Mehr Klarheit für den Strommarkt: Das Weißbuch des Bundeswirtschaftsministeriums

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Der nächste Schritt in Richtung Strommarktgesetz ist getan: Nach dem Grünbuch (wir berichteten) hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) am 3.7.2015 das Weißbuch zum Strommarkt veröffentlicht. Im Grünbuch waren noch alle Fragen offen. Sind die wichtigsten Entscheidungen für den Strommarkt im Weißbuch nun alle getroffen worden?

Seit langem steht fest: einen umfassenden Kapazitätsmarkt wird es nicht geben. Sigmar Gabriel und sogar Angela Merkel hatten lange vor Veröffentlichung des Weißbuchs verlauten lassen, dass es eines zusätzlichen Leistungsmarktes nicht bedürfe. Da half auch der politische Druck aus Bayern und Baden-Württemberg nichts. Der zum sog. Energy-Only-Markt 2.0 (EOM 2.0) weiterentwickelte Markt soll es richten. Alles andere wird nach Ansicht des BMWi zu kompliziert und zu unsicher.

Am EOM 2.0 sollen alle Marktteilnehmer gleichberechtigt in freiem Wettbewerb miteinander konkurrieren. Die Preise bestimmt der Markt und nicht die Politik. Es soll sich lohnen, die eigene Last flexibel zu gestalten, um auf hohe Marktpreise reagieren zu können. Denn die erwarteten Preisspitzen sollen langfristige Investitionen in den Kraftwerkspark in Deutschland anreizen. Zentral ist dabei die Rolle der Bilanzkreisverantwortlichen. Bilanzkreisabweichungen werden schärfer überwacht und strenger geahndet. Am Intraday-Markt muss intensiv gehandelt werden, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Wenn die Kapazitätsreserve trotz allem Handel eingesetzt werden muss, schlägt das für Lieferbilanzkreise heftig zu Buche: Dann werden 20.000 Euro pro MWh fällig. So weit sollte man es besser gar nicht erst kommen lassen.

Ob das tatsächlich funktioniert?

In mehreren ökonomischen Gutachten hat sich das BMWi bestätigen lassen: Der Strommarkt kann umweltfreundlich bei hoher Versorgungssicherheit ausgestaltet werden, wenn er nur frei genug dafür ist. Das muss dann aber auch für die europäischen Nachbarn gelten. Deshalb hat sich das BMWi aktiv um deren Einbindung gekümmert. In einer Absichtserklärung haben Anfang Juli 2015 alle Stromanrainer bekräftigt, dass sie die Preisbildung und den grenzüberschreitenden Stromhandel nicht beeinträchtigen werden (wir berichteten). Eins ist aber sicher: Bei mehr Wettbewerb auf den Großhandelsmärkten dürfen die Kleinen nicht auf der Strecke bleiben. Wenn sich bei der anstehenden Konsolidierung nur ein paar Große behaupten können, wird der gerade erst neu akzentuierte Wettbewerb nicht funktionieren.

Die Reserve funktioniert so, dass neben der Netzreserve eine Kapazitätsreserve eingeführt wird. Auf Basis einer Ausschreibung werden Kraftwerke mit insgesamt ca. 4 GW Leistung von den Übertragungsnetzbetreibern unter Vertrag genommen, die bei einem Kapazitätsdefizit zum Einsatz kommen. Die Anlagen dürfen nicht mehr am Strommarkt teilnehmen und müssen nach Beendigung der Teilnahme an der Reserve stillgelegt werden. In erheblichem Umfang (ca. 2,7 GW) sollen Braunkohlekraftwerke in die Kapazitätsreserve überführt werden. Die Kosten für die Kapazitätsreserve sollen von den Stromlieferanten je nach Verursachungsbeitrag „im System der Regelleistung“ abgerechnet werden. Bei Abruf der Reserve soll der Mindestpreis für unterdeckte Lieferanten 20.000,00 Euro/MWh betragen. Je nach Ausgestaltung besteht die Gefahr, dass die Großen auf Kosten der Kleinen profitieren.

Wie geht es weiter?

Wie zuvor beim Grünbuch gibt es nun auch beim Weißbuch eine Konsultation, und zwar bis zum 24.8.2015. Jeder darf also seine Meinung kundtun. Beim Grünbuch haben das immerhin genau 696 Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen gemacht. Ob das Sinn macht, muss jeder selbst beurteilen, aber fehlenden Diskussionswillen und mangelnde Transparenz kann man dem BMWi nicht vorwerfen. Parallel wird das Weißbuch mit der EU-Kommission, den Nachbarstaaten und der Politik erörtert. Gesetzgebungsvorschläge sollen noch in diesem Jahr folgen. Das neue Strommarktgesetz kommt voraussichtlich im Frühjahr 2016.

Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Dr. Olaf Däuper

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