Nach den USA jetzt auch die EU: Anti-Dumping-Verfahren gegen chinesische Solarmodulproduzenten

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Lange mussten die Antragsteller warten, doch am Ende bekamen sie Recht: Die EU prüft, ob die chinesische Solarkraftindustrie eine Dumping-Strategie fährt, gegen die sie sich zur Wehr setzen muss. Vor wenigen Tagen hat die EU-Kommission, wie zuvor schon die USA, ein Anti-Dumping-Verfahren gegen chinesische Hersteller von Photovoltaikmodulen eingeleitet.

Wie alles begann: Am 25.7.2012 hatte die Initiative „EU ProSun“, bestehend aus über 20 europäischen Photovoltaikmodul-Herstellern, bei der Europäischen Kommission einen Antrag nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 eingereicht. Er richtet sich darauf, Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern zu erhalten. Dem Antrag zufolge sind die Einfuhren von Photovoltaikmodulen aus kristallinem Silizium und deren Schlüsselkomponenten mit Ursprung in der Volksrepublik China gedumpt und schädigen dadurch den Wirtschaftszweig der Union bedeutend. Am 6.9.2012, 43 Tage nach Antragseingang und damit kurz vor Ablauf der 45-tägigen Prüfungsfrist, kam die Kommission zu dem Schluss, dass die vom Antragsteller vorgelegten Anscheinsbeweise diese Annahme rechtfertigen.

Der Industrieverband „EU ProSun“ wirft den chinesischen Konkurrenten vor, Solarpanele und Solarzellen unter Herstellungspreis in europäische Länder einzuführen, um mit Hilfe dieses Preisdumpings eine Monopolstellung für Solarstromtechnologie aufzubauen und europäische Produzenten vom Markt zu verdrängen. Dabei könnten die chinesischen Anbieter bewusst Verluste in Kauf nehmen, weil ihnen die chinesische Regierung unbegrenzten Zugang zu Krediten gewähre. Diese Maßnahmen seien im Kontext des 5-Jahres-Plans der chinesischen Regierung zu sehen, in dem ausdrücklich das Ziel formuliert wird, im Photovoltaik-Bereich innerhalb der 5-Jahres-Frist eine marktbeherrschende Stellung zu erlangen.

Diese Strategie scheint sich bisher auch bewährt zu haben, denn in der EU-Solarindustrie ist der Marktanteil chinesischer Produzenten von 0 Prozent im Jahr 2004 auf derzeit 80 Prozent gestiegen. Allein im letzten Jahr wurden in Europa 60 Prozent der in China produzierten Module und zugehörigen Bauteile im Wert von 21 Milliarden Euro verkauft. Die EU ist mithin einer der wichtigsten Exportmärkte chinesischer Solarmodulhersteller. Es verwundert deshalb nicht, dass der chinesische Handelsminister „tiefes Bedauern“ über die Maßnahmen der EU äußerte.

Problematisch wäre allerdings, wenn durch die Verhängung von Strafzöllen ein Handelskrieg ausgelöst würde, wie Chinas Marktführer Yingli, Suntech, Trina und Canadian Solar ankündigten. Aus diesem Grund plädierte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Staatsbesuch in China für eine Streitbeilegung im Gespräch. Verschiedene deutsche Anbieter befürchten, auf einem ihrer wichtigsten Absatzmärkte durch Importzölle behindert zu werden, seitdem China vor einigen Wochen eine Beschwerde über mögliches europäisches Preisdumping beim Grundstoff Solar-Silizium in Aussicht stellte. Die tatsächliche Erhebung von Strafzöllen auf Solar-Silizium für den Import nach China erscheint jedoch unwahrscheinlich, weil in diesem Fall allein die eigene Photovoltaik-Industrie Leidtragender der steigenden Preise wäre.

Innerhalb der europäischen Solarbranche selbst sind die Meinungen zur Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens durchaus geteilt. Der größte Industrieverband, die European Photovoltaic Industry Association (EPIA), hat zwar, obwohl deren Mitglieder aus allen Produzentenländern der Welt stammen, die Diskrepanzen zwischen den Preisen der EU-Produzenten und der Hersteller aus China offen in den letzten Monaten kritisiert. Aber die EPIA hofft nun, dass das Verfahren rasch und konstruktiv beendet und die kurzfristigen Handelshemmnisse gemeinschaftlich überwunden werden können, so dass die Märkte auf globalem Niveau wachsen können.

Die erst im März dieses Jahres gegründete „Allianz für bezahlbare Solarenergie“ (Alliance for Affordable Solar Energy, AFASE), zu der unter anderem auch die deutschen Unternehmen Juwi und Gehrlicher Solar gehören, betont, dass der freie Handel entscheidend zum dynamischen Wachstum der europäischen Solarindustrie beigetragen hat. Von Interessensvertretern aus Industrie- und Umweltverbänden wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf den starken Zuwachs der Photovoltaik in den letzten Jahren verwiesen, der erheblich zur Einhaltung der Ausbauziele Erneuerbarer Energien und der CO2-Reduktionsziele bis 2020 beitrage. Außerdem befürchtet man in der Branche insgesamt den Verlust von Arbeitsplätzen in vor- und nachgelagerten Märkten.

In den USA konnte der deutsche Solarzellenhersteller Solarworld mit einem ähnlichen Anti-Dumping-Verfahren jedenfalls erste Erfolge erzielen. Bereits seit Anfang des Jahres hatten die USA infolge des Verfahrens Strafzölle in Höhe von 30 bis zu 250 Prozent auf chinesische Solartechnik-Importe erhoben. Solarworld wehrt sich seit Jahren gegen Preisverfall durch Billigimporte aus China, die 2011 den Umsatz um rund 1 Milliarde Euro und, gemeinsam mit hohen Abschreibungen, den Gewinn um knapp 300 Millionen Euro hatten zurück gehen lassen. Dieser negative Trend setzt sich auch in 2012 fort, und nicht nur bei Solarworlds, sondern auch in der bedrängten Solarindustrie in Europa allgemein.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Präsident der nun in Europa klagenden „EU ProSun“, Milan Nitzschke, gleichzeitig auch Sprecher des Konzerns Solarworld ist. Auch wenn die Mitglieder von EU ProSun im Einzelnen anonym bleiben wollen, ist diese personelle Interaktion doch an sich schon aussagekräftig. Jedenfalls scheint also treibende Kraft hinter dem Industrieverband „EU ProSun“, und damit auch dem Anti-Dumping-Verfahren vor der Europäischen Kommission, der Konzern Solarworld und sein Vorstandsvorsitzender Frank Asbeck zu sein.

Allerdings ist auch in dem US-amerikanischen Verfahren das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn möglicherweise ist die Feststellung der chinesischen Herstellungspreise, zu der die USA in Ermangelung chinesischer Vergleichsdaten die Situation auf dem Vergleichsmarkt Thailand herangezogen hatte, vor der Welthandelsorganisation  (WTO) anfechtbar. Um diesem Schicksal zu entgehen, hat die Europäische Kommission die Vereinigten Staaten von Amerika als Vergleichsmarkt festgelegt. Viele Fragen sind jedoch auch hier nach wie vor offen, beispielsweise inwieweit die Möglichkeit steigender Preise für Solarmodule in Europa infolge von EU-Zöllen gegen die Wahrscheinlichkeit eines Preisdiktats durch chinesische Hersteller als Quasi-Monopolisten abzuwägen ist.

In den nächsten 15 Monaten wird die Kommission nun die verschiedenen Marktteilnehmer befragen und eingehend prüfen, ob die zu untersuchenden Waren mit Ursprung in China gedumpt sind und ob der Wirtschaftszweig der Union durch die gedumpten Einfuhren geschädigt wurde. Sollte sich dies bestätigen, wird die Kommission weiter prüfen, ob die Einführung von Maßnahmen dem Interesse der Union nicht zuwiderlaufen würde. Vor dem endgültigen Abschluss dieser Untersuchung kann die Kommission innerhalb der nächsten 9 Monate jedoch bereits vorläufige Schutzzölle veranlassen.

Interessierte Parteien können im Rahmen der in der Bekanntmachung genannten Voraussetzung zu diesem Verfahren Stellung nehmen. Sollten Sie daran Interesse haben, können Sie sich bei Fragen zum weiteren Vorgehen gern an uns wenden.

Ansprechpartner: Dr. Dörte Fouquet/Dr. Martin Altrock

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