(Noch) keine Einigung im Trilog-Verfahren zur Reform des Emissionshandelssystem

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EU europäische union kommission eingang
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So viel ist klar: Der Emissionshandel in Europa muss vor der 2021 beginnenden 4. Handelsperiode reformiert werden, und er wird auch reformiert. Nur wie genau? Darüber konnten sich die Vertreter des europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission am letzten Freitag nicht vollständig einigen. In dem sog. Trilog-Verfahren, in dem die drei EU-Organe zu einem gemeinsamen Standpunkt finden müssen, gibt es weiterhin Streitpunkte, die nun frühestens auf einem weiteren Treffen ausgeräumt werden können.

Wie ist der Stand der Dinge?

Im Sommer 2015 hatte die Kommission ihren Reformvorschlag für das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) vorgelegt, das nach wie vor als das zentrale Instrument der europäischen Klimaschutzpolitik gilt. Damit das EU-ETS dieser Rolle gerecht werden kann, hatte die Kommission eine Reihe von Anpassungen des bestehenden Rechtsrahmens vorgeschlagen, um die Anreize zu Emissionsminderungen zu verbessern. Im Februar hatten das europäische Parlament und der Rat dazu Stellung genommen: Grundlegenden Dissens über die wesentlichen Grundlagenentscheidungen gibt es immerhin nicht, sondern Einigkeit, dass es auch in der 4. Handelsperiode weiterhin eine übergangsweise kostenlose Zuteilung für die Anlagenbetreiber geben soll, dabei aber in der Regel höhere Effizienzmaßstäbe (Stichwort: Benchmarks) gelten, das Zuteilungsbudget schneller abschmelzen und für die Entlastung der abwanderungsbedrohten Industrie (Stichwort: Carbon Leakage) strengere Voraussetzungen gelten sollen. Im Detail weichen die Positionen von Parlament und Rat vom Februar aber dann doch von dem Kommissionsvorschlag ab, insbesondere in der Frage, wie stark die Schrauben in Sachen Benchmarks und Carbon Leakage angezogen werden können und dürfen. Das Parlament war außerdem mit dem Vorschlag vorgeprescht, zum 1.1.2021 800 Mio. Emissionsberechtigungen aus der Marktstabilitätsreserve zu löschen, in die ab 2019 ein Teil der im Markt vorhandenen Überschüsse überführt werden sollen.

Seit Anfang des Jahres beraten die EU-Organe nun über die endgültige Fassung der ETS-Reform. Aus den Verhandlungsrunden drang bisher nicht viel an die Öffentlichkeit. Die Betreiber emissionshandelspflichtiger Anlagen hofften dennoch auf eine abschließende Einigung noch in diesem Jahr. Denn weitere Verzögerungen bergen die Gefahr, dass erneut – wie bereits zu Beginn der laufenden 3. Handelsperiode – keine rechtzeitige Klarheit über die Höhe der Zuteilungen besteht.

Worüber wird gestritten?

Diese Hoffnung hat mit dem Abschluss der Verhandlung am vergangenen Freitag nun einen Dämpfer erhalten.

Dabei waren es offenbar gar nicht einmal die Positionen zu Benchmarks, Carbon Leakage oder zu der Löschung von Zertifikaten, an denen die Einigung scheiterte. Den Berichten zufolge lagen die Positionen insbesondere noch bei zwei Punkten auseinander: Zum einen ging es um die Voraussetzungen, unter denen Anlagenbetreiber für Modernisierungsmaßnahmen Unterstützung aus dem sog. Modernisierungsfonds erhalten können. Zum anderen steht die übergangsweise kostenlose Zuteilung für Kraftwerke nach Art. 10 c der Emissionshandelsrichtlinie in der Kritik.

Aus dem Modernisierungsfonds möchte das europäische Parlament nur fossile Kraftwerke fördern, die den Grenzwert von 450 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (CO2/kWh) einhalten. Dadurch könnten Braun- und Steinkohlekraftwerke nicht mehr aus dem Fonds gefördert werden.

Die andere große Differenz betrifft den Art. 10 c der Emissionshandelsrichtlinie. Dieser nimmt von dem seit der dritten Handelsperiode geltenden Grundsatz, dass Anlagen zur Stromerzeugung keinerlei kostenlose Zuteilungen mehr erhalten dürfen, Anlagen zur Stromproduktion in den Ländern Bulgarien, Zypern, Tschechien, Estland, Ungarn, Litauen, Polen und Rumänien aus, so dass diese dennoch eine kostenlose Zuteilung erhalten können. Voraussetzung dafür ist, dass diese Länder einen Plan für Investitionen in die Nachrüstung und Modernisierung ihrer Infrastruktur vorlegen. Diese Länder erzeugen ihren Strom zu einem hohen Anteil aus Kohlekraftwerken; ihnen sollte so der Übergang in eine kohlenstoffarme Stromerzeugung erleichtert werden. Nach dem Willen des europäischen Parlaments sollen ab der nächsten Handelsperiode nur noch Anlagen gefördert werden, die den Grenzwert von 450 CO2/kWh einhalten. So soll vermieden werden, dass sich aufgrund der Zuteilung nach Art. 10c EmissH-RL die Laufzeit besonders klimaschädlicher Kraftwerke weiter verlängert.

Wie geht es weiter?

Die Verhandlungen über die Reform des EU-ETS gehen jetzt in eine weitere Runde. Die nächste Beratung soll in der 45. KW, konkret am 8.11., stattfinden. Zu hoffen ist jedenfalls, dass der Streit um die Modernisierungsreserven das Verfahren nicht allzu lange aufhalten wird – zumal dann, wenn die weiteren Punkte bereits ausdiskutiert sein sollten. Denn sollte das Kalkül der Kommission aufgehen – und ihre Reformbemühungen in der kommenden Handelsperiode tatsächlich zu einem spürbaren Anziehen der Zertifikatepreise führen – wäre es für die Anlagenbetreiber jetzt an der Zeit, sich über die vorsorgliche Beschaffung von Zertifikaten Gedanken zu machen. Dazu müssten sie aber erst einmal wissen, mit welcher Zuteilung sie noch rechnen können.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow

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