Rechenkünstler: Poolanbieter von Regelenergie leiden unter Abrechnungspraxis

(c) BBH
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Auf dem Regelenergiemarkt sind in Zeiten dezentraler Energieversorgung die Abläufe definitiv nicht einfacher geworden. Das merken in jüngster Zeit auch viele „Poolanbieter“ von Regelenergie, insbesondere solche, die Sekundärregelleistung anbieten. Sie finden ihre Interessen nur unzureichend in den Rahmenverträgen mit den Anschluss-Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) wieder.

Als Poolanbieter bezeichnet man Anbieter, die große Mengen an Erzeugungsanlagen (größtenteils kleine und dezentrale Anlagen) und/oder Verbrauchslasten in einem sog. Pool zusammenfassen und Regelenergie dann aus diesem Pool anbieten. Dazu gruppieren sie Anlagen mit ähnlichen Eigenschaften zu Regelleistungsscheiben, die sie dann mit unterschiedlichen Arbeitspreisen am Regelleistungsmarkt bereit stellen. Im Einsatzfalle greift der ÜNB auf die Leistung nach einer Arbeitspreis-Merit-Order zu. Das heißt, die Leistungsscheiben mit dem günstigsten Arbeitspreis werden grundsätzlich zuerst eingesetzt, die mit dem höchsten Arbeitspreis zuletzt. Dabei bestimmt § 8 StromNZV, dass sich für jedes Angebot, das zum Zuge kommt, die jeweilige Vergütung auch nach dem für das Angebot zu zahlenden Preis bemisst (Pay-as-bid-Verfahren).

Ist ein Poolanbieter also mit drei Tranchen á 5 MW und jeweils unterschiedlich hohen Arbeitspreisen im Rennen und ruft der ÜNB 15 MW für die Dauer von 5 Minuten von ihm ab, dann müsste der Poolanbieter doch eigentlich die jeweils geforderte Vergütung der geleisteten Arbeit für alle drei abgerufenen Tranchen erhalten. Sollte man meinen. Die Realität sieht indes anders aus: Die Abrechnungsklausel im Rahmenvertrag mit den ÜNB sieht vor, dass nur noch die in einer Viertelstunde durchschnittlich abgerufene Leistung vergütet wird. Das heißt, auch wenn der Poolanbieter zur Bereitstellung der angeforderten 15 MW im oben genannten Beispiel zeitweise auf die beiden teureren 5-MW-Tranchen mit zum Beispiel verhältnismäßig kostenintensiven Steinkohle- oder Gasfeuerungsanlagen zugreifen muss, erhält er trotzdem nur die Vergütung nach dem Angebotswert der günstigsten 5-MW-Tranche, weil die in einer Viertelstunde durchschnittlich abgerufene Leistung im Beispielsfall 5 MW nicht übersteigt.

Das stellt den Poolanbieter und die teilnehmenden Erzeugungsanlagen vor erhebliche Probleme. Im Regelfall wird der Poolanbieter nämlich den Betreibern der Anlagen intern den von diesen aufgerufenen Arbeitspreis vergüten müssen, selbst wenn er diese Vergütung gegenüber den ÜNB aufgrund der oben geschilderten Abrechnungspraxis nicht realisieren kann. Soweit im Poolvertrag anderweitige Regelungen getroffen sind, welche die Abrechnungspraxis der ÜNB widerspiegeln, kann der Poolanbieter auch teuren Anlagenbetreibern nur die niedrigeren Erlöse ausschütten, was mittel- bis langfristig an den Grundlagen des eigenen Geschäftsmodells der Poolanbieter zehrt. In jedem Falle verbleibt die Situation für Anlagenbetreiber und Poolanbieter höchst unbefriedigend. Hier besteht Änderungsbedarf und es ist zu hoffen, dass die fragwürdige Klausel in nächster Zeit mal unter die rechtliche Lupe genommen wird. Wir halten Sie darüber natürlich auf dem Laufenden.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau/Dr. Tigran Heymann

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