REMIT: Und am Ende siegt doch der Realitätssinn?

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Ende Vorbei aus realität
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Die EU-Verordnung über Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts, nach ihrer englischen Bezeichnung kurz REMIT genannt, ist auch nicht mehr taufrisch. Auch wir haben schon öfters über sie berichtet. Allerdings, und das wurde niemand müde zu erwähnen, war sie bislang wahlweise ein „zahnloser Tiger“, ein „schlafender Riese“ oder einfach nur eine „Blackbox“. Da lag einfach daran, dass ihr wesentlichstes Element, nämlich die Pflicht, Fundamentaldaten und Energiemarkttransaktionen zu melden, einfach noch nicht scharf geschaltet war: Es fehlte immer der nötige Umsetzungsrechtsakt der Kommission.

Dieser Umsetzungsrechtsakt (meist englisch als Implementing Act bezeichnet) steht jetzt endlich vor seiner Veröffentlichung. Konzepte, Konsultationen und Entwürfen geistern schon lange durch die Halböffentlichkeit der Verbändewelten. Und vieles war mit Fug und Recht als weltfremd oder unpraktisch zu kritisieren. Umso bemerkenswerter, dass die finale Version jetzt doch noch einiges erleichtert, was so manchen zum Aufatmen bringen wird.

Das gilt zunächst für die Erzeuger. Die schlechte Nachricht ist, dass alle, die Strom oder Gas erzeugen, erstmal als Marktteilnehmer im Sinne der REMIT gelten werden, wenn sie ihre Erzeugnisse verkaufen. Die gute Nachricht ist aber, dass sie ihre Verkäufe nur melden müssen, wenn sie aus Anlagen stammen, die größer als 10 MW (Strom) bzw. 20 MW (Gas) sind. Die überraschend praktische Nachricht ist zusätzlich, dass man darauf verzichten wird, von diesen Anlagenbetreibern eine REMIT-Registrierung zu verlangen, was eigentlich alle Marktteilnehmer machen müssen.

Die ACER als europäische Aufsichtsbehörde für die REMIT wird damit nur dann von den Anlagenbetreibern ad hoc die Daten verlangen können, wenn sie dafür gute Gründe hat. Die Daten vorzuhalten, ist daher nicht nötig.

Ungeklärt ist aber noch, was mit EEG-Anlagen ist, die größer als 10 MW sind und einfach die Einspeisevergütung erhalten. Diese waren in einer früheren Fassung ausgenommen; der damalige Ausnahmewortlaut ist aber heute durch die 10 MW-Grenze ersetzt worden. Es besteht dennoch Hoffnung, dass diese Daten für die Aufsichtsbehörden uninteressant sind und diese die EEG-Anlagenbetreiber nicht belästigen werden, zumal die Daten ja beim Übertragungsnetzbetreiber vorliegen.

Auch die Endverbraucher können von deutlichen Erleichterungen profitieren. Zur Erinnerung: Die REMIT geht davon aus, dass Endverbraucher, die potentiell (Abnahmekapazität) mehr als 600 GWh Strom oder Gas pro Jahr verbrauchen, Marktteilnehmer im Sinne der REMIT sind. Dabei werden verschiedene Verbrauchsanlagen zusammengerechnet, die auch räumlich getrennt sein können. Dadurch sind nicht nur mittelgroße Industrieunternehmen, sondern auch Lebensmittelmärkte mit vielen Filialen, Baumarktketten etc. auf einmal im Fokus.

Der Implementing Act kann die REMIT in dieser Hinsicht nicht verändern. Aber er kann „schummeln“. Es sollen nämlich nur solche Geschäfte mit Endverbrauchern meldepflichtig sein, die eine einzelne Verbrauchseinheit mit 600 GWh Abnahmekapazität beliefern sollen. Da die Zahl der entsprechenden Verbrauchseinheiten in Deutschland überschaubar sein sollte, hat die Definition der REMIT ihren Biss verloren.

Um zusätzlich die Energieversorger zu schützen, sollen die Verbraucher die Pflicht haben, den Versorger über ihre Anlagenkapazität zu informieren. Wird also ein Geschäft versehentlich nicht gemeldet, weil der Versorger nicht wusste, dass sein Kunde über der Schwelle liegt mit seiner Verbrauchseinheit, muss zumindest er keine Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten befürchten.

Eine gute Nachricht für alle, aber natürlich vor allem für die Versorger, die ja automatisch meldepflichtig sind: der Start wird hinausgeschoben. Nach langem Hin und Her (und der nur halb-scherzhaft gemeinten Idee, einfach den Implementing Act eine Weile „zu vergessen zu veröffentlichen“) hat man sich durchgerungen, den Start der Meldepflichten um drei Monate nach hinten zu schieben. Das heißt, dass die Standardgeschäfte an den Handelsplätzen erst neun Monate nach Veröffentlichung des Implementing Acts gemeldet werden müssen. Und alle anderen Geschäfte der „normalen“ Marktteilnehmer sogar erst in 15 Monaten.

Damit streckt sich aber natürlich auch die Zeit für das sog. Backloading, also das Nachmelden bereits getätigter Großhandelsgeschäfte, die nach Beginn der Meldepflicht aber immer noch nicht (vollständig) erfüllt sind. Aber auch liest man Beruhigendes. Zwar müssen diese Geschäfte innerhalb von 90 Tagen nachgemeldet werden, man möchte aber nur Informationen, die die Unternehmen eh parat haben müssen.

Wer die Meldung für sich oder gar andere durchführen möchte, muss sich als „Registered Reporting Mechanism (RRM)“ bei ACER – wie der Name schon sagt – registrieren. Im politischen Prozess gab es immer wieder den Versuch, diejenigen, die nur für sich selbst melden wollen, von dieser Registrierung (und den damit verbundenen Pflichten und Auflagen) zu entbinden. Dies war nicht erfolgreich. Als Konzession aber gewissermaßen steht in den Erwägungsgründen des Implementing Acts nun, dass die „Bewertung“ der Einhaltung der Regeln „verhältnismäßig“ erfolgen soll. Drittmelder und Dienstleister sollen also zumindest innerhalb der Vorgaben anders (strenger) behandeln werden als Selbstmelder. Ein weiterer kleiner Erfolg, auch wenn derzeit nicht absehbar ist, wie viele Unternehmen sich die RRM-Rolle tatsächlich zutrauen werden.

Alles in allem also ein erfreuliches Ende dieser langwierigen Geburt. Nun wird es darauf ankommen, die Anforderungen technisch umzusetzen und dann irgendwann Routine für die Prozesse zu entwickeln. Und dann … schauen wir mal, was bei der Auswertung der Daten herauskommt.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau

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