Pooling-Verbot: Wer kann vor Gericht gehen, und wie?

Das umstrittene Pooling-Verbot der Bundesnetzagentur (BNetzA) ist wie erwartet (wir berichteten) eingetreten. Jetzt stellt sich die Frage, ob es sich empfiehlt, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. In vielen Fällen ist eine Beschwerde gegen die Festlegung der BNetzA angezeigt. Allerdings sollte man Geduld mitbringen: Wegen der enormen wirtschaftlichen Relevanz ist kaum zu erwarten, dass eine endgültige Aufhebung bereits vor den Oberlandesgerichten erreicht wird. Am Ende wird der BGH entscheiden.

Wer ist belastet?

Belastet sind alle nachgelagerten Netzbetreiber und sonstigen Netznutzer, die im Verhältnis zu ihrem (vorgelagerten) Netzbetreiber bislang über mehrere Übergabestellen hinweg gepoolt abgerechnet wurden und dies nach den Kriterien der Festlegung künftig – gegebenenfalls nach Ablauf der Übergangsfrist – nicht mehr werden. Selbst wenn für einzelne Netzbetreiber die gepoolte Abrechnung nur in ersten Festlegungsentwürfen ausgeschlossen war, durch die im Festlegungsverfahren erreichten Änderungen nun aber weiter möglich ist, sollte der Fortbestand dieser Möglichkeit kritisch geprüft werden. Es kann sein, dass sich das grundsätzliche Pooling-Verbot bei künftigen Standorterweiterungen, Netzumbauten oder Konzessionsübernahmen nachteilig auswirkt. Sollte dies absehbar sein, wäre jetzt der Zeitpunkt, gerichtlich für Klarheit zu sorgen.

Um die eigene Situation zu bewerten, muss man zwischen den Kriterien der Festlegung unterscheiden:

  • Das Pooling-Verbot betrifft zunächst Fälle, wo es um Entnahmestellen verschiedener Netznutzer oder um Entnahmestellen an Netzen verschiedener Netzbetreiber geht, wo die Entnahmestellen in unterschiedlichen Netz- oder Umspannebenen liegen oder wo kundenseitig keine galvanische Verbindung oder Verbindbarkeit besteht. Wer aus einem dieser Gründe unter das Verbot fällt, hat es bei einer Beschwerde schwerer, erfolgreich zu sein: Praktisch war in diesen Fällen das Pooling-Verbot auch bisher vereinzelt schon anerkannt. Rechtliche und energiewirtschaftliche Kritikpunkte finden sich jedoch auch hier.
  • Die Festlegung sieht als weitere Einschränkung vor, dass ein Pooling nur bei mehreren Übergabestellen im selben Netzknoten möglich sein soll bzw. bei mehreren Übergabestellen im Netz, die in unmittelbarer Nähe zueinander liegen. Was alles unter „unmittelbare Nähe“ fällt, ist unklar. Zudem ist die im Festlegungstenor vorgesehene Einschränkung, dass die Übergabestellen „parallel am Netz“ angeschlossen sein müssen, unverständlich. Im Zweifel wird der vorgelagerte Netzbetreiber diese Voraussetzungen zu Lasten des Netznutzers eng auslegen, um seinerseits Nachteile zu vermeiden. Ist ein solcher Grenzfall einschlägig, sollte die Rechmäßigkeit der Festlegung – wirtschaftliche Relevanz unterstellt – gerichtlich geklärt werden. Das gilt auch für Fälle, in denen die in der Festlegung erfreulicherweise aufgenommenen Übergangsregelungen – beim Fehlen der galvanischen Verbindbarkeit – greifen: Wenn diese abgelaufen sind, ist es für eine Beschwerde zu spät.
  • Besonders deutlich werden die Bedenken gegen die Festlegung bei einem Blick auf den jüngst veröffentlichten Leitfaden der BNetzA zu § 19 Abs. 2StromNEV. Bezüglich dieser sog. intensiven Netznutzer stellt sich die BNetzA auf den Standpunkt, dass für diese, soweit sie über 7.000 Benutzungsstunden liegen und über 10 GWh Strom verbrauchen, eine gemeinsame Abrechnung auch bei räumlich weiter entfernten Abnahmestellen möglich sein soll. Damit wäre ein Pooling von „Abnahmestellen“ i. S. d. § 19 StromNEV insoweit möglich, ein Pooling von „Entnahmestellen“ i. S. d. § 17 StromNEV aber nicht. Dieses neue, eigenen Äußerungen der Behörde widersprechende Begriffsverständnis (sonst wurden die Begriffe „Entnahmestelle“ und „Abnahmestelle“ synonym genutzt)überzeugt nicht. Wer bei § 19 Abs. 2 StromNEV davon (nach dem Leitfaden der BNetzA) profitiert, muss sich fragen, ob er darauf vertraut oder aus Gründen der Sicherheit nicht dennoch gegen die Festlegung zum Pooling mit dem eigenen sinnvollen Begriffsverständnis vorgeht.

Wer kann Beschwerde einlegen?

Formal beschwerdeberechtigt sind alle am Festlegungsverfahren beteiligten Netzbetreiber und andere beigeladene Unternehmen. Nicht berechtigt sind wohl diejenigen nachgelagerten Netzbetreiber, für die eigentlich eine Landesregulierungsbehörde zuständig wäre. Sie müssten eine Entscheidung ihrer Behörde abwarten, bevor sie vor Gericht gehen können.

Fraglich ist, ob wirklich jeder Betroffene selbst Beschwerde einlegen muss, um die Festlegung zu Fall zu bringen: Letztlich wird man dies empfehlen müssen. Es ist zwar zu hoffen, dass die Bundesnetzagentur bei einer erfolgreichen Beschwerde auch nur eines Unternehmens insgesamt nicht an dem dann gerichtlich als rechtswidrig beschiedenen Pooling-Verbot festhalten wird. In der Vergangenheit hat die Bundesnetzagentur in vergleichbaren Verfahren mit Gleichbehandlungszusagen gearbeitet, mit denen sie behördlich zusicherte, eine erfolgreiche Beschwerde zugunsten aller Betroffenen umzusetzen, sprich die Festlegung insgesamt aufzuheben.

Darauf sollte man sich aber bis zum Vorliegen einer Gleichbehandlungszusage nicht verlassen. Wie aber erfolgreiche Verfahren in jüngster Zeit zeigen (Rechtswidrigkeit des sektoralen Produktivitätsfaktors – siehe unsere Blogs v. 29. Juni 2011 und 25. August 2011)  ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die BNetzA eine für sie negative Gerichtsentscheidung nur im konkret entschiedenen Fall als verbindlich ansieht und alle anderen bleiben an die Festlegung gebunden. Dazu verdeutlichen zahlreiche Beschwerden verschiedenster Unternehmen in unterschiedlichen Konstellationen die Bedeutung der willkürlichen und energiewirtschaftlich sachwidrigen Entgeltabrechnung beim grundsätzlichen Verbot des Pooling.

Wo und wann ist Beschwerde einzulegen?

Die Beschwerde ist entweder bei der BNetzA oder beim zuständigen Gericht einzulegen: Das ist bei Netzbetreibern mit mehr als 100.000 Kunden das OLG Düsseldorf. Für andere Netzbetreiber aus Ländern ohne eigene Landesregulierungsbehörde ist indessen das jeweilige OLG des Landes zuständig. Bei Netzbetreibern und Endkunden, die im Festlegungsverfahren beigeladen wurden, liegt es wohl nahe, beim OLG Düsseldorf Beschwerde einzulegen.

Für die Frist, innerhalb derer Beschwerde einzulegen ist, kommt es auf die Zustellung der Festlegung an. Für die beigeladenen Unternehmen, denen sie am 29.9.2011 individuell zugestellt wurde, liefe dann die Frist am 31.10.2011 ab. Bei Netzbetreibern, die kraft Gesetzes am Verfahren beteiligt waren und den Bescheid nicht individuell zugestellt bekamen, wird die Sache durch eine Reihe von gesetzlichen Unverständlichkeiten verkompliziert. Auf der sichereren Seite ist aber, wer bis zum 11.11.2011 seine Beschwerde unter Dach und Fach hat. Um die Frist zu wahren, reicht zunächst die Beschwerde als solche. Mit der Begründung hat man länger Zeit.

Ist die Beschwerde einmal eingelegt, heißt das allerdings nicht, dass man einstweilen die Festlegung ignorieren könnte. Sie hat keine aufschiebende Wirkung: Das Pooling-Verbot gilt, solange nicht das Gericht etwas anderes entscheidet. Etwas anderes gilt nur, wenn man vor Gericht erfolgreich beantragen kann, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde herzustellen. Jedenfalls sollten die Betroffenen sicherstellen, dass in neuen Verträgen mit den vorgelagerten Netzbetreibern vereinbart wird, dass man im Erfolgsfall der Beschwerde die Netznutzungsentgelte für die Vergangenheit (verzinst) rückerstattet bekommt.

Ansprechpartner: Dr. Christian de Wyl/Dr. Jost Eder/Dr. Thies Christian Hartmann

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