Schlichter Geburtsfehler

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Die Schlichtungsstelle Energie e.V. hat ihre Arbeit aufgenommen. Auch Energieversorger können Mitglied der nach dem Energiewirtschaftgesetz (EnWG)  zu errichtenden Streitschlichtungsstelle werden. Die Mitgliedschaft hält für die Unternehmen jedoch eine ganz besondere Überraschung bereit: Sie müssen den gerichtlichen Rechtsschutz weitgehend aufgeben.

Kernaufgabe der neuen Schlichtungsstelle Energie ist es, individuelle Streitfälle zwischen Verbrauchern und Energieversorgungsunternehmen außergerichtlich und einvernehmlich beizulegen. Am 25. Oktober 2011 wurde die Schlichtungsstelle vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nach § 111b EnWG anerkannt. Die Idee ist einfach: Durch eine vorgelagerte Streitschlichtung „aus der Branche für die Branche“ sollen die Gerichte entlastet werden.

Die Schlichtungsstelle Energie e.V. ist ein Verein, dem auch die Energieversorgungsunternehmen beitreten können. Das ermöglicht ihnen, ihre Kompetenz einzubringen, also beispielsweise an den Wahlen zum Vorstand teilnehmen und sich auch selbst in den maximal 15-köpfigen Vorstand wählen lassen, der wiederum die Ombudsperson bestellt. Auch die Werbung mit der Mitgliedschaft ist erlaubt.

Einer für alle, alle für einen!

Allerdings sollten sich Energieversorgungsunternehmen die Beantragung einer Mitgliedschaft in der Schlichtungsstelle Energie e.V. gut überlegen. Denn hier gilt in ganz besonderer Weise: Einer für alle, alle für einen!

§ 5 der Vereinssatzung sieht eine sehr weitgehende Bindungswirkung der Empfehlungen der Schlichtungsstelle vor. Sollten in einem Kalenderjahr von den Mitgliedern nicht mindestens 80 Prozent der Schlichtungsempfehlungen (auch für das eigene Unternehmen) als verbindlich anerkannt worden sein, sind alle ab dem 1. Mai des folgenden Jahres ausgesprochenen Schlichtungsempfehlungen für alle Mitglieder verbindlich. Jedes Mitglied unterwirft sich also potentiell allen zukünftigen Schlichtungssprüchen – wohlgemerkt auch denen, die aufgrund von Verbraucherbeschwerden gegenüber völlig fremden Unternehmen ergehen.

Selbst ein Unternehmen, das bisher sämtliche der in eigener Sache ergehenden Empfehlungen der Schlichtungsstelle anerkannt hat, wäre in einem solchen Fall auch an alle weiteren Empfehlungen in anderen Fällen gebunden. Unklar ist dabei sogar, ob die Bindung nur für das folgende Kalenderjahr gilt oder auch unbegrenzt darüber hinaus.

Wollen Unternehmen Mitglied werden und bleiben, können sie also unter Umständen ihre Rechte gegenüber den eigenen Verbrauchern nicht mehr gerichtlich verteidigen – weil gegenüber anderen Unternehmen ein entsprechender Schlichtungsspruch ergangen ist.

Die sehr weitgehende Bindung an die Empfehlungen der Schlichtungsstelle Energie e.V., die man mit der Mitgliedschaft eingeht, wird wohl verhindern, dass Energieversorger in größerer Zahl beitreten. Dies ist zu bedauern, da diese Unternehmen einen erheblichen fachlichen Beitrag leisten könnten. Die Regelungen zur Bindungswirkung sind daher ein schwerer Geburtsfehler der Schlichtungsstelle Energie e.V.

Ansprechpartner: Prof. Christian Held/Dr. Jost Eder

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