OLG Düsseldorf bringt Bewegung in Streit um Netzübergang

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Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat Anfang des Jahres (Beschluss vom 22.1.2014 – Az. VI-3 Kart 61/13 [V]) einige klärende Worte zu der wichtigen und konfliktträchtigen Vorschrift des § 26 Abs. 2 der ARegV gesprochen. Es setzt sich in dem Beschluss, gegen den Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt wurde, mit den Rechten und Pflichten der beteiligten Netzbetreiber sowie dem Gegenstand und der Ausgestaltung des behördlichen Verfahrens zur Neufestlegung der Erlösobergrenzen bei teilweisem Übergang von Energieversorgungsnetzen auseinander.

Das Besondere: Der nicht rechtskräftige Beschluss weicht in entscheidenden Punkten von dem Leitfaden der Regulierungsbehörden zur Aufteilung der Erlösobergrenzen ab.

In dem Verfahren ging es um den Beschluss der Bundesnetzagentur (BNetzA), den Antrag eines ein Teilnetz übernehmenden Netzbetreibers auf Einleitung eines besonderen Missbrauchsverfahrens (§ 31 EnWG) gegen den bisherigen Netzbetreiber abzulehnen.

Der Beschwerdeführer hatte in dem behördlichen Verfahren geltend gemacht, dass der bisherige Netzbetreiber die nötigen Informationen, um die Höhe des übergehenden Erlösobergrenzenanteils zu ermitteln, nicht offengelegt habe. Die BNetzA hatte den darauf gestützten Missbrauchsantrag abgelehnt und dies damit begründet, aus der Vorschrift des § 26 Abs. 2 ARegV seien keine Informationsansprüche herzuleiten. Etwaige vertragliche Nebenpflichten seien nicht über ein Missbrauchsverfahren, sondern auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen.

Zwar wurde die Beschwerde des Netzbetreibers hiergegen vom Gericht im Ergebnis zurückgewiesen. Das Gericht hat in den Entscheidungsgründen aber gleichzeitig festgestellt, dass die BNetzA „das in den Missbrauchsantrag gipfelnde Verfahren rechtlich fehlerhaft bearbeitet und die Stellung sachdienlicher Anträge nicht gefördert“ habe. Deswegen wurden der BNetzA auch die Kosten des Verfahrens jedenfalls zur Hälfte auferlegt.

Inhalt der Entscheidung

Das OLG Düsseldorf stellt fest, die BNetzA habe den gestellten Missbrauchsantrag „rechtlich fehlerhaft“ bearbeitet. Im deutlichen Widerspruch zu den Hinweisen im Leitfaden der Regulierungsbehörden sei aus Sicht des OLG Düsseldorf für die nach einer Teilnetzübernahme erforderliche Neufestlegung der Erlösobergrenzen kein gemeinsamer oder inhaltlich übereinstimmender Antrag der beteiligten Netzbetreiber erforderlich.

Entgegen der im Leitfaden geäußerten Auffassung sei es daher auch nicht notwendig, dass sich die betroffenen Netzbetreiber über die Erlösobergrenzenaufteilung vorab verständigen. Wenn ihre Vorstellungen über die Höhe des zu übertragenden Erlösobergrenzenanteils auseinandergehen, wäre daher nach Ansicht des OLG Düsseldorf kein zivilrechtliches Klageverfahren durchzuführen. Vielmehr obliege der jeweils zuständigen Regulierungsbehörde, die – ggf. auch einseitigen – Anträge auf Neufestlegung der Erlösobergrenzen zu prüfen. Diese müsse daher bei abweichenden Anträgen entscheiden, welche Erlösobergrenzenaufteilung sachgerecht ist.

Damit sei es möglich, abweichende bzw. einseitige Anträge zu stellen. Daraus leitet das OLG Düsseldorf dann allerdings ab, dass es nicht „erforderlich“ sei, den abgebenden Netzbetreiber durch ein Missbrauchsverfahren zu einer Übermittlung von Daten „die eine Antragstellung erst ermöglichen, (…) zu veranlassen,“ da letztlich „ohnehin die Regulierungsbehörde über die sachgerechte Aufteilung der Erlösobergrenzen zu befinden“ hätte.

Auf dieser Grundlage hat das OLG die von der Beschwerdeführerin eingelegte Beschwerde zurückgewiesen.

Auswirkungen für zukünftige Erlösobergrenzenaufteilungen

Welche Konsequenzen folgen aus der Entscheidung des OLG Düsseldorf für laufende oder zukünftig anstehende Übernahmen von Teilnetzgebieten, bei denen eine Neufestlegung der Erlösobergrenzen auf der Grundlage des § 26 Abs. 2 ARegV beantragt werden muss?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Entscheidung nicht rechtskräftig ist, sondern – wie erwähnt – ein Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH anhängig ist, der somit in absehbarer Zeit diese Fragen höchstrichterlich klären wird.

Wichtig ist ferner, dass die Regulierungsbehörden derzeit nicht beabsichtigen, ihre aktuelle Regulierungspraxis zu ändern. Insbesondere die BNetzA hat mündlich mitgeteilt, nach wie vor an den Aussagen im Leitfaden festhalten zu wollen. Bis der BGH dies klärt, ist daher davon auszugehen, dass die Regulierungsbehörden weiterhin eine einvernehmliche Verständigung über die Erlösobergrenzenaufteilung voraussetzen werden und einseitig gestellte Anträge auf eine Neufestlegung der Erlösobergrenzen abgelehnt werden.

Für aktuell zu führende Verhandlungen über die Erlösobergrenzenaufteilung leiten wir hieraus aktuell zwei grundsätzliche Schlussfolgerungen ab:

  • Soweit der Vorschlag des abgebenden Netzbetreibers zur Erlösobergrenzenaufteilung nicht hinreichend transparent bzw. wirtschaftlich unangemessen erscheint, sollte er mit Blick auf die hierzu anstehende höchstrichterliche Entscheidung zunächst nicht angenommen werden. Dies ist aus unserer Sicht insoweit unschädlich, da zwar der Netzübergang unverzüglich angezeigt werden muss, für die Antragstellung zur Erlösobergrenzenaufteilung jedoch keine Frist besteht.
  • Da damit zu rechnen ist, dass ein einseitiger Antrag von den Regulierungsbehörden derzeit abgelehnt werden würde, sollte eine Entscheidung des BGH abgewartet werden.

Die Neufestlegung der Erlösobergrenzen (§ 26 Abs. 2 ARegV) ist dabei lediglich ein (wenn auch bedeutsamer) Aspekt der insgesamt bei einer Teilnetzübernahme zu verhandelnden Materie. Da vor allem auch die Verhandlungen über den Kaufpreis der zu übernehmenden Anlagen mit in den Blick zu nehmen sind, existiert keine pauschale Strategie für das Vorgehen bei der Erlösobergrenzenaufteilung. Hinzu kommt, dass für die nach den Basisjahren der zweiten Regulierungsperiode (Strom: 2011, Gas: 2010) bereits vollzogenen Netzübernahmen in vielen Fällen Vereinbarungen über die Erlösobergrenzenaufteilung der zweiten Regulierungsperiode abgeschlossen wurden. Inwieweit die Entscheidung des OLG Düsseldorf bereits jetzt die Verhandlungsposition konkret verbessert, hängt daher von verschiedenen Faktoren ab.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Theobald/Prof. Dr. Ines Zenke/Stefan Missling/Axel Kafka

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