auf den gesetzlichen Richter darstellt). Es meint hier, dass das BVerwG die EuGH-Entscheidung nicht antizipieren musste und vertretbar annehmen durfte, dass die Versteigerungskürzung offensichtlich nicht gegen europäisches Recht verstößt. Die Ško Energo-Entscheidung ist jetzt aber nun einmal in der Welt. Ob das BVerwG ein weiteres Mal auf die Vorlage verzichten dürfte, sollte eines der derzeit noch ruhenden Verfahren bis nach Leipzig vordringen, darf also bezweifelt werden.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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