Noch immer keine klaren Vorstellungen zur MiFID!

(c) BBH

Im Hin und Her um die Novellierung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) gibt es noch immer keine klare Linie: Der Europäische Rat hatte Ende August – noch nicht abgestimmte – Kompromissanträge veröffentlicht, die vor allem hinsichtlich der Ausnahmeregelungen – gerade für EVUs – positive Entwicklungen erhoffen ließen. Doch einen Monat später sieht es schon wieder ganz anders aus: Die vom Rat überarbeiteten Kompromissanträge vom 28.9.2012 (MiFID/MiFIR) sind leider nicht mehr so rosig.

Das Schicksal der Nebentätigkeitsausnahme

Wie bereits berichtet sieht die MiFID-Novelle umfangreiche Änderungen vor. Nicht nur, dass mehr Tätigkeiten des Energiehandels in den Fokus der Finanzaufsicht rücken, auch die Ausnahmeregelungen sollen gravierend eingeschränkt werden. Nach den aktuellen Entwürfen bleibt eigentlich nur noch die sog. Nebentätigkeitsausnahme, auf die sich die meisten EVUs bislang berufen konnten und damit von der Aufsicht ausgenommen waren.

Nach dieser Ausnahme dürfen also Unternehmen erlaubnisfrei Eigenhandel betreiben und Finanzdienstleistungen in Bezug auf Commodity-Derivate (und künftig Emissionszertifikate) erbringen, wenn dies eine Nebentätigkeit zu ihrer Haupttätigkeit darstellt (= „ancillary activity“) und sie nicht zu einem Bankkonzern gehören. Allerdings sah der Entwurf der MiFID-Novelle bisher vor, dass das Handeln für eigene Rechnung jedenfalls dann eine aufsichtspflichtige – und nicht ausnahmsweise erlaubte – Finanzdienstleistung darstellt, wenn dies zur Ausführung von Kundenaufträgen („executing of client orders“) erfolgt. Ob sich dies noch ändern wird, ist weiterhin fraglich.

Sowohl das Ratsdokument von Ende August, als auch das von Ende September stellen bereits in den Erwägungsgründen ausdrücklich klar, dass auch die Ausführung von Kundenaufträgen vom Anwendungsbereich der MiFID ausgenommen ist, soweit dies eine Nebentätigkeit auf Ebene der Unternehmensgruppe ist und die Haupttätigkeit nicht in der Erbringung von Finanzdienstleistungen besteht.

Aber im Normtext unterscheiden sich die Ratsdokumente grundlegend: Die August-Fassung sah noch eine entsprechende Anpassung der Nebentätigkeitsausnahme in Art. 2 Abs. 1 vor, indem in lit. i) (a) die Passage „excluding persons who deal on own account by executing client orders“ gestrichen wurde. Damit wäre also der Eigenhandel auch für Kunden möglich, sofern dies eine Nebentätigkeit ist. Das heißt also, dass ein EVU nicht nur für einen Kunden ein Geschäft mit einem Finanzinstrument vermitteln, sondern diesem Kunden darüber hinaus das gleiche Finanzinstrument auch im Wege des Eigenhandels erwerben dürfte.

In der Fassung vom letzten Freitag gibt es den Art. 2 Abs. 1 lit. i) (a) gar nicht mehr. Nunmehr soll sich ein Unternehmen auf die Nebentätigkeitsausnahme berufen können, wenn es „andere Wertpapierdienstleistungen als im Handel für eigene Rechnung in Bezug auf Warenderivate oder die in Anhang I Abschnitt C Nummer 10 aufgeführten Derivatkontrakte oder Emissionszertifikate bzw. Derivate davon“ für die Kunden oder Lieferanten ihrer Haupttätigkeit erbringt und diese auf Gruppenbasis eine Nebentätigkeit darstellen. Danach wäre der Eigenhandel also nicht mehr befreit. Eine Ausnahme für den Eigenhandel findet sich hier nur noch in Art. 2 Abs. 1 lit. d), allerdings mit der klaren Regelung in (iii), dass diese Ausnahme dann nicht einschlägig ist, wenn es um die Ausführung von Kundenaufträgen geht. Das heißt: Der Eigenhandel zur Ausführung von Kundenaufträgen wird nicht von der Erlaubnispflichtigkeit ausgenommen.

Neue Ausnahmen

Das Ratsdokument bringt zudem neue Ausnahmen ins Spiel: Art. 2 Abs 1 lit. (o), (p).

Nach der ersten Ausnahme – lit. (o) – sollen auch Unternehmen von der Aufsicht ausgenommen sein, die ausschließlich Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Waren, Emissionszertifikaten und Derivaten hierauf erbringen und diese allein dem Zweck dienen, die Risiken ihrer Kunden abzusichern. Hinzukommen muss, dass diese Kunden ausschließlich Elektrizitätsunternehmen im Sinne der Richtlinie 2009/72/EG (EltRL) bzw. Erdgasunternehmen im Sinne der Richtlinie 2009/73/EG (GasRL) sind und gemeinsam 100 Prozent des Kapitals bzw. der Stimmrechte des Unternehmens halten. Das heißt also, dass sich eine typische kommunale Beschaffungsgesellschaft auf diese Ausnahme berufen kann, wenn die benannten Dienstleistungen allein der Absicherung der einzelnen EVUs dienen.

Nach der zweiten Ausnahme – lit. (p) – soll praktisch das Gleiche gelten für gemeinsame Beschaffungsunternehmen von Betreibern emissionshandelspflichtiger Anlagen, allerdings beschränkt auf Emissionszertifikate und Derivate darauf.

Ergänzung der Finanzinstrumente-Definition

Schließlich hat der Rat die Definition der Warengeschäfte geändert. Bislang waren nach der MiFID-Novellierung Warengeschäfte (d. h. Optionen, Terminkontrakte, Swaps und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren) Finanzinstrumente, wenn sie – vereinfacht gesagt:

  • bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch der Parteien bar abgerechnet werden können,
  • effektiv geliefert werden können, sofern diese an einem geregelten Markt, über ein OTF (Organised Trading Facility) oder über ein MTF (Multilateral Trading Facility) gehandelt werden oder
  • effektiv geliefert werden können, nicht kommerziellen Zwecken dienen und Merkmale sonstiger derivativer Finanzinstrumente aufweisen.

Der Rat hat die zweite Variante nunmehr hinsichtlich des Handels am OTF dahingehend geändert, dass Warengeschäfte als Finanzinstrumente gelten, wenn diese nicht kommerziellen Zwecken dienen und Merkmale sonstiger derivativer Finanzinstrumente aufweisen. Inwieweit damit eine zur Variante 3 eigenständige Kategorie geschaffen werden soll, ist nicht ganz nachvollziehbar.

Wann liegt eigentlich eine Nebentätigkeit vor?

Woran erkennt die europäische Aufsichtsbehörde ESMA – im Wege technischer Regulierungsstandards – was Haupttätigkeit ist und was Nebentätigkeit? Dazu gibt das Ratsdokument weiterhin nur wenig Aufschluss. Für die Abgrenzung soll nach Art. 2 Abs. 4 insbesondere berücksichtigt werden, wie viel Kapital für die Nebentätigkeit eingesetzt wurde; auch im Verhältnis zum eingesetzten Kapital für die Haupttätigkeit, der Umfang der Handelsaktivitäten in Bezug auf Finanzinstrumente in absoluten Werten sowie im Vergleich zu den Handelsaktivitäten des Marktes in der jeweiligen Assetklasse.

Einstweilen handelt es sich bei den Ratsdokumenten um unverbindliche Kompromissvorschläge. Ob und welcher sich durchsetzen wird, bleibt angesichts der fast wöchentlichen Updates abzuwarten. Die Diskussionen auf europäischer Ebene laufen noch. Seinen Anteil daran hat auch der Ausschuss für Wirtschaft und Währung(ECON) des Europäischen Parlaments, der sich ebenfalls mit der MiFID II beschäftigt, um die Position des Parlaments vorzubereiten. Die erste Lesung ist für den 25.10.2012 angesetzt. Dann wird man wissen, ob bis dahin ein Kompromiss gefunden werden konnte – und wer die wahren Sieger und Verlierer der MiFID sind.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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