Manchmal leider heikel: Leitungssicherung auf privaten Grundstücken

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Die Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wasser und Fernwärme, aber auch die Entsorgung von Abwasser erfolgt über Leitungen. Damit sie ihren Zweck erfüllen können, müssen die Leitungen nicht selten auch über Grundstücke geführt werden, die nicht dem Netzbetreiber gehören. Nun haben die Eigentümer der Grundstücke aber grundsätzlich das Recht, mit ihrem Eigentum nach Belieben zu verfahren und insbesondere andere von jeder Einwirkung auszuschließen. Dies gilt im Grundsatz auch gegenüber Netzbetreibern: Die Grundstückseigentümer müssen eine Einmischung nur dann hinnehmen, wenn sie gesetzlich, vertraglich oder dinglich dazu verpflichtet sind.

Um diesen Konflikt aufzulösen und die unterschiedlichen Interessen miteinander zu versöhnen, gibt es verschiedene Wege. Unter bestimmten Voraussetzungen erlauben es die Anschlussverordnungen, wie Niederspannungsanschlussverordnung (NAV)/Niederdruckanschlussverordnung (NDAV), AVBWasserV und AVBFernwärmeV, die Grundstücke von Anschlussnehmern unentgeltlich in Anspruch zu nehmen. Wenn es keine solchen speziellen Duldungspflichten gibt (z. B. aus § 12 NAV/NDAV bzw. § 8 AVBWasserV/AVBFernwärmeV) oder besonders wichtige Betriebsmittel (z. B. Umspannstationen, Verteilerstationen, Transportleitungen, GDRM-Anlagen etc.) gesichert werden sollen, kann sich der Netzbetreiber im Grundbuch ein Leitungsrecht in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eintragen lassen oder die Grundstücksbenutzung mit einem Gestattungsvertrag regeln.

Bei dem Gestattungsvertrag handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag, der im Gegensatz zu den dinglichen Leitungsrechten nur die Vertragspartner bindet und auch keine Eintragung in das Grundbuch erfordert. Inhaltlich regelt der Gestattungsvertrag neben dem Grundstücksbenutzungsrecht insbesondere Entgelte und Entschädigungen, die Durchführung von Verlegungs- bzw. Errichtungs- und Instandhaltungsarbeiten, Zutritt, Haftung, Vertragsdauer und Kündigung sowie den Wechsel der Vertragspartner. Gestattungsverträge sind vor allem bei größeren Leitungsbauvorhaben, insbesondere auf land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen, von Bedeutung.

Mit einer Dienstbarkeitsvereinbarung wird der jeweilige Grundstückseigentümer verpflichtet, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu bewilligen. Es handelt sich also um eine dinglichen Belastung des jeweils betroffenen Grundstücks. Eine entsprechende Bewilligungsurkunde ist jeweils beigefügt.

Die „große“ Variante der Dienstbarkeitsvereinbarung bietet sich vor allem für größere Vorhaben (z. B. Sicherung von Mittelspannungsleitungen, Transportleitungen, Umspannstationen, Verteilerstationen, GDRM-Anlagen etc.) an. In dieser Variante enthält die Vereinbarung, die die einzutragende beschränkte persönliche Dienstbarkeit schuldrechtlich näher ausgestaltet bzw. ergänzt, einen ausdifferenzierten, über die zwingend bei einer Dienstbarkeit zu regelnden Punkte hinausgehenden, vertraglichen Pflichtenkatalog. Er umfasst z. B. die Durchführung von Arbeiten, Sicherungs- und Mitteilungspflichten, besondere Entschädigungsvarianten, den Umgang mit stillgelegten Leitungen und Anlagen etc. In der “kleinen” Variante für kleinere Vorhaben ohne besonderen Ausgestaltungsbedarf (z. B. Niederspannungs- oder Niederdruckleitungen) ist die Dienstbarkeitsvereinbarung dagegen auf die wesentlichen Leitungsrechte beschränkt.

Soweit die Theorie. In der Praxis ist oft nicht klar, wie man solche Verträge und Bewilligungsurkunden formuliert, denn einheitliche Standards für den Inhalt von Leitungsrechten gibt es nicht. Diese Unsicherheit ist durchaus nachvollziehbar: Bei „veralteten Vereinbarungen“ besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Leitungen oder Anlagen zum Nachteil des Netzbetreibers nur unzureichend gesichert werden. Schlimmstenfalls sind Leitungen und Anlagen bislang überhaupt nicht gesichert. Zahlreiche Gerichte beschäftigen sich mit Streitigkeiten zur Leitungssicherung.

Umso wichtiger sind vertragliche Regelungen für Dienstbarkeiten und Gestattungsverträge, die den aktuellen rechtlichen Vorgaben gerecht werden, die aktuellen Gerichtsentscheidungen umsetzen und die besonderen Bedürfnisse von Netzbetreibern aus den Sparten Elektrizität, Gas, Wasser/Abwasser und Fernwärme berücksichtigen. So steht der Leitungssicherung auf privaten Grundstücken nichts im Wege.

Ansprechpartner: Dr. Thies Christian Hartmann/Dr. Erik Ahnis/Alexander Bartsch

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