Mehr Licht als Schatten: Der Entwurf der neuen CL-Liste ist da

(c) BBH
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Viele Anlagenbetreiber fürchteten im vergangenen Jahr, dass ihre ohnehin drastisch gesunkene Zuteilung von Emissionsberechtigungen ab 2015 noch weiter abschmilzt. Denn angesichts der niedrigen CO2-Preise in den letzten beiden Jahren bestand die Sorge, dass bei der Überarbeitung der Carbon-Leakage-Liste (CL-Liste) für die Jahre ab 2015 viele Branchen nicht mehr als „abwanderungsbedroht“ anerkannt sein würden, weil die mit dem Emissionshandel verbundene finanzielle Belastung sich bei sinkenden Kursen rechnerisch verringert. Dies wäre mit drastischen Folgen verbunden gewesen: Die Zuteilungen für abwanderungsbedrohte Branchen ist gegenüber den Zuteilungen an andere Sektoren rund 40 Prozent höher. Im schlimmsten Fall wäre der Status als abwanderungsbedroht verloren gegangen, die Zuteilung gesunken und dann die Preise (wie die Kommission es ja plant) für Emissionsberechtigungen auf 10 Euro oder mehr gestiegen.

Insgesamt: Wenig Abgänge, wichtige Neuzugänge

Diese Angstvision weiter steigender Lasten immerhin hat sich bisher nicht realisiert. Der am 5.5.2014 publizierte Entwurf für eine neue CL-Liste ist nicht wesentlich kürzer als die derzeit geltende Vorgängerversion. Doch wie immer steckt der Teufel im Detail. Beispielsweise ist der Steinkohlebergbau (NACE Rev.2: 0510) weiterhin als abwanderungsbedrohter Sektor anerkannt, jedoch nicht mehr die Herstellung von Briketts aus Steinkohle (NACE Rev. 1.1: 1010). Betroffene Unternehmen sollten deswegen sorgfältig prüfen, ob der ihnen zugewiesene NACE-Code auch wirklich noch auf der neuen CL-Liste steht. Erschwert wird diese Prüfung allerdings durch einen Wechsel der Kodierung. Die bisherige CL-Liste beruhte auf der NACE Rev. 1.1 Verordnung (EG) Nr. 29/2002, während Grundlage der neuen CL-Liste die überarbeitete NACE Rev. 2  Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 ist.

Einige Branchen haben besonderen Anlass zur Freude. Sie sollen nun erstmals als abwanderungsbedroht anerkannt werden. Ab 2015 dürfen die erfassten Unternehmen also mit deutlich geringeren Belastungen rechnen als bisher erwartet. Dabei geht es nicht nur um umfangmäßig kleinere Branchen wie die Herstellung von Kakaoprodukten. Wichtige Sektoren wie die Möbelhersteller, die Kunststoffverarbeiter und auch die Kraftwägenbauer sollen in die Liste neu aufgenommen werden.

Was bedeutet das für die Praxis?

Wer nun feststellen muss, dass seine Branche künftig nicht mehr als abwanderungsbedroht gilt, sollte nun umgehend aktiv werden. Denn die gesetzgeberische Planung ist weit gediehen; der Entwurf liegt aktuell bereits dem zuständigen Ausschuss für Klimafragen vor. Noch vor der Sommerpause und der dann stattfindenden Neukonstituierung soll sich das Europäische Parlament mit dem Entwurf befassen und ihn, ebenso wie der Rat, bis Ende des Jahres verabschieden. Da nicht nur das Parlament, sondern auch die Institutionen sich neu formieren und deswegen Ansprechpartner wechseln können, ist allerdings Eile geboten, wenn Unternehmen und Verbände jetzt noch darlegen wollen, wieso sie die Kriterien für abwanderungsbedrohte Unternehmen weiter erfüllen.

Doch auch Unternehmen, die neu auf der CL-Liste stehen, dürfen die Hände nicht in den Schoß legen. Denn die Zuteilungsverordnung 2020 (ZuV 2020) sieht zwar vor, dass die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) die erteilten Zuteilungsbescheide von Amts wegen entsprechend anpasst (vgl. § 9 Abs. 3 ZuV 2020). Doch in vielen Fällen kennt die Behörde den relevanten NACE-Code nicht, weil es 2011 auf diese Angabe noch nicht ankam. Dies betrifft insbesondere Unternehmen, die in Wärmeverteilernetze liefern und eine Quote angegeben haben, wie viel Prozent ihrer Wärme an abwanderungsbedrohte Branchen geliefert werden. Hier müssen betroffene Anträge also noch einmal nachträglich erweitert werden.

Für diese erweiterten Anträge gibt es noch kein Procedere. Denn an und für sich galt für Bestandsanlagen eine Antragsfrist bis zum 23.1.2012, ohne dass für spätere Abänderungen noch Raum bestand. Hier bleibt also abzuwarten, wie die DEHSt mit solchen Fällen umgeht. Klar ist jedenfalls: Wer sich nicht selbst bemüht, dem wird niemand die Berechtigungen hinterhertragen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow 

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