Gesetzesentwurf zu Konzessionsvergaben: Mehr Fragen als Antworten

(c) BBH
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Der Gesetzgeber will bei der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen in § 46 EnWG mehr Rechtssicherheit schaffen. Wie er das erreichen will, nimmt nun deutlichere Züge an. Eine erste Arbeitsfassung war bereits im Juni 2015 bekannt geworden (wir berichteten). Nun liegt ein weiterer Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums vor. Erreicht er das Ziel, Netzübernahmen und Konzessionsvergaben rechtssicherer zu machen? In einigen Punkten ja, bei zentralen Fragen jedoch nicht. Gerade bei den Auswahlkriterien wirft der Referentenentwurf mehr Fragen auf als er beantwortet.

Zu begrüßen sind die vorgesehenen Änderungen zur Datenherausgabe des Altkonzessionärs im Konzessionierungsverfahren und zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe nach Vertragsablauf. Dass der Altkonzessionär kalkulatorische Netzdaten herausgeben muss, hatte bereits der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt (Urt. v. 14.4.2015, Az. EnZR 11/14). Dass er auch die Konzessionsabgaben bis zur Netzübergabe weiter zahlen muss, hat die Rechtsprechung jedenfalls dem Grunde nach angenommen, da der Altkonzessionär die öffentlichen Wege auch nach Vertragsablauf gewinnbringend nutzt. Insoweit würden die Änderungen für mehr Rechtsklarheit sorgen und die bisherige Rechtsprechung bestätigen. Die vielen offenen Rechtsfragen zur Konzessionsabgabenverordnung (KAV) greift der Referentenwurf dagegen nicht auf.

Im Einzelnen:

Auswahlkriterien

Wie der Entwurf die Auswahlkriterien der Kommunen bei der Vergabe gestaltet, ist zunächst an der Rechtsprechung des BGH orientiert, soll jedoch den kommunalen Gestaltungsspielraum bei der Aufstellung der Kriterien stärken. Insbesondere sollen neben den ausdrücklich genannten Kriterien des § 1 EnWG auch „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Artikels 28 Absatz 2 des Grundgesetzes“ berücksichtigt werden dürfen.

Unklar ist nach dem Entwurf, wie sich die Ziele des § 1 EnWG zu den weiteren zulässigen Kriterien verhalten. Vorgaben zu der Gewichtung der Kriterien zu den Zielen des § 1 EnWG einerseits und den sonstigen Kriterien andererseits soll es nicht geben. In der Rechtsprechung wird derzeit angenommen, dass der vom BGH geforderte „Vorrang“ der Ziele des § 1 EnWG eine Gewichtung von jedenfalls über 50 Prozent bedeutet (LG Leipzig, Urt. v. 17.6.2015, Az. 05 O 1339/15, LG Dortmund, Urt. v. 2.4.2015, Az. 13 O 71/14 (Kart)). Neben den „vorrangigen“ Zielen des § 1 EnWG sind nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 17.12.2013, Az. KZR 66/12) sowie der Folgerechtsprechung auch viele weitere Kriterien zur Ausgestaltung des Konzessionsvertrages zulässig. Ob es hierbei bleibt oder ob zukünftig weitere Spielräume bestehen, sollte der Gesetzgeber klarstellen.

Es ist daneben auch unklar, welche „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ zukünftig neben den Zielen des § 1 EnWG berücksichtigt werden dürfen. Dass die örtliche Energieversorgung insgesamt eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG ist, hatte der BGH bereits bestätigt (Az. KZR 66/12, Rn. 31). Gerade ein Netzbetrieb im Sinne des § 1 EnWG liegt im Interesse der Kommune und ihrer Bürger. Die in der Begründung des Entwurfs genannten Aspekte „Laufzeit“, „Koordinierung von Baumaßnahmen“ und „höchstmögliche Konzessionsabgabe“ waren schon bisher – wie viele weitere konzessionsvertragliche Kriterien – zulässig. Strittig ist in der Praxis insbesondere, wie es zu bewerten ist, inwieweit die Kommunen auf die örtliche Infrastruktur Einfluss nehmen kann. Hier sollte im Entwurf oder jedenfalls in der Begründung dazu Position bezogen werden, ob zukünftig im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung mehr Spielraum besteht als nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Az. KZR 66/12, Rn. 51 ff.) oder es bei den dortigen Maßstäben bleibt.

Beim Ziel der Versorgungssicherheit sollen nach dem Entwurf unter anderem Referenzen des Bewerbers bewertet werden. Hier ist die Abgrenzung zur Eignungsprüfung schwierig. Referenzen von mehreren Bewerbern lassen sich kaum miteinander vergleichen und bewerten. Ein großer Netzbetreiber mit vielen Referenzen ist nicht zwingend besser als ein kleiner Netzbetreiber. Zum anderen soll aber auch nach der Begründung des Entwurfs weiterhin eine Bewerbung von „Newcomern“ möglich sein, die noch keine eigenen Referenzen vorweisen können. Der geforderte Nachweis von Referenzen passt damit nicht zusammen und sollte als zwingendes Auswahlkriterium gestrichen werden. Auch im Übrigen erscheinen die bei den einzelnen Zielen des § 1 EnWG anzuwendenden Kriterien unklar, zum Beispiel das Kriterium Verbrauchstransparenz beim Ziel der Verbraucherfreundlichkeit.

Rügeobliegenheit

Die Einführung von Rügeobliegenheiten ist grundsätzlich zu begrüßen, um für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Allerdings reicht die vorgesehene Rügeobliegenheit nicht aus.

So fehlt eine Vorschrift, die es den Neukonzessionären auferlegt, nach einer erfolglosen Rüge innerhalb bestimmter Fristen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Eine Präklusion ist nur vorgesehen, wenn die Kommune ihre Auswahlentscheidung begründet hat und diese dann nicht gerügt wird. Wenn sie aber gerügt wurde und die Rüge nun erfolglos geblieben ist, könnte sich ohne die Obliegenheit – anschließend (einstweiligem) Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen – der Altkonzessionär (wie bisher häufig) gegenüber der Kommune auch noch Jahre später gegenüber dem Neukonzessionär auf die Rechtswidrigkeit des abgeschlossenen Konzessionsvertrages berufen. Dringend erforderlich ist eine Regelung, nach der der unterlegene Bewerber nach einer erfolglosen Rüge innerhalb einer bestimmten „Stillhaltefrist“ eine gerichtliche Nachprüfung anstrengen muss, um nicht präkludiert zu sein.

Zudem fehlt eine Rügeobliegenheit für das laufende Verfahren. In der Praxis wenden unterlegene Bewerber regelmäßig ein, dass die Auswahlkriterien unzulässig oder unklar seien, obwohl sie diese bereits seit dem Verfahrensbeginn kennen. Dies führt zu langwierigen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten für alle Beteiligten, da die Kommune ihre Kriterien nicht frühzeitig prüfen und ggf. korrigieren kann. Es sollte daher dringend eine Rügeobliegenheit im laufenden Verfahren im Hinblick auf die bekannt gegebenen Wettbewerbsbedingungen eingeführt werden.

Wirtschaftlich angemessene Vergütung

Für die Ermittlung der „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ soll nach dem Referentenentwurf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis geschaffen werden. In der Regel sollen die mit dem Netz zu erzielenden Erlöse nach dem objektiven Ertragswertverfahren maßgeblich sein. Unberührt bleiben soll die Freiheit der Vertragsparteien, sich auf eine anderweitige Vergütung zu einigen.

Unklar ist dabei, wann eine Ausnahme von der Regel vorliegen soll. In der Praxis würden sich Netzveräußerer wohl immer auf einen Ausnahmefall berufen und eine Ermittlung nach dem für sie günstigeren Sachzeitwertverfahren fordern. Der in der Begründung genannte Fall einer „Zwangsverschenkung“ würde eintreten, wenn die zu übertragenden Anlagen gänzlich abgeschrieben sind, so dass mit ihnen nach den regulatorischen Vorgaben weder der Alt- noch der Neukonzessionär Erträge erzielen könnten. Auch für diesen Fall ist es jedoch nicht sachgerecht, dem Altkonzessionär auf Kosten des Neukonzessionärs einen „Sondergewinn“ anlässlich der Netzübertragung einzuräumen und etwa das Sachzeitwertverfahren heranzuziehen. Im Übrigen ist das Netzeigentum faktisch von vornherein eine Eigentumsposition auf Zeit (für die Dauer der Konzessionierung). Wenn er die Anlagen nicht an den Neukonzessionär überträgt, müsste der Altkonzessionär sie nach § 1004 BGB aus dem Straßeneigentum der Kommune entfernen(vgl. BGH, Beschl. v. 3.6.2014, Az. EnVR 10/13), so dass sogar ein „negativer Ertragswert“ vorliegen kann. Gerade bei (weitgehend) abgeschriebenen Anlagen profitiert der Altkonzessionär also von der Übertragung. Alt- und Neukonzessionär können sich so oder so immer privatautonom auf eine abweichende Vergütung einigen, so dass die Klarstellung nicht erforderlich ist.

Redaktionelle Versehen

In dem Referentenentwurf gibt es noch einige redaktionelle Versehen, die behoben werden müssten. So wird gleich an zwei Stellen auf § 46 Abs. 1 EnWG verwiesen, obwohl es dort nicht um Konzessionsverträge der allgemeinen Versorgung geht, sondern um einfache Wegenutzungsverträge. Der Verweis müsste sich jeweils auf § 46 Abs. 2 EnWG beziehen. In den vorgesehenen Regelungen zur Ermittlung der „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ nach dem Ertragswertverfahren wird die Freiheit der „Vertragsparteien“ klargestellt, sich auf eine anderweitig basierte Vergütung zu einigen. Die Vertragsparteien des § 46 Abs. 2 EnWG sind jedoch nicht Alt- und Neukonzessionär, auf die man hier eigentlich abstellen müsste, sondern die Kommune und der Konzessionär.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Theobald/Astrid Meyer-Hetling/Oliver Eifertinger/Axel Kafka

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